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Adieu E-Scooter – Roller verschwinden aus Paris

Paris. Die elektrischen Leihroller müssen bis zum 1. September aus Paris verschwinden. Ausgerechnet mit dem Ende einer umweltfreundlichen Alternative zum Auto will Bürgermeisterin Anne Hidalgo wieder an Popularität gewinnen.

adieu e-scooter – roller verschwinden aus paris

Bis zum 1. September sollen die Leihroller aus Paris verschwinden.

„Liebes Paris, wir werden uns bald trennen. Aber die gemeinsamen Momente werden für immer in unseren Herzen bleiben.“ Mit dieser romantischen Botschaft auf ihren Lenkern verabschieden sich die elektrischen Roller der Marke Lime in diesen Tagen von der französischen Hauptstadt. Bis Freitag müssen die 15.000 Zweiräder zum Mieten von den Straßen verschwunden sein. In einem Referendum hatten sich im April fast 90 Prozent der Pariserinnen und Pariser gegen die „Trottinettes“ ausgesprochen, die an jeder Straßenecke standen. Die Stadtverwaltung ließ daraufhin den Vertrag mit den drei Anbietern Lime, Dott und Tier auslaufen.

Nutzerinnen wie die 29-jährige Sophia bedauern die Entscheidung. „Früher haben mein Mann und ich immer das Auto genommen, aber mit dem Roller fällt die lästige Parkplatz-Suche weg“, berichtet die Pariserin, die das Gefährt vier- bis fünfmal pro Woche nutzte. Nach der Abschaffung der E-Scooter will sie sich nun eine eigene Trottinette kaufen.

Während Sophia ihr Fahrzeug stets auf dem dafür vorgesehenen „Parkplatz“ abstellte, ließen andere Nutzerinnen und Nutzer ihren Miet-Roller einfach auf dem Gehweg liegen. Vor allem Touristen hielten sich nicht an die Regeln: Sie schnitten den Radlern den Weg ab, fuhren bei Rot über die Ampel und versetzten die Fußgänger in Angst und Schrecken. Auch den Taxifahrern waren die E-Scooter ein Gräuel. „Zum Glück ist damit bald Schluss“, seufzt einer von ihnen. Allein in Paris starben im vergangenen Jahr drei Menschen bei Unfällen mit den Trottinettes. 426 Verletzte wurden gezählt – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr.

2018 war Paris die erste europäische Stadt, die die elektrischen Roller einführte. Jeder Vierte konnte sich damals vorstellen, ein solches Gefährt zu nutzen. Die modernen Miet-Zweiräder passten zum Image der Metropole, die nach neuen Wegen der Mobilität suchte. Bürgermeisterin Anne Hidalgo hatte ein Jahr zuvor gut drei Kilometer des rechten Seine-Ufers für den Autoverkehr sperren lassen und gleichzeitig das Radwegenetz massiv ausgebaut. In der ganzen Welt wurde sie dafür als Vorreiterin einer neuen umweltfreundlichen Verkehrspolitik gefeiert.

E-Scooter als „Sündenbock“

Doch der Glanz der Sozialistin ist seither verblasst. Die 64-Jährige, der eine autoritäre Amtsführung nachgesagt wird, hat seit ihrer Wahl 2014 die Schulden der Hauptstadt fast verdoppelt. Außerdem wird ihr der Dreck in der Metropole angelastet, der die Sorge Nummer eins der Pariserinnen und Pariser ist – noch vor der Sicherheit. Laut einer Umfrage vom März sind nur 19 Prozent der Meinung, dass ihre Stadt sich gut entwickelt. Sogar unter denjenigen, die Hidalgo wählen, sind es nur 28 Prozent.

Die Sozialistin muss deshalb versuchen, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. In einem Zeitungsinterview kündigte sie im Januar überraschend ein Referendum über die E-Scooter an. „Anne Hidalgo ruft die Pariser zum Votum über das Chaos auf, das sie selbst angerichtet hat,“ kritisierte die konservative Stadträtin Nelly Garnier in der Zeitung „Le Monde“. Statt kurzsichtig die Roller abzuschaffen, solle man lieber über eine umfassende Verkehrspolitik diskutieren, forderte sie. Die Konservativen sehen in der Trottinette Hidalgos „Sündenbock“ für alle Fehler, die sie in den vergangenen Jahren begangen hat.

Die Bürgermeisterin sitzt im Rathaus auf einem Schleudersitz, seit sie im vergangenen Jahr als Präsidentschaftskandidatin nur 1,75 Prozent der Stimmen holte. Das peinliche Ergebnis weckte sowohl bei der Opposition als auch in den eigenen Reihen Begehrlichkeiten auf ihre Nachfolge. Erste Umfragen sagen bereits einen Sieg der konservativen Ex-Ministerin Rachida Dati 2026 voraus. Doch die Amtsinhaberin will nicht so schnell aufgeben: Ihr werden Ambitionen für ein drittes Mandat nachgesagt. Das Roller-Verbot soll ihr dabei helfen, in der Stadt wieder populärer zu werden.

Zumindest das Ergebnis des Referendums Anfang April bestärkte Hidalgo in ihrem Kalkül: 89 Prozent der Teilnehmenden stimmten dagegen, die E-Scooter in der Hauptstadt zu behalten. Allerdings beteiligten sich nur rund 100.000 Menschen – 7,46 Prozent der Wahlberechtigten – an der Abstimmung. Das sind deutlich weniger als die 400.000 Nutzerinnen und Nutzer der Miet-Roller, die Paris monatlich zählte. Die schwache Teilnahme zeige, dass das Thema die Pariserinnen und Pariser gar nicht interessiere, kritisierte die Opposition.

„Es geht darum, das Auto zurückzudrängen“

Hidalgo verzichtete am Wahlabend denn auch auf einen triumphierenden Auftritt und sprach in einer Erklärung lediglich von einem „schönen Tag für die partizipative Demokratie“. Der Erfolg der Trottinette-Gegner, zu denen sich auch die Bürgermeisterin zählt, ist allerdings gleichzeitig eine Niederlage für den Umweltschutz. Experten zufolge verbrauchen die E-Scooter bis zu viermal weniger CO2 pro Kilometer als Autos. „Es geht doch darum, das Auto zurückzudrängen und nicht darum, die Roller zu bekämpfen“, kritisiert die Verkehrsexpertin Anne de Bortoli im Interview mit der Website Reporterre. „Sie zu verbieten wäre absolut gegen den Trend.“

Andere französische Städte wie Lyon oder Bordeaux bieten die elektrischen Miet-Fahrzeuge denn auch weiter an. Verkehrsminister Clément Beaune legte im Frühjahr einen Plan vor, der die Nutzung der Trottinettes, aber auch der Hoverboards und anderer alternativer Fortbewegungsmittel regelt. Das Mindestalter der Fahrerinnen und Fahrer wird von 12 auf 14 Jahre heraufgesetzt, die Geldstrafe für die verbotene Nutzung zu zweit steigt von 35 auf 135 Euro. Außerdem müssen die E-Scooter ein Bremslicht und einen Blinker habe. Der Helm wird empfohlen, ist aber nicht verpflichtend. Zum Verbot der Roller in Paris sagte Beaune vergangene Woche: „Ich bedauere es.“

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