Mit dem eCitan fährt Mercedes-Benz ein weiteres Derivat auf Basis des Renault Kangoo vor und will bei Handwerk, Handel und Logistik punkten mit für die Stadt ausreichend Reichweite, 22 kW-AC-Lader und dem traditionell dichten Servicenetz. Die Edelversion EQT und der Kombi haben allerdings einen großen Haken – und mangels Wegstreckensignal sind sie und ihre Verwandten von Renault und Nissan noch immer nicht als Taxi oder Mietwagen umrüstbar.
Clou am eCitan (wie an seinen Geschwistern) ist der 22-kW-AC-Bordlader, der optional erhältlich ist und in unserem Falle flottes Mittagspausenladen binnen einer Stunde ermöglicht: Von 59 auf 100 Prozent wäre locker machbar, formal geht es von 0 auf 100 Prozent in 2,5 Stunden. Damit erübrigt der schnelle AC-Dienst fast den dafür eher lahmen 80-kW-DC-Service, der nur auf die halbe Stunde gerechnet mehr Tempo macht, aber eben auch deutlich mehr kostet. Formal dauert es von 10 auf 80 Prozent dann auch knapp 40 Minuten. Empfehlenswert ist diese Option eigentlich nur, wenn man mit dem eCitan öfter an HPC-Ladern gastieren und Strecke machen will.
Kein Typ für die Langstrecke
Wobei sich das nicht wirklich anbietet: Zu klein ist der Radius im Autobahnbetrieb für den hochaufragenden Kasten mit seiner üppigen Stirnfläche. Mit über 20 kWh/100 km sollte man dann rechnen – und Pausen alle 180 Kilometer einplanen. Im „Schwedenzyklus“ dagegen, sprich besser strengstens einzuhaltenden 30/50 innerorts, meist 70 außerorts und ganz kurz mal 110 km/h auf einem kleinen Autobahnstück dankt der 90-kW-Synchron-Frontantrieb den ruhigen und gleichmäßigen Fahrstil mit 15,4 kWh/100 km laut Bordcomputer, der „SLTP“, ein „best case scenario“ sozusagen. Dann sind auch die im WLTP angegebenen 280 Kilometer machbar, die der weiter relativ kompakte 45 kWh-Lithium-Ionen-Akku im Unterboden energetisch vorhält.
Der Kombi ist nicht sehr variabel
Beim Kombi namens Tourer sowie der Edel-Version EQT zeigt sich dann aber ein gravierender Unterschied: Denn bei der E-Version ist der Fußraum leider um etwa sieben Zentimeter erhöht, sodass man ziemlich froschartig dahockt und seine Füße auch nicht unter den Vordersitz schieben kann. Das geht bei der französischen Konkurrenz von Stellantis deutlich besser, die auch hier keinen Unterschied zum Verbrenner macht. Und zudem mit einer komplett versenkbaren 1/3-2/3-Bank punktet, die den Kombi flugs zum Kasten verwandelt. Bei Mercedes lässt sich die Bank zwar in der Länge verschieben, aber umgeklappt bleibt immer die dicke Bank im Raum stehen. Sie ist auch nicht herausnehmbar.
Guter Komfort, flotter Antrieb
Nervig ist auch, dass man die Fahrmodi und Rekuperationsgrad mit dem bei Mercedes etwas handschmeichelnderen Hebel einlegen muss und die dicke Konsole den Beinraum einengt. Wer die Reihenfolge nicht exakt beachtet – erst in „P“, Bremse treten, Fahrmodus einlegen – bleibt auf der Stelle stehen. Angenehm ist das optionale „keyless-Go“-System sowie der serienmäßige schlüssellose Start per Knopfdruck. Eine Wohltat sind die simplen Drehregler für Heizung und Lüftung, die intuitiv zu bedienen sind. Optional „pimpt“ eine Wärmepumpe die Reichweite des eCitan ein bisschen.
Fahrassistenz auf Level 2, aber nicht immer trittfest
An Fahrerassistenz wacht wunschweise das komplette Package auf Level 2, in den Testwagen fehlte nur der Abstandstempomat, ansonsten war vom Totwinkelwarner über Aufmerksamkeitswarner, die Rückfahrkamera und ab 70 km/h aktiven Spurassistenten und Auffahrwarner alles an Bord und soweit auch „gut eingestellt“. Die Verkehrszeichenerkennung dürfte aber noch „intelligent“ sein und die Limits eigenständig übernehmen, was nur der Abstandstempomat auf Bestätigung beherrscht. Ob man bei dem 4,50 Meter langen Kompaktvan einen „Parkautomaten“ braucht, sei dahingestellt. Vielleicht bei der 4,92 Meter langen L2-Version und mit Anhänger. Es gibt ihn jedenfalls, ebenso wie die LED-Front- und Heckleuchten, die für ein gewerbliches Fahrzeug eher lässlicher Luxus sind. Wichtiger ist die Anhängerstabilisierung für den Trailerbetrieb.
Im Interieur haben sich die Schwaben um Distinktion bemüht, bieten ein wertiges und griffiges Konzernlenkrad mit nicht ganz intuitiven Klavierlackwischern, etwas ansehnlichere Materialien, ein „sternenmäßiges Digitalfenster im Zentraldisplay und vor allem das „kleine“, aber feine, knackscharfe MBUX-Infotainment. Ohne MBUX wird das Bild der Rückfahrkamera übrigens in einem scharfen Segment im Rückspiegel angezeigt. Das System lässt sich jedenfalls an die Telematik anbinden, wartet mit präziser und schneller Echtzeitnavigation auf und bietet eine lernfähige Sprachassistenz auf Zuruf („Hey Mercedes“). Die Sprachsteuerung muss allerdings wirklich noch ein bisschen lernen: Auf den Wunsch, die Lautstärke der Navi-Ansage runterzuregeln, schaltete die „Dame“ die Ansagen komplett ab. Gut, dass es „Updates over the Air“ gibt …