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Trillerpfeifen und Sensenmann - Volkswagen steuert auf harten Tarifkonflikt zu

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ARCHIV: Das Volkswagen-Logo leuchtet an einer Fertigungsstraße für den Golf VIII und den Tiguan in der VW-Zentrale in Wolfsburg, Deutschland, 23. Mai 2024. REUTERS/Fabian Bimmer

Hannover (Reuters) – Im Tarifkonflikt mit Europas größtem Autobauer Volkswagen haben die Arbeitnehmer Widerstand gegen die Sparpläne des Managements angekündigt.

Die IG Metall forderte vor Beginn der Gespräche eine Beschäftigungssicherung über das Jahr 2030 hinaus und drohte mit Streiks ab Dezember. IG-Metall-Chefunterhändler Thorsten Gröger sagte am Mittwoch vor mehr als 3000 Volkswagen-Beschäftigten in Hannover, falls nötig, stünden ab dem 1. Dezember zehntausende VW-Mitarbeiter vor den Werkstoren und auf der Straße. “Der Winter kommt – und wir werden dann, wenn nötig, dem Vorstand richtig einheizen!” Der Konflikt mit VW habe erst begonnen.

Betriebsratschefin Daniela Cavallo sprach von historischen Tabubrüchen des Vorstands. “Ebenso historisch wird unsere Reaktion als Arbeitnehmerseite sein.” Immer wieder untermalten die VW-Mitarbeiter auf dem Hof vor dem Tagungszentrum im Schloss Herrenhausen ihre Rede mit Pfeifkonzerten und Buh-Rufen. Die Demonstranten waren aus zahlreichen VW-Werken angereist, hielten Plakate in die Luft, Bengalofeuer wurden angezündet, Rauch lag über dem Hof. Einer hatte sich als Sensenmann verkleidet.

IG METALL VERTEIDIGT LOHNFORDERUNG

Die Gewerkschaft und das Unternehmen verhandeln zum einen über den Gehaltstarifvertrag, zum anderen über eine Reihe von Vereinbarungen unter anderem zur Beschäftigungssicherung, die das Unternehmen gekündigt hatte. Die IG Metall fordert unter anderem sieben Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten. Diese Forderung stehe, sagte Gröger. Die Inflation sei zwar gesunken, das heiße aber nicht, dass die Preise niedrig seien. “Außerdem brauchen wir endlich einen Impuls für die Konjunktur.”

Die Gewerkschaft und Cavallo kritisierten VW scharf dafür, dass die Tarifverträge aufgekündigt wurden, ohne vorher zu verhandeln. In den vergangenen Jahrzehnten hätten die Arbeitnehmer gemeinsam mit dem Management Lösungen für Krisen gefunden, sagte Cavallo. Die Belegschaft und der Betriebsrat verschlössen sich nicht, Lösungen für die derzeitige Situation zu finden. “Insofern sind wir tief enttäuscht, dass dieser Tabubruch jetzt begangen wurde, dass nach 30 Jahren Beschäftigungssicherung diese Partnerschaft auf Augenhöhe auch in schwierigen Zeiten aufgelöst wurde.”

Sie erinnerte an die starke Stellung der Gewerkschaft bei Volkswagen, die bis in die Anfänge des Unternehmens zurückreiche. Das Werk in Wolfsburg sei mit dem Geld aufgebaut worden, das die Nazis den Gewerkschaften geraubt hätten – und nach dem Krieg hätten die Briten dafür gesorgt, dass die Gewerkschaften einen großen Einfluss bei VW hätten. Bei VW seien Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung gleichrangige Ziele. “Es ist die Wurzel, es ist der Kern, es ist die DNA, es ist die Identität von Volkswagen!” So habe der Betriebsrat das Sparprogramm im vergangenen Jahr mitgetragen.

Volkswagen hatte den verschärften Sparkurs damit begründet, dass der Autoabsatz in Europa deutlich gesunken ist und um zwei Millionen Autos unter dem Vor-Corona-Niveau liegt. Finanzchef Arno Antlitz sprach von 500.000 Fahrzeugen, die allein VW deswegen fehlten. Dazu kommt die Schwäche in China. VW-Chefunterhändler Arne Meiswinkel bezeichnete die Lage bei dem größten europäischen Autobauer als ernst. “Der internationale Wettbewerb droht an uns vorbeizuziehen”, sagte er. “Deswegen ist jetzt Handeln angesagt. Wir müssen gemeinsam unser Unternehmen restrukturieren.” In der ersten Verhandlungsrunde gehe es darum, sich ein gemeinsames Bild über die Ausgangslage zu verschaffen, sagte Meiswinkel.

NIEDERSACHSEN WILL MEHR FÖRDERUNG VON E-AUTOS

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil kritisierte Volkswagen für die Drohung mit Stellenabbau und Werksschließungen. “Ich hätte eine solche Kommunikation nicht gebraucht!”, sagte er. Das Unternehmen stecke in einer schwierigen Lage und müsse nun alle Möglichkeiten prüfen, um die Kosten zu verringern. “Eine Schließung von Standorten sehen wir allerdings sehr kritisch”, fügte er für die Landesregierung hinzu. Das Land Niedersachsen ist Anteilseigner bei VW. “Industrielle Strukturen, die einmal aufgegeben werden, sind für immer verloren, dessen müssen sich alle Beteiligten bewusst sein”, warnte der Ministerpräsident. Deswegen gebe es die klare Erwartung, die gemeinsamen Ziele “durch andere, intelligentere Optionen” zu erreichen. Er hoffe, dass bis Ende November Klarheit bestehe.

Zugleich forderte er die Bundesregierung auf, Elektroautos stärker zu fördern. Mit Verweis auf den Einbruch bei der Nachfrage und der gestrichenen E-Autoförderung durch die Ampel sagte Weil am Mittwoch im niedersächsischen Landtag: “Alle diese Erwägungen sprechen sehr dafür, dass die Bundesregierung und der Bundestag neue Initiativen für eine Verkaufsförderung bei Elektroautos ergreifen.” Der Schritt der Bundesregierung, für Dienstwagen befristet Sonderabschreibungen einzuführen, reiche nicht aus, sagte Weil. “Was auch immer am Ende herauskommen mag, eines ist klar: Es gibt ein großes gesamtwirtschaftliches und gesamtgesellschaftliches Interesse daran, den Absatz von Elektroautos wieder anzukurbeln.”

(Bericht von Christina Amann, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter [email protected] (für Politik und Konjunktur) oder [email protected] (für Unternehmen und Märkte)

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