Experten fordern technische Nachrüstungen bei E-Scootern
In Österreich sind E-Scooter rechtlich als Fahrräder normiert – im Gegensatz etwa zu den Niederlanden, wo sie als Mopeds gelten. Othmar Nagl, Vorsitzender des Instituts für Versicherungswirtschaft an der Linzer Johannes Kepler Universität und Generaldirektor der OÖ. Versicherung, kritisierte in einer Pressekonferenz anlässlich einer Tagung zum Thema am Mittwoch, dass es derzeit keine Vorschriften gebe, wie die Roller ausgestattet sein müssen. “Handzeichen geben ist eine große Herausforderung”, weiß er als Scooter-Benutzer aus eigener Erfahrung. Verkehrssicherheitsexperten wie Versicherer würden eine zweite Bremse, einen Blinker und eine verpflichtende Glocke bzw. Hupe für angebracht halten, auch eine Helmpflicht wird als sinnvoll erachtet.
Denn der E-Scooter-Boom schlägt sich auch in den Unfallstatistiken nieder: Laut Hochrechnung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) gab es in Österreich 2020 rund 1.300 Unfälle mit Verletzten, die im Spital behandelt werden mussten, 2021 etwa 2.700 und im Vorjahr 3.600. Auch vier Tote wurden 2022 gezählt. Unfallursachen seien meist Unachtsamkeit und Selbstüberschätzung. 25 Prozent der Unfälle passieren auf der Fahrbahn, ein Drittel auf Gehsteigen, wo man eigentlich gar nicht fahren darf. Auch Helme sind nicht besonders gängig: Lediglich 17 Prozent würden einen tragen, unter den Leih-Scooter-Fahrern gar nur ein Prozent, rechnete KFV-Geschäftsführer Christian Schimanofsky vor.
Die oberösterreichische Landeshauptstadt hatte zunächst mit einem Verhaltenskodex reagiert, nun will man nachschärfen. In der Pressekonferenz umriss Hajart die Eckpunkte des neuen Konzepts, das kommende Woche präsentiert werden soll: Künftig werde es rund 100 Stationen geben, an denen man die Scooter leihen kann und auch wieder retournieren muss. Es sei möglich, die Roller so zu programmieren, dass ihr Standort auf 20 Zentimeter genau eingegrenzt werden kann, erklärte Hajart. Wird der Scooter nicht am richtigen Platz abgestellt, laufen die Leihgebühren weiter – wie es auch bei Leihfahrrädern gehandhabt wird.
Der Nachteil für die Nutzer liegt auf der Hand: Die “letzte Meile”, etwa zum Wohnhaus, muss man künftig zu Fuß gehen. Dafür sollen herumliegende Roller endlich der Vergangenheit angehören und kein Sicherheitsrisiko mehr darstellen. E-Scooter komplett zu verbieten, wie es Paris vorhat, würde er für “eine Kapitulation der Stadt” halten, so Hajart, aber es brauche Regeln. “Man hat ja auch Autos nicht verboten, weil es viele Unfälle gab, sondern man hat die Gurtenpflicht eingeführt.” Er will zudem die E-Scooter-Verleihe in Linz auch im Osten und im Süden der Stadt weiter ausbauen. Linz geht damit einen ähnlichen Weg wie Wien, das den Leih-Scootern ebenfalls nicht völlig den Garaus machen, sie aber besser in Schach halten will.
Die Versicherer sehen bei den E-Scootern über verkehrsplanerische Aspekte hinaus zudem “eine gewisse Versicherungslücke”, wie Doris Wendler, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen, sagte, denn es gebe keine gesetzliche Versicherungspflicht – zumindest nicht, solange das Gefährt nicht mehr als 25 km/h fährt und nicht mehr als 600 Watt hat. Die gesetzliche Unfallversicherung gelte nicht für den privaten Bereich und auch nicht für Leute, die nicht im Erwerbsleben stehen. “Die wenigsten sind sich darüber im Klaren, das Freizeitunfälle heftige Auswirkungen haben können”, warnte Nagl.