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Volvo C40/XC40 Recharge: Auferstehung des Heckantriebs

Als wilde Gesellen werden Wikinger gerne beschrieben. Nichts fürchtend, außer dereinst das Tor nach Walhall versperrt zu finden. Diese Kühnheit scheint den Nordmännern über Generationen geblieben. So wollen sie bei Volvo trotz schwieriger Rahmenbedingungen weiterhin stark wachsen und weltweit schon bald 1,2 Millionen Autos im Jahr verkaufen. Auch und gerade mit Strom. Mitte des Jahrzehnts soll die Hälfte des Absatzes auf reine E-Autos entfallen, den Rest stellen Hybride. Ab 2030 will der schwedische Premium-Hersteller dann nur noch reine Elektroautos verkaufen. Auch in Produktion, Logistik und in der gesamten Lieferkette will Volvo den CO₂-Ausstoß verringern und 2040 ein vollkommen klimaneutrales Unternehmen sein.

Wichtiger Schritt im Hinblick auf Wachstum ist die Auffrischung der elektrischen Wikinger-Schiffchen C40 und XC40. Immerhin treten die Nordmänner im Premium-Segment an und müssen Marktanteile vorrangig jenen deutschen Autos abjagen, die im Wappen Stern, Ringe oder Weiß-Blau tragen. Und so haben sie unter dem Blech gleich mal die komplette Technik auf links gedreht. Genauer gesagt auf hinten. Denn die Kraft wechselt bei den Versionen mit Single-Motor ab sofort ins Heck. Ein Vierteljahrhundert und länger ist es her, dass dieses Konzept bei Volvo für Vortrieb sorgte – zuletzt 1998 in der großen Nordmann-Wanne der Baureihe 940.

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Die Rückkehr ist eine kluge Entscheidung, weil die Kraft deutlich besser auf die Straße kommt. Kein nervöses Kratzen der Vorderräder, kein Gezerre am Lenkrad – und die frühere Übereifrigkeit der Hinterachse ist dank elektronischer Assistenz ohnehin kein Thema mehr. Eine Entwicklung, die ambitionierte Fahrer nicht rückhaltlos begrüßen. Zu deren Trost: Das druckvolle Heck steht beiden Modellen gut und sorgt dank 2,70 Metern Radstand gerade in engen Kurven für jene Art von Agilität, die sich im Allrad-Modell nur schwer pflegen lässt.

Das Fahrwerk zeigt sich bei beiden Modellen eher kommod. Was kein Schaden ist, weil es sportlich straffe Konkurrenten zuhauf gibt. Obendrein bleiben so Reserven, falls es – wider Erwarten – doch mal in tieferes Gelände geht. Die Lenkung indes dürfte ein wenig feinfühliger reagieren.

Das 175 kW (238 PS) starke Einstiegsmodell des XC40 kommt in Verbindung mit der 69-kWh-Batterie bis zu 478 Kilometer (WLTP) weit, der etwas schnittigere C40 schafft neun Kilometer mehr. Für Freunde der längeren Ausfahrt ist eine „Extended Range“-Version mit 185 kW (252 PS) und 82-kWh-Akku im Angebot. Damit sind jeweils gut 100 Kilometer mehr Radius drin. Kollateralnutzen des großen Stromspeichers mit verbesserter Kühlung: Er erlaubt 200 statt 150 kW Durchfluss. Am Schnelllader vergeht so von zehn auf 80 Prozent nicht mal eine halbe Stunde, mit dem kleinen Akku steht man sechs Minuten länger. Fürs dreiphasige Laden mit Wechselstrom gehören ein 11-kW-Bordlader sowie ein Mode-3-Kabel zur Serienausstattung.

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Auch die Allradvariante gibt sich mit 110 kW (150 PS) vorne und 190 kW (258 PS) hinten nun deutlich heckbetonter. Weil die Vorderachse nur bei Bedarf bestromt wird, sitzt hier – anders als im Heck – ein Asynchron-Motor ohne Dauermagneten. Der XC40 kommt damit offiziell auf 541 Kilometer, der C40 sogar bis zu 550 Kilometer. Beide haben den großen Akku serienmäßig. Wer’s darauf anlegt: Die dritte Stelle im Tacho ist nach 4,7 Sekunden erreicht, mit Heckantrieb vergehen 7,3 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit wird wie bei allen neuen Volvo Modellen bei Tempo 180 abgeregelt, die Motoren arbeiten dann mit der Höchstdrehzahl von 13.900 Umdrehungen pro Minute.

Erwärmen soll der Wagen mit einem Mix aus nordischer Kühle und Understatement. Das beginnt bei den Scheinwerfern Marke „Thors Hammer“ und endet beim Hochformat-Touchscreen über dem fast schalterlosen Cockpit. Der schwedische Weg war eben schon immer etwas Besonderes. Vor allem in Sachen Sicherheit: Droht die Abdrift Richtung Gegenspur, greifen C40 und XC40 selbst ins Lenkrad. Und wenn’s per Bremse zum Vordermann nicht mehr reicht, weichen sie aus. Der optionale „Pilot Assist“ fährt – zeitlich begrenzt – bis Tempo 130 selbstständig, und aus der Cloud gibt’s Warnungen vor allerlei Ungemach.

Auch an Kleinigkeiten haben die Schweden gedacht. In der Mittelkonsole hat ein Müllbehälter seinen Platz, das Handschuhfach nimmt ein Täschchen an den Haken, der Frachtraum-Deckel versteckt sich im Untergrund – und in der Tür gibt es Ablagen, die den Namen verdienen. Dass dafür die Bassbox ins Armaturenbrett wandern musste – gut so. Kann man beim Aussteigen schon keine Gitter demolieren.

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Geblieben sind die gut konturierten Sitze, erstmals aber ist Leder bei Volvo keine Option mehr. Stattdessen Kreislaufwirtschaft, wo es geht. Die Teppiche stammen zu 100 Prozent aus Fasern recycelter PET-Flaschen, auch der Dachhimmel und das Armaturenbrett bestehen zu einem großen Teil aus wiederverwendetem Material.

Ansonsten geben sich Volvos Kompakte fast so nobel wie die großen Brüder. Vor allem das geduckte Heck beim C40 und die breite C-Säule beim XC40 sind Blickfänge. Leider in des Wortes doppelter Bedeutung. In der Rückschau wird die Welt nämlich eng – und die Kamera zur guten Idee. An Platz herrscht in den 4,44 Meter langen Modellen hingegen kein Mangel. Vorne sitzt man überaus bequem – und auch hinten, sofern man sich durch die etwas engen Luken gefädelt hat. Ein bisschen Demut verlangt das schnittige Design halt doch.

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Wer lieber Last bewegt als Leute: Das Gepäckfach im C40 fasst 413 bis 1205 Liter, der XC40 packt 452 bis 1328 Liter weg. Beiden gemeinsam ist ein zusätzliches Fach unter der Fronthaube mit 31 Litern, das sich prima für das Ladekabel eignet. Sollte all der Platz nicht reichen – bis zu 1,8 Tonnen dürfen bei den Allrad-Versionen an den Haken, der sich halbelektrisch aus dem hinteren Stoßfänger schwenkt, den Hecktrieblern sind 1,5 Tonnen erlaubt.

Das Ganze ist – wie üblich bei Volvo – nicht unbedingt ein Schnäppchen: 47.500 Euro rufen die Schweden für die Basisversion beider Modelle auf. Mit großem Akku kommt der XC40 auf 53.000 Euro und als Allradler auf mindestens 59.950 Euro, der C40 liegt jeweils noch mal 1450 Euro drüber.

Apropos Geld: Aktuell tüftelt Volvo an einer Aufbereitung von Batterien für ein zweites Autoleben – etwa als preisgünstiger Ersatz bei gebrauchten E-Autos. Erst danach soll ein dritter Einsatz in stationären Speichern folgen und ganz zum Schluss ein möglichst vollständiges Recycling. Spätestens 2040 nämlich wollen die Schweden auch die Kreislaufwirtschaft verwirklicht haben. Das dürfte nicht bloß denen gefallen, die schon immer Volvo gefahren haben.

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