Motorrad

Auswirkungen der MotoGP-Aerodynamik: "Turbulenzen in der Gruppe extrem"

Luftturbulenzen hinter anderen Fahrer werden immer extremer

Die Aerodynamik hat in der MotoGP eine wesentliche Bedeutung für die Performance übernommen. Das mechanische Set-up wird praktisch auf die Auswirkungen der Aerodynamik angepasst, um die Performance zu optimieren. Dieses Wettrüsten hat aber auch negative Auswirkungen.

Zum Beispiel wurde Alex Marquez in Mugello im Windschatten von zwei Motorrädern derart angesaugt, dass er vor Kurve 1 seine Ducati kaum verzögern konnte. Was wie ein Überholmanöver an zwei Gegnern aussah, war in Wirklichkeit ein Ausweichmanöver, um einen Unfall zu verhindern.

Andrea Dovizioso

In Silverstone wurde Maverick Vinales vor der Copse-Kurve hinter zwei Fahrern im Windschatten angesaugt. Auch er konnte nicht richtig verzögern. Er musste nach innen stechen, um einen Unfall zu verhindern. Dabei kam es zur Berührung mit Jack Miller, der neben die Strecke geschickt wurde.

Brad Binder

Und in Silverstone stürzte Marco Bezzecchi hinter Francesco Bagnaia in der Stowe-Kurve, weil er im Windschatten den Anpressdruck verloren hatte. “Wir wissen bereits, dass es mit unseren Motorrädern so ist. Ich muss das bedenken”, nahm Bezzecchi den Fehler auf seine Kappe.

Früher wurde die Verkleidung lediglich dahingehend optimiert, um auf der Geraden so wenig Luftwiderstand wie möglich zu haben. Es gab einen Windschatteneffekt, aber dieser war im Vergleich zu heute ganz anders.

Früher umschloss der Luftfluss auf der Geraden praktisch das Motorrad. Heute breitet sich hinter einem Bike der Luftfluss wie in V-Form aus. Und das V wird hinter einem Motorrad immer breiter. Das zieht mehrere Probleme nach sich.

Damit das nachfolgende Motorrad für sich eine optimale aerodynamische Wirkung erzielen kann, müsste der Fahrer eine andere Linie fahren, um aus diesem V-Kegel herauszukommen. Dadurch wird auch Überholen viel schwieriger.

Wie stark die Luftturbulenzen mittlerweile sind, hat Pol Espargaro nach seiner langen Verletzungspause bemerkt. “In Silverstone war ich relativ weit hinten in einer Gruppe”, schildert der Routinier seine Erfahrungen.

“In der schnellen Schikane in Sektor 1 hatte ich große Mühe, das Motorrad umzulegen, weil es so viele Luftturbulenzen gibt. Das war ziemlich gefährlich. Der Führende und die ersten Fahrer spüren das nicht so, aber wenn man hinten in der Gruppe ist, dann sind die Turbulenzen unglaublich.”

Diese Turbulenzen muss man laut Espargaro auch bedenken, wenn man jemanden überholt: “Wenn man jemanden überholt, muss man dem Hintermann etwas saubere Luft lassen. Es scheint so, dass wenn man sich vor dem Hintermann platziert, dann wird sein Speed sehr rasch schneller.”

“Wenn man die Linie des Fahrers, den man eben überholt hat, schneidet, dann könnte er dich von hinten treffen. Mit dieser Aerodynamik braucht man immer saubere Luft. In den Turbulenzen fährt man einerseits langsamer, andererseits kann es recht knifflig werden.”

Aerodynamik-Entwicklung schwierig zu verbieten

Marc Marquez meinte deshalb jüngst, dass die MotoGP den falschen Weg geht. Dass das Technische Reglement erst für 2027 wesentlich geändert werden könnte, ist für den mehrfachen Weltmeister “zu spät”.

“Ich bin diese Motorräder ohne und mit Flügeln gefahren”, sagt Marc Marquez. “Mit Flügeln ist es etwas kritischer, aber so ist jetzt die MotoGP. Wir müssen uns darauf einstellen. Auch früher wurde man angesaugt, aber deutlich weniger.”

Mit der Aerodynamik haben die Hersteller ein komplett neues Entwicklungsfeld aufgemacht. Auch bei Serienmaschinen sind immer mehr Winglets zu sehen. Der Rennsport dient als Forschungs- und Testlabor.

“Es ist ein technologisches Problem”, meint Pol Espargaro. “Ich habe mich darüber schon vor einigen Jahren beklagt, als Ducati mit den Flügeln begonnen hat. Wir haben diese Turbulenzen gespürt. Es fühlte sich verrückt und gefährlich an.”

“Aber es ist sehr schwierig, die Entwicklung der Technologie zu stoppen. Das Problem ist immer gleich. Wenn man das in der MSMA verlangt, dann bräuchte man die Zustimmung aller Hersteller.” Und das war bisher nicht möglich.

“Es ist schwierig, weil die Hersteller viel Geld investieren. Man würde diese technologischen Fortschritte bestrafen. Das wäre nicht fair”, findet Pol Espargaro trotz der negativen Auswirkungen beim Fahren. “Wir stehen vor diesen Problemen, aber die Fahrer müssen die Lösungen finden, die Linien ändern und die Situation beim Fahren managen.”

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