Volvo

Volvo EX30 Single Motor Extended Range Ultra im Test!

Der Volvo EX30 Single Motor Extended Range Ultra zeigt im Test, wie Verzicht geht. Ein paar Verbesserungswünsche habe ich dennoch.

Volvo EX30: Alles kann, nichts muss

Bei meinem Erstkontakt mit dem kompakten Volvo EX30 warf ich vergangenen Herbst die Frage in den Raum, ob bei diesem Ableger aus der chinesischen Geely-Familie der Sparstift zu deutlich angesetzt wurde. Der von recycelten Materialien dominierte Innenraum des Exil-Schweden zeigt sich beinahe schon von einer klinisch sterilen Seite. Mit multiplen Displays und Tasten hats der 4,23 Meter kurze Kompaktwagen nicht so. Hier wird in Tesla-Manier auf Fahrerinformationsdisplay und jegliche Hardware-Tasten, mit Ausnahme derer am Lenkrad und für die Fensterheber, verzichtet. Die Einsparung der Fensterheber kennen wir so schon aus den ID.-Modellen von VW. Volvo treibt die Sparmaßnahme allerdings auf die Spitze, in dem sie die beiden verbleibenden Schalter einfach zwischen Fahrer und Beifahrer legen. Ja selbst der Autoschlüssel kommt ohne einen einzigen Taster aus. Und statt mindestens zweier Lautsprecher in den Türen, gibt’s eine Soundbar von harman/kardon® auf dem Armaturenbrett unter der Windschutzscheibe.

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Photo © Raphael Gürth/autofilou.at

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Volvo verkauft uns das unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit, was grundsätzlich stimmt. Es spart aber vor allem auch Kosten. Nur so lassen sich auf der Homepage 180,32 Euro monatliche Leasingrate respektive 34.550 Euro (Anm. 2.400 € Importeursanteil des E-Mobilitätsbonus bereits abgezogen) abbilden. Mein Test-EX30 ist davon weit entfernt, aber dazu später mehr. Zurück zum Sparstift: Nach zehn Tagen mit dem Volvo EX30 Single Motor Extended Range Ultra kann ich jedenfalls sagen, dass mir zu keiner Zeit etwas fehlte. An die in der Mitte liegenden Fensterheber hatte ich mich schnell gewöhnt und die beiden hinteren Seitenscheiben muss ich von vorne selten runterlassen, weshalb der Umschalter schon in Ordnung geht. Die Annäherungsfunktion des Schlüssels ohne Tasten hat bei mir immer anstandslos funktioniert und über den Klang der Soundbar kann ich nichts Negatives berichten.

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Photos © Raphael Gürth/autofilou.at

12,3 Zoll Touchscreen im Mittelpunkt

Das Herzstück des Innenraums, der senkrecht stehende Touchscreen samt schnellem Android Automotive-Betriebssystem, spielt fast alle Stücke. Es gibt diverse Apps (YouTube, Spotify, SoundCloud, ORF TVthek, uvm.), die das Leben versüßen. Nur leider ist der Aufbau zu verschachtelt. Viele, teils wichtige, Funktionen verstecken sich in Unter- bzw. Aufklappmenüs. Zwei Beispiele dafür: die Temperatur-Regelung der Klimaautomatik und der Trip-Zähler. Der Monitor selbst wäre mit 12,3 Zoll Diagonale doch groß genug, Volvo…

Dass ich durch die Bedienung des Touchscreens den Aufmerksamkeitsassistenten mehrmals auslöste, zeigt mir, dass hier etwas in die falsche Richtung läuft. Und weil die Verkehrszeichenerkennung leider nicht besser ist als anderswo, war die erste Aktion nach dem Einsteigen stets das Deaktivieren des von der EU-vorgeschriebenen Tempoüberschreitungswarners. Das geht, danke Volvo, zügig mit zwei Klicks. All diese „Probleme“ sind nur halb so schlimm, sofern sie Volvo mit einem kommenden Software-Update ausmerzt.

Die Routenführung inklusive Ladestationsplanung ist – Google-typisch – über jeden Zweifel erhaben. Es gibt Filter für Ladestationsgeschwindigkeiten und -anbieter, aber leider nicht für die gewünschte Restkapazität mit der man am Zwischen- sowie dem Endziel ankommen möchte.

Reichweite & Ladeleistung des Volvo EX30 Single Motor Extended Range Ultra

Effizienz- und somit Reichweitenkönig wird der Volvo EX30 mit den aufgezogenen Michelin Pilot Alpin 5 im Format 245/40R20 und deren Kraftstoffeffizienzklasse C keinesfalls. Selbst bei milden 12–20 °C war es mir innerstädtisch nicht möglich unter 20 kWh/100 km zu kommen. Der gemittelte Wert all meiner Stadtfahrten bis 50 km/h lag gar bei 22,8 kWh/100 km – bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 29,4 km/h. Der Wert aller Fahrten von 50–90 km/h bei 24,6 kWh/100 km und der Autobahnverbrauch bei gemittelten 28,8 kWh/100 km – bei 13 °C und Windgeschwindigkeiten von 8 m/s sowie flotten 124,4 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. All diese Daten, also sämtliche Fahrten, lassen sich ganz einfach aus der Volvo EX30-Smartphone-App im xlsx-, csv- und html-Format exportieren. Sehr praktisch.

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Daraus resultieren, bei einer Netto-Batteriekapazität von 64 kWh (69 kWh brutto), Reichweiten von 280 urbanen Kilometern respektive 220 km bei Autobahntempo (von 100–10 %). Wer auf der Langstrecke zwischen zwei Säulen unterwegs ist – mit Bedacht auf die Ladekurve idealerweise zwischen 81 und 9 Prozent – dem bleiben dann noch knapp 160 Kilometer Autobahn-Reichweite über.

Ein Glück, dass sich der Volvo EX30 dann beim Nachladen mit Gleichstrom (max. 153 kW) nicht lumpen lässt. Lädt im Test in flotten 28 Minuten von 10 auf 80 Prozent (angegeben werden 26 min.) oder in anderen Worten rund 150 Autobahn-Kilometer nach. Tatsächlich lohnt sich das „Leerfahren“ des EX30 auf der Langstrecke nicht, da die maximale Ladeleistung erst ab neun Prozent freigegeben wird.

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Ladeleistung über Ladezeit

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Ladeleistung über SoC

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Ladeleistung-Vergleich

Images © Raphael Gürth/autofilou.at

Und auch beim Laden mit Wechselstrom gibt sich der Elektro-Schwede keine Blöße. Die Topversion Volvo EX30 Single Motor Extended Range Ultra lädt an der entsprechenden Wallbox dank 22-kW-Onboard-Lader in flinken 3,5 Stunden von null auf 100 Prozent nach. Die Basisausstattung Core als auch die mittlere Variante Plus, rollen mit einem 11-kW-On-Board-Charger vor. Damit wäre eine leere Batterie an der heimischen Drei-Phasen-Wallbox in etwa sieben Stunden wieder voll. Verzichten müssen die Nicht-Ultra-Varianten auch auf eine Wärmepumpe. Die sollte vor allem im Winter für eine effizientere Energienutzung und somit einen geringeren Verbrauch sowie höhere Praxisreichweiten sorgen. Das stimmt mich noch mehr nachdenklich, wenn ich nochmal meinen Testverbrauch in den Hinterkopf rufe…

Kleinere Batterie 5.820 Euro günstiger

Apropos Verzichten: Es gäbe neben der Extended Range-Version mit der 69 kWh-Batterie auch eine Variante mit 51 kWh (49 kWh netto). Wer die 132 km mehr WLTP-Reichweite (476 zu 344 km) nicht benötigt, der könnte hier satte 5.820 Euro sparen. Im Sinne des Wiederverkaufs beziehungsweise zuvor noch der Batteriedegradation und somit der verbleibenden Praxisreichweite (Bsp.: nach 3, 4, 5 Jahren im Winter mit Skibox am Dach) empfehle ich zumeist und so auch hier schon die größere Batterie. Schließlich soll eine teure Anschaffung, wie sie ein Auto generell darstellt, das Gros des jährlichen Bedarfs auch noch in ein paar Jahren abdecken, auch wenn das den meisten Leasing- oder Abo-Kunden wohl völlig egal ist.

So fährt sich der Volvo EX30 Single Motor Extended Range Ultra

Abgesehen vom bis 30 km/h aktiven Fußgänger-Warngeräusch, das innen wie ein Kratzen oder Schleifen klingt und meinen Premium-Anspruch an ein Volvo-Modell verfehlt, ist der EX30 herausragend leise. Das via Untermenü anwählbare One-Pedal-Driving hervorragend, wenngleich der Moment des Anlegens der echten Bremsbeläge vor allem beim beherzten Tritt aufs Bremspedal durch einen Ruck spürbar ist. Davon bekommen die meisten EX30-Fahrer im Alltag vermutlich nie etwas mit, weil sie im Falle einer abrupten Bremsung sicherlich nicht auf das Gefühl am Bremspedal achten. Volvo, ich bitte um Schaltpaddels für eine variable Rekuperation am Lenkrad und mehr Gefühl in der Lenkung. Die Beschleunigung ist, mit 5,3 s/0–100 km/h, auf Sportwagenniveau. Das Fahrverhalten trotz der bereits erwähnten 20-Zöller – die sind auch bei Topmodell ein aufpreispflichtiges Extra (+725 €) – hingegen komfortabel ausgelegt. Voll beladen zeigt sich das Fahrwerk des EX30 eher als ruppig. Kurze Schläge dringen dann deutlicher ins Rückenmark der Passagiere. Unter- und Übersteuern – der kleine Volvo ist als Single Motor-Variante Hecktriebler – unterbindet das schnell eingreifende ESP beherzt. Wahrscheinlich auch besser so. Abgesehen davon dürfte die Sitzauflagefläche gerne etwas länger oder gar ausziehbar sein, wobei das wohl nur Fahrer größer 1-Meter-80 stört. Mit dem digitalen Blinkerhebel kann ich mich auch nicht anfreunden. Hier fehlt es an definiertem Einrastpunkten. BMW ist davon bereits vor Jahren wieder abgekommen, von Volvo wünsche ich mir das auch. Das Platzangebot ist überschaubar – sowohl in Reihe zwei als auch im mit 318 Liter (nach VDA) sehr knapp bemessenen Kofferraumvolumen. Immerhin gibt es einen Frunk, der mit sieben Litern Nassvolumen zumindest ein Ladekabel beherbergen kann.

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EX30: Ausgewachsene Preise

Nun gibt es da noch so einen Elefanten im Raum. Keinen kleinen, wenn ihr mich fragt. Denn 34.550 Euro anpreisen ist das Eine, mein 51.230 Euro teurer Testwagen (EX30 Single Motor Extended Range Ultra: 48.350 €) das Andere. Und hier ist noch nicht mal Schluss, gibt es den EX30 als Twin Motor Performance auch mit Allradantrieb. Versteht mich nicht falsch, aber mehr als 50.000 Euro für ein 4,23 Meter kurzes Auto aus China auf den Tisch legen, wenn ich für dasselbe Geld ein 4,75 Meter langes Tesla Model Y Maximale Reichweite aus Berlin haben kann? Oder einen ähnlich langen (4,20 m) Renault Megane E-Tech aus Nordfrankreich in der Top-Ausstattung schon für 45.250 Euro. Und die Liste an in Europa gefertigten, günstigeren Autos ist noch länger. Der E-Auto-Qualität des EX30 tut dies keinen Abbruch. Doch spätestens, wenn er ab Anfang 2025 im belgischen Gent gebaut wird, müssen die Preise meiner Meinung nach deutlich nach unten. Schließlich sollte der Endkunde vom eingangs erwähnten Sparstift auch etwas abbekommen, damit er sich nicht betrogen fühlt, oder?

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Der Kaufpreis im Verhältnis zur Reichweite | Picture © autofilou.at

Und ja, Pressefahrzeuge sind zumeist vollausgestattet, damit die Importeure eindrucksvoll zeigen, was ihre Autos alles bieten. Beim EX30 würde ich persönlich jedenfalls auf Ultra verzichten und zum Plus greifen. Plus ist, in Kombination mit der großen Batterie (69 kWh für 476 WLTP-km) und Heckantrieb, ab 45.710 Euro erhältlich und meiner Meinung nach wird sie der Publikumsliebling. Dafür muss man zwar auf die 19-Zöller, das Panoramaglasdach, den Rückfahrwarner, das 360-Grad-Kamerasystem, den Einpark-Assistenten, die Wärmepumpe, den 22 kW On-Board-Charger und die elektrisch verstellbaren Sitze des Ultra-EX30 verzichten, aber damit käme ich damit gut zurecht. Und 40.310 Euro nach Abzug der aktuell möglichen Förderung ist für einen EX30 Single Motor Extended Range Plus in Ordnung.

Fazit

Im Volvo EX30 steckt Potential. Meinerseits gewünschte Software-Updates und Preis-Nachbesserungen würden den Kompakt-Stromer gegenüber der zahlreichen Konkurrenz besser positionieren. Am hohen Testverbrauch und den daraus resultierenden mageren Praxisreichweiten gebe ich kurzerhand den aufgezogenen Winterreifen die Schuld. Schließlich zeigte Geely-Konzernbruder smart #1 vergangen Sommer, dass es auch deutlich sparsamer geht.

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