Ungewöhnlich ausverkauft ist derzeit Dresdens Opernhaus, zumindest bei der Inszenierung. Die Zuschauer jubeln. Warum nur? Der Kritiker ist entsetzt!
Das gab es lange nicht mehr: Wenn an der Semperoper das Ballett „Romeo und Julia“ läuft, dann ist das Haus, derzeit wie die meisten Theater eher mäßig besucht, ausverkauft. Und das Publikum ist verzückt. Reihenweise springen Zuschauer nach der letzten Szene – was in Repertoire-Vorstellungen sehr ungewöhnlich ist – zu Ovationen auf.
Zigmal werden die Interpreten mit Beifall auf die Bühne gebeten. Auch das Orchester kriegt einen Extra-Applaus. All das beweist: Sergej Prokofjews Tanzklassiker nach Shakespeares Tragödie wird geliebt und gehört also auf die Bühne.
Statt sich zu umarmen und zu küssen, halten Julia und Romeo in der Semperoper eher Abstand. © Jubal Battisti
In Dresden gab es schon wesentlich bessere Inszenierungen (1984 und 1994) und eine sehr viel schlechtere (2013). Ganz klar: Choreograf Dawson hat eine gewisse ansprechende Ästhetik. Seine Sprache ist gemäßigt modern-elegant mit vielen Drehungen, raumgreifenden Armbewegungen und Hebefiguren. Damit kann er bei seinen handlungsfreien Produktionen punkten, nicht bei „Romeo“, wo er eine Geschichte erzählen muss. Das kann er nämlich nicht.
Zumal er die ganze Partitur vertanzen will und sich gegen – mögliche – Kürzungen entschieden hat. Entweder flüchtet er in altmodische theatralische Gesten oder arrangiert aufgrund seines arg begrenzten Bewegungskanons die immer gleichen Formationen. Und das bei einem Abend von über drei Stunden.
Hebefiguren statt Zärtlichkeiten
Beispiele: Wenn zwei die Liebe entdecken, dann wollen die sich doch umarmen, streicheln und küssen. Bei Dawson halten Romeo und Julia eher Abstand, rennen umher, um dann – wie im Eislauf – Anlauf zu nehmen. Sie springt, er hebt sie hoch. Gefühlt 80, wenig variantenreiche Hebefiguren gibt es. Oder: In den eigentlich packenden Selbstmordszenen der beiden wird der jeweils andere – die vermeintlich tote Julia und der dann tatsächlich tote Romeo – umhergezerrt und gepresst, dass es wehtut.
Wenig Gutes ist zur Musik zu sagen. Im Graben unter Leitung von Benjamin Pope rumpelt und kickst es teilweise gewaltig. Wer auch immer im Graben sitzt: Die Staatskapelle mit ihrem besonderen Sound speziell im russischen und emotionalen Repertoire kann es nicht gewesen sein.
Wieder am 25., 26. und 30. November (nur Restkarten an den Abendkassen), Kartentel. 0351 4911705
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