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Volvo EX30: Eiskalter Kurvenmeister

In Frost, Schnee und Eis zeigt der kompakte vollelektrische SUV seine technischen Qualitäten – und nimmt die Angst vor leerer Batterie in kalter Winterzeit

volvo ex30: eiskalter kurvenmeister

Kräftige Statur: Der kompakte SUV ist spurtstark und mit sehr guter Straßenlage unterwegs

Der Sicherheitsgurt strafft sich ruckartig, weil das Steuer herumgerissen wird und das Heck bei der Ausweichbewegung ausbricht. Schließlich möchte man nicht mit dem Elch kollidieren, der bei Tempo 60 mitten auf der eisglatten Piste steht. Also hart bremsen und dem Hindernis ausweichen, mit Druck auf dem Fahrpedal, um das Fahrzeug unter Kontrolle zu behalten. Klappt! Uff – Elchtest bestanden.

Zum Glück war es kein richtiger Elch, sondern nur ein künstliches Hindernis, aufgebaut von den Volvo-Technikern bei der Wintertestfahrt für den neuen vollelektrischen EX30 am schwedischen Polarkreis. Hätte schlimm enden können. Aber der kleinste Volvo zeigt auf der Teststrecke seine großen Stärken auf dem spiegelglatt zugefrorenen See. Denn glücklicherweise kommt es nicht nur auf das individuelle fahrerische Können an, sondern vor allem auf die hervorragende Sicherheitstechnik.

So verhindert das blitzschnell eingreifende elektronische Stabilitätskontrollsystem ESP, dass der Wagen beim Übersteuern nicht unkontrolliert ausbricht – egal, ob es sich um die 428 PS bärenstarke Twin Motor Version mit Allradantrieb an Vorder- und Hinterachse handelt oder um die Single Motor Version mit Heckantrieb und 272 PS Leistung. Was das ESP-System leistet, zeigt sich erst richtig, wenn es ausgeschaltet wird: Statt angenehm handlichem Fahrvergnügen und festem Grip gibt es trotz Spikes-Reifen bei scharfen Kurven reihenweise unkontrollierte Pirouetten auf dem Eisparcours.

Winterkälte und batterieelektrisches Fahren – das geht doch gar nicht, oder? Mancher Nutzer hat noch böse Erinnerungen aus der Anfangszeit der elektrischen Fahrzeuge, als die Reichweite sichtbar gegen Null plumpste, sobald die Heizung oder die Kühlung eingestellt wurde. Und auch aktuell gibt es durchaus noch Modelle, bei denen im Ökomodus brutal die Heizung – und damit der Fahrkomfort – gekappt wird, um es noch ein paar Kilometer weiter zu schaffen und nicht ganz schlecht bei der Reichweite dazustehen. Die Sorge, der Winter sei der E-Autos größter Feind, ist also nicht unberechtigt. Zeig deine Stärken, dachte sich dagegen Volvo, und demonstrierte bei einer Einladung zum Fahrtest im noch kältestarren Lappland, was der neue EX30 in Eis und Schnee draufhat.

Wärmepumpe, Klimaanlage und Standheizung

Wie weit die Batterie-Technik heute ist, zeigt sich an der im EX30 serienmäßig eingebauten Wärmepumpe, Klimaanlage und Standheizung mit Timer-Funktion. Noch vor einigen Jahren waren Klimatisierungen dagegen generell absolute Energiefresser und Reichweiten-Killer. Klar ist aber schon, dass die Reichweite sich bei solch garstigen Witterungsbedingungen mit unter Volllast arbeitender Heizung auf 300 Kilometer verringert, wo die Autos wegen der eingefrorenen Fährschiffe direkt über die Seen und Flüsse fahren. Statt der angegebenen 17 kWh Verbrauch werden beim Fahrtest knapp 23 kWh pro hundert Kilometer erreicht.

Bei normalen Witterungsverhältnissen ermöglichen die Hochvoltbatterien mit 51 oder 69 kWh Leistung bis zu 476 Kilometer Reichweite bei der Extended Range Version. An einer Gleichstrom-Schnellladesäule sind Ladungsstärken bis zu 153 kW möglich – damit kann die Batterie in nur 26 Minuten von 10 auf 80 Prozent gefüllt werden. Insgesamt hat das Elektro-SUV mit 23 Tonnen pro 200.000 Kilometer den kleinsten CO²-Fußabdruck aller bisherigen Volvo-Modelle – 60 Prozent weniger als der kompakte Volvo XC40 mit Verbrennungsmotor.

Zurück in der Kompaktklasse

Mit dem EX30, der bereits seit Januar an die Kunden ausgeliefert wird, kehrt das zum chinesischen Geely-Konzern gehörende schwedische Unternehmen überraschend nach vielen Jahren in die Kompaktklasse zurück. Gebaut wird der 4,23 Meter lange EX30 in China, doch ansonsten gibt es beste schwedische Technik und Design. Die niedrige Motorhaube mit geschlossener Frontpartie, die markanten Radhäuser mit bis zu 20 Zoll großen Räder und die hohe Bodenfreiheit von 165 Millimeter geben dem EX30 ein kraftvolles Aussehen. Dazu kommen die breiten LED-Front- und Rückleuchten und rahmenlose Außenspiegel.

Mit dem frischen Design zielt Volvo auf neue Zielgruppen und rechnet damit, dass bis zu 80 Prozent Neukund*innen sein werden – jüngere Städter, aber auch ältere Paare, deren Kinder aus dem Haus sind. Der Volvo EX30 bietet bezahlbare Elektromobilität mit Premium-Anspruch. Die „auto motor und sport“-Leser*innen vergaben dafür den „Best Cars Award 2024“ und die britische „Sun“ kürte den EX30 zum „Auto des Jahres“.

Ohne Seitenblick geht nichts

Reinsetzen, losfahren – so intuitiv kommt der EX30 daher. Dabei ist vieles erst einmal überraschend. Ein Fahrerinfo-Display gibt es nicht – sämtliche Infos und Einstellungen gibt es auf dem 12,3-Zoll großen Touchdisplay über der Mittelkonsole – bis hin zur Geschwindigkeitsanzeige. Auch Knöpfe sind out. Das Infotainmentsystem auf Android-Basis aber sorgt für eine intuitive und einfache Bedienung; dazu kommen online-basierte Dienste wie Google Maps und Google Assistant und kabelloses Apple CarPlay für einfache iPhone-Einbindung. Updates und Verbesserungen von Funktionen gibt es regelmäßig over the air.

Zunächst gewöhnungsbedürftig, wird etwa der regelmäßige, schnelle Seitenblick zum Display rasch zur normalen Bewegung. Bei der Vorserie – hier ist der frühere Fahrtest nachzulesen – monierte der Autor dieses Textes noch das übergriffige Verhalten des hinterm Lenkrad montierten Aufmerksamkeitssensors, der bei jedem Seitenblick mit Klingelton-Serien reagierte. Dies wurde inzwischen angenehm angepasst. Weniger hakelig als anfänglich ist nun auch die umständliche Einstellung der Außenspiegel, die während des Fahrens kaum möglich war.

Trotzdem sind immer noch mehrere Schritte in der Menüführung und eine Betätigung von Tastfeldern am Lenkrad nötig. Kleiner Trost: Man muss es nur einmal durchmachen, weil die Einstellungen für jeden Nutzer gespeichert werden. Es bleibt die grundsätzliche Problematik, dass ein Herumsuchen im Menü mit seinen verschiedenen Unterstufen während der Fahrt nicht die allerbeste Idee ist, zumal bei schlechten Straßen der Finger auch mal daneben tippen kann.

Außen kompakt, innen geräumig

Außen kompakt und drinnen ein angenehm großzügiges Raumgefühl. Das kleine Lenkrad und die guten Sitze mit festen Wangen passen gut zum reduzierten Design, das trotz recycelbarer Materialien nicht billig wirkt. Nur auf der Rückbank sitzen große Menschen auf längeren Strecken unbequem. Kompaktwagen-gemäß ist das Ladevolumen mit 318 bis 904 Liter. In Sachen serienmäßiger Sicherheit lässt Volvo nichts anbrennen: Das automatisierte Safe Space Notbremssystem mit Fahrzeug-, Fußgänger-, Fahrradfahrer- und Motorradfahrer-Erkennung arbeitet mit Sensoren und Kameras. Dazu kommen ein Notbremsassistent für Kreuzungen, die Run-off Road Mitigation hält das Fahrzeug auf der Fahrbahn, die Oncoming Lane Mitigation mit aktivem Lenkeingriff verhindert Kollisionen mit dem Gegenverkehr und der erstmalig eingesetzte Door Opening Alert verhindert Unfälle beim Öffnen der Türen. Zusätzlich bestellbar sind das weiterentwickelte Fahrer-Assistenzsystem Pilot Assist mit Spurwechselassistent, 360-Grad-Kamera und das selbstständige Einparksystem Park Assist Pilot.

Spurtstark und wendig

In der Regel ist man bestens bedient mit der Basisversion mit einem Motor, der an der Hinterachse antreibt. Immerhin werden die 200 kW/ 272 PS auch schon mit 343 Newtonmeter auf die Straße gebracht – in sehr guter Straßenlage. Auch die schwächere Antriebsvariante schafft es enorm spurtstark in 5,3 Sekunden auf Tempo 100. Der EX30 mit für einen vollelektrischen Wagen durchaus leichten 1850 Kilo Gewicht liegt satt auf der Straße; auch ungehörige Beschleunigungsversuche in Kurven bringen die Hinterräder nicht zum Ausbrechen. Am Steuer zeigt sich der EX30 bei jeder Straßenlage immer feinfühlig und leicht beherrschbar. Nur bei schneller Fahrt fühlt sich die Lenkung etwas indirekt an; da passt von den drei Einstellmöglichkeiten der Modus „strong“ am besten. Das mögliche Ein-Pedal-Fahren steigert den Fahrkomfort, vor allem im Stadtverkehr, und maximiert zugleich die Energierückgewinnung.

Für ruppiges Gelände ist die „Performance-Version“ geeigneter. Wer regelmäßig off-road oder in schneereichen Regionen unterwegs ist, dem helfen Allradantrieb mit zwei Motoren an Vorder- und Hinterachse. Gesamtleistung: 315 kW / 428 PS und elchstarke 543 Nm Drehmoment.

Der EX30, den es im fünf Farbtönen und drei Ausstattungslinien Core, Plus Ultra gibt, beginnt bei einem Grundpreis von 36.590 Euro. Die Single Motor Extended-Range-Version mit 476 Kilometer Reichweite kostet 41.790 Euro, für die Twin Motor Performance AWD werden mindestens 48.490 Euro fällig.

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