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Verbrenner-Aus: Warum E-Fuels bei Autos keine Rolle spielen werden

Die EU streitet über E-Fuels. Aber können diese synthetischen Kraftstoffe überhaupt in relevanter Menge hergestellt werden? Und was werden sie Autofahrer kosten?

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Stau auf der A 100 in Berlin – in Zukunft klimaneutral?

Wer noch am Verbrenner hängt, schöpft dieser Tage Hoffnung: Die Entscheidung für das Ende des Verbrennungsmotors auf EU-Ebene wackelt. Gerade erst wurde die finale Abstimmung verschoben, weil die Mehrheit ungewiss ist. Die FDP fordert, dass auch nach 2035 noch neue Verbrenner zugelassen werden – wenn diese nachweislich nur mit E-Fuels betankt werden können, also mit synthetischen Kraftstoffen, die aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid hergestellt werden. Unabhängig davon will die Bundesregierung zulassen, dass Autos an Tankstellen demnächst schon mit reinen E-Fuels betankt werden dürfen. Das Problem ist nur: Ob E-Fuels in relevanten Mengen und zu einem ansprechenden Preis hergestellt werden können, ist mehr als fraglich.

Synthetisch hergestelltes Benzin oder Diesel kann statt fossilen Kraftstoffen in bestehende Pkw getankt werden. Es entstehen beim Verbrennen zwar nach wie vor Abgase, aber im besten Fall fahren Autos trotzdem CO₂-neutral. Denn E-Fuels werden aus Wasserstoff und CO₂ hergestellt. Entzieht man das benötigte CO₂ vorab der Atmosphäre, wird beim Verbrennen im Auto nicht mehr CO₂ freigesetzt, als zur Erzeugung benötigt wurde. Wird zur Herstellung noch Strom aus erneuerbaren Energien verwendet, ist der Antrieb sogar klimaneutral.

Das klingt nach einer guten Lösung, um weiterhin Verbrenner und die bestehende Infrastruktur der Tankstellen nutzen zu können. Doch so einfach ist es nicht. Die benötigte Strommenge, um Wasserstoff zu erzeugen, ist extrem hoch und wird durch den zweiten Arbeitsschritt, die Verbindung mit Kohlendioxid, noch gesteigert. Zugleich sind die Energieverluste enorm. Von der im Prozess eingesetzten Energie bleiben am Ende noch zehn bis 15 Prozent übrig. Zum Vergleich: Bei elektrisch betriebenen Autos kommen bis zu 80 Prozent Energie auf der Straße an.

Für E-Fuels gibt es sinnvolle Verwendung

“Man könnte den Wirkungsgrad von E-Fuels durch Forschung an ein paar Stellschrauben zwar noch ein wenig optimieren, aber grundsätzlich kommt man nicht gegen die Gesetze der Thermodynamik an”, erklärt Wolf-Peter Schill, Abteilungsleiter für Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Die direkte Nutzung von Strom als Antrieb werde immer effizienter sein als E-Fuels.

Trotzdem werden synthetische Kraftstoffe eine wichtige Rolle in der Mobilität der Zukunft spielen – allerdings nicht unbedingt für Pkw. “Wir wissen schon lange, dass wir große Mengen synthetischer Energieträger brauchen werden, um Teile unserer Wirtschaft zu dekarbonisieren”, sagt Schill. Heißt: Im Flugverkehr, wo eine direkte Elektrifizierung im Gegensatz zu Autos nicht absehbar ist, im Schiffsverkehr, möglicherweise für Lkw braucht es E-Fuels. Zusätzlich benötigt die Industrie Wasserstoff in Reinform für ihre Energieprozesse. “In nicht allzu ferner Zukunft brauchen wir richtig viel Energie, einige Hundert Terawattstunden, um den Bedarf zu decken”, sagt Schill.

So große Mengen Energie, noch dazu aus erneuerbaren Quellen, gibt es hierzulande nicht. Deutschland hat bereits damit zu kämpfen, den Ausbau erneuerbarer Energie so weit voranzutreiben, dass der Grundbedarf gedeckt werden kann. Die meisten E-Fuel-Projekte sind deshalb in Ländern geplant, die viel Sonnen-, Wasser- oder Windenergie erzeugen können, beispielsweise im chilenischen Patagonien. Dort werden in der von der Bundesregierung geförderten Anlage Haru Oni in der Nähe von Puntas Arenas 130.000 Liter E-Benzin sowie 350 Tonnen Methanol pro Jahr erzeugt. Siemens und Porsche haben zusammen 60 Millionen Euro in die Anlage investiert, die im Dezember die Produktion aufgenommen hat. Zum Vergleich: In Deutschland wurden von Januar bis November 2022 knapp 52 Millionen Tonnen Benzin und Diesel sowie neun Millionen Tonnen Kerosin verkauft.

Dass die so hergestellten E-Fuels danach problemlos Tausende Kilometer nach Deutschland transportiert werden können, ist ein Vorteil: Flüssige Kraftstoffe lassen sich quasi ohne Energieverlust verschiffen. Dazu könnte sogar dieselbe Infrastruktur verwendet werden, die jetzt Rohöl transportiert. “Die Transportierbarkeit ist ein Traum”, sagt Christian von Olshausen, CTO beim Dresdener Elektrolyse-Unternehmen Sunfire, das am Konsortium Norsk e-Fuel beteiligt ist.

In Norwegen entsteht derzeit eine riesige Produktionsanlage im Auftrag des Konsortiums, die zunächst zehn Millionen Liter E-Fuel im Jahr herstellen soll, in Zukunft sogar 100 Millionen Liter. Die Elektrolyseanlage dafür kommt von Sunfire, zudem ist das Unternehmen Climeworks beteiligt, das eine Technik entwickelt hat, um Kohlendioxid aus der Luft zu ziehen.

Nach diesem Prinzip arbeitet auch die bisher größte E-Fuel-Anlage in Deutschland. Betrieben wird diese von Atmosfair, einem gemeinnützigen Anbieter von CO₂-Kompensation, sie produziert etwa 370.000 Liter E-Kerosin im Jahr. Hauptabnehmer des im Emsland hergestellten Fair Fuel ist die Lufthansa.

Die meisten Hersteller von E-Fuels konzentrieren sich auf den Luftverkehr, auch in Norwegen soll vor allem E-Kerosin hergestellt werden. “Im Flugverkehr wird man zukünftig auf E-Fuels angewiesen sein, aber man kann sie technisch gesehen genauso gut in Schiffen und Pkw einsetzen”, sagt von Olshausen. “Damit lässt sich ein Verbrenner, was Treibhausgase angeht, so sauber betreiben wie ein Batteriefahrzeug oder ein Wasserstoffauto.”

Letztlich sei es eine politische Entscheidung, ob die Möglichkeit geschaffen werde, Verbrenner in Zukunft mit grünen Kraftstoffen zu betanken. Davon hängt auch ab, wie schnell so gigantische Anlagen wie die in Norwegen gebaut werden. Technisch sieht von Olshausen kein Problem darin, in den kommenden Jahren ausreichend viele und ausreichend große Anlagen zu bauen, um den Bedarf zu decken. Diese würden dann in Ländern stehen, wo Strom besser verfügbar ist als in Deutschland.

Energieexperte Schill bezweifelt, dass diese Rechnung aufgeht: “Es ist gar nicht so einfach, in entlegenen Gegenden wie Patagonien innerhalb kurzer Zeit einen riesigen Wind- oder Solarpark mitsamt Synthese-Infrastruktur und Exporthafen aufzubauen.” Trotzdem müsse genau das geschehen, weil die Kraftstoffe benötigt werden, um große Teile der Industrie zu dekarbonisieren. Für Schill ist das an sich bereits eine große Herausforderung – Pkw seien dabei noch gar nicht mitbedacht. “Die Idee, einfach noch ein bisschen mehr zu produzieren und massenweise grünen Sprit herzustellen, ist aus meiner Sicht ein Märchen, Wunschdenken.”

Günstige Herstellung im Ausland?

Wie recht er damit haben könnte, zeigt auch das Beispiel Haru Oni: Zur Eröffnung Anfang des Jahres stand dort gerade mal ein Windrad mit 3,4 Megawatt Spitzenleistung. Eigentlich sollte zeitnah ein 325-Megawatt-Windpark gebaut werden, allerdings haben die Betreiber den Antrag im Herbst zurückgezogen, wegen staatlicher Auflagen.

Von der Menge an grünem Strom hängt aber nicht nur ab, wie viel E-Fuel hergestellt werden kann, sondern auch zu welchem Preis. Nur wenn die eingesetzte Energie möglichst günstig ist, kann auch der Preis mithalten. Das wird in Deutschland schwierig.

Aber Philipp Engelkamp vom Start-up Ineratec ist davon überzeugt, dass mit in Deutschland entwickelter Technologie im Ausland so günstig E-Fuels hergestellt werden können, dass diese trotz Import- und Transportkosten zu Preisen an Tankstellen angeboten werden könnten, die vergleichbar sind mit herkömmlichen Kraftstoffen. Ineratec, eine Ausgründung vom Karlsruhe Institute of Technology (KIT), erforscht und verbessert seit Jahren die Herstellung von E-Fuels und baut derzeit eine Produktionsanlage in der Nähe von Frankfurt, in der ab Ende des Jahres bis zu 3,5 Millionen Liter grüner Kraftstoff hergestellt werden sollen – ein Pilotprojekt für den Markthochlauf in anderen Ländern, der in zwei bis drei Jahren starten soll. Ähnliche Preisschätzungen sind von Sunfire-CTO von Olshausen zu hören: “Ein Preis zwischen zwei und vier Euro pro Liter lässt sich auf jeden Fall realisieren, langfristig auch weniger”, sagt er.

Preis “nicht attraktiv für die meisten Autofahrer”

Das ist ein sehr optimistisches Szenario. Aktuell liegt der Preis für einen Liter E-Fuel bei etwa acht Euro in der Herstellung, mit Steuern könnte E-Benzin oder E-Diesel für zehn oder elf Euro verkauft werden, schätzt Ralf Petri, Leiter des Geschäftsbereichs Mobility beim Verband der Elektrotechnik. Selbst wenn der Preis für E-Fuels in der Herstellung auf zwei Euro sinke, müsse der E-Sprit nach Steuern für drei oder vier Euro verkauft werden. “Das ist nicht attraktiv für die meisten Autofahrer”, sagt Petri.

Das muss es seiner Meinung aber gar nicht sein. Denn aller politischen Entscheidungen zum Trotz sieht der VDE für E-Fuels in Zukunft vor allem ein Szenario: Sie werden benötigt, damit nach 2035 die Autos weiterfahren können, die dann noch im Bestand sind. “Neuwagen werden ausschließlich batterieelektrisch sein, das ist alternativlos”, sagt Petri. “Aber es wird immer noch viele Millionen Verbrenner geben, die werden nicht einfach so vom Markt verschwinden.” Für diese Autos müsse man eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Nutzung finden – das sind nach Ansicht des VDE synthetische Kraftstoffe, auch wenn diese vermutlich teurer sein werden, als die Menschen das bisher gewohnt sind.

Da die meisten Pkw im Jahr 2035 aller Voraussicht nach aber ohnehin elektrisch und damit sehr viel günstiger und dank weiterentwickelter Batterietechnik auch komfortabel auf längeren Strecken betrieben werden können, bleibt der Markt für E-Fuels vermutlich ohnehin ein Nischenmarkt – für die Ausfahrt mit dem alten Cabrio am Wochenende beispielsweise. Dank E-Fuels dann mit gutem Gewissen.

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