Chinesische Autobauer machen sich in Deutschland breit – „Kostet nur halb so viel wie ein Mercedes“
Chinas Autobauer nehmen den europäischen Automarkt ins Visier. Handelt es sich um billige Kopien hiesiger Modelle? Mitnichten. Deutsche Experten geraten ins Schwärmen.
München – Als bevölkerungsreichstes Land gilt China als der größte Absatzmarkt der Welt. Das galt viele Jahre lang auch für deutsche Autobauer, die in Asien einen wesentlichen Teil ihrer Fahrzeuge verkaufen. Doch ist die heile Welt unlängst ins Bröckeln geraten.
Das führt dazu, dass sich der Spieß in der Automobilbranche umdreht: Immer mehr China-Hersteller drängen auf den europäischen Automarkt. Aufgrund des gewachsenen Konkurrenzumfelds wird der Kampf um Absatzzahlen selbst in Deutschland immer härter. Aufgrund der Expertise aus dem Reich der Mitte werden sich die internationalen Automärkte in den kommenden Jahren stark verändern, prognostizieren Experten dementsprechend.
Chinesische Autobauer nehmen Deutschland ins Visier – anders als BMW und Mercedes
Einer davon ist Frank Liebold. „Gerade bei Elektrofahrzeugen im Mittelklassesegment drängen neue Hersteller aus Asien auf den deutschen Markt“, erklärt der Country Director Deutschland bei Atradius, einem global tätigen Finanzdienstleister. Ihm zufolge haben hiesige Autohersteller wie BMW oder Mercedes nicht die Absicht, in der Heimat mit den Angeboten der China-Armada mitzuhalten – und bezieht sich auf das Segment der elektrizifierten Mittelklasse. Aktuelles Beispiel ist der Nio ET5, der BMW, VW und Co. die Stirn bietet.
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Chinas Autohersteller drängen nach Deutschland – und sind günstiger als Premiummarken
Die Wirtschaftswoche hat analysiert, dass 2023 und den Jahren darauf nicht weniger als 18 chinesische Autohersteller mit 43 Modellen auf den europäischen Automarkt drängen und es Anzeichen gibt, dass den Platzhirschen in der Zukunft massiv Marktanteile streitig gemacht werden. So habe die chinesische Wiedergeburt der einst britischen Traditionsmarke MG im vergangenen Jahr bis August auf dem Kontinent rund 60.000 Fahrzeuge verkauft, Tendenz steigend.
In dem Bericht der Wirtschaftswoche wird zudem ein Innovationsranking des Instituts „Center of Automotive Management“ (CAM) erwähnt, in dem sich der chinesische Konzern BYD auf Platz drei befindet, noch vor den Automobilgiganten BMW und Mercedes. Besonders das Knowhow in Sachen Batterietechnologie wird hervorgehoben.
Deutsche Autobauer und der Wissenstransfer: Kommt nun der China-Bumerang?
Letztlich bleibt die Einsicht, dass der vollzogene Wissenstransfer in der Vergangenheit wie ein Bumerang zurückzukommen droht. „Langfristig haben sich die deutschen Hersteller damit ihr eigenes Grab geschaufelt“, urteilt ein Mercedes-Insider. Dazu kommen bürokratische Unterschiede zwischen den Automarken beider Länder. Denn in China würden wichtige Entscheidungen im Hinblick auf die Entwicklung „einfach umgesetzt“, statt „monatelanger interner Abstimmungsprozesse“.
Dem Vernehmen nach gibt es lediglich zwei Probleme, mit dem Chinas Autobauer bzw. ihre Kunden in Ländern wie Deutschland noch zu kämpfen haben: komplizierte Vertriebsstrukturen sowie der Bereich Wartung und Instandhaltung. Denn mit chinesischen Fabrikaten – so sie denn Elektroautos sind – sei die Mehrzahl der freien Werkstätten hierzulande überfordert. Doch sei es nur eine Frage der Zeit, bis Besserung eintritt: Manager deutscher Autobauer würden damit rechnen, dass diese Hindernisse überwunden werden. (PF)