Jaguar

Test: Jaguar F-TYPE, Einmal noch groß aufspielen

Eine britische Ikone auf Abschiedstournee: Während sich die Fans noch letzte Dauerfahrkarten sichern, halten die staatlichen Archive den Sound des V8 schon für die Nachwelt fest. Der Jaguar F-TYPE wird als wunderschöner Sportwagen in Erinnerung bleiben. Zum optischen Vergnügen kommen eine leistungsorientierte Einstellung und herzhafte Fahrweise, deren Unterhaltungswert zeitlos ist. Wie sich die Jubiläums-Edition unterscheidet, warum der Testwagen die spannendste Variante ist und welche Eindrücke von der Abschiedsfahrt in Erinnerung bleiben, verrät der Test des F-TYPE Coupé mit Achtzylindermotor und Heckantrieb (P450 RWD) als 75 Edition.

Geburtstagsfest oder Abschiedsparty?
Zum einen blickt Jaguar auf eine 75 Jahre lange Tradition als Sportwagenhersteller zurück. Der XK120 debütierte im Jahr 1948 auf der London Motor Show. Mit den weiteren XK-Generationen und dem E-TYPE folgten zahlreiche legendäre Autos. Danach sind die Briten lange die Komfortschiene im Stil des Mercedes SL gefahren, bevor sich der F-TYPE ab 2013 wieder eindeutig als Leistungssportler positioniert und zum Porsche-Gegner aufgeschwungen hat. Neben dem Geburtstag, den Jaguar mit der „75 Edition“ feiert, steht für den F-TYPE aber auch die Abschiedstournee an: Im Zuge einer grundlegenden Neupositionierung von Jaguar geht auch seine Ära zu Ende, die Briten stellen bis zum Ende der Dekade alle aktuellen Modelle ein – und auf drei neue Baureihen mit High-End-Luxus und Elektroantrieb um. Bentley wird einem als Referenz dann wohl eher in den Sinn kommen als BMW. Sport bleibt weiter wichtig, aber zunächst in Form eines viertürigen GT, der 2025 startet.
Mitte 2024 wird Jaguar die F-TYPE-Produktion beenden, sehr lange ist der Konfigurator also nicht mehr offen. Während sich die letzten Fans noch Dauerfahrkarten sichern, sind andernorts schon die staatlichen Archivare am Werk: Offizielle Tonaufnahmen wurden gemacht, um den V8-Sound des F-TYPE in der British Library, der Nationalbibliothek des Vereinigten Königreichs, für die Nachwelt festzuhalten. Generationen, die nur noch mit dem lautlosen Fahren von vollelektrischen Fahrzeugen aufwachsen, können sich dort dann über die Klangwelten des letzten Jaguar-Sportwagens mit Verbrennungsmotor informieren – einen Mitschnitt finden Sie weiter unten in dieser Geschichte. Bevor wir zum V8-hören tatsächlich ins Museum gehen, hat der F-TYPE im Test aber draußen noch einmal groß aufgespielt.
 
Was macht das Design so besonders?
Ein F-TYPE ist natürlich eine ästhetische Entscheidung. Die Proportionen des Frontmotor-Zweisitzers wirken nach zehn Jahren unverändert stil- und kraftvoll. Fließende Formen sorgen für eine wunderbar geschwungene Silhouette mit langer Haube sowie ausgestellter Schulter- und zugespitzter Heckpartie. Nachdem wir schon bei der historischen Einordnung angekommen sind, dozieren wir hiermit, dass die ganze Designdramatik im Coupé noch ein bisschen besser rüberkommt als im Cabriolet, das aber seinerseits ein sehr schönes offenes Auto ist. Die Motorhaube ist beim F-TYPE übrigens oberhalb des Kühlergrills angeschlagen. Sie springt beim Entriegeln nahe der Windschutzscheibe auf und lässt sich dann elegant nach vorne öffnen, wie früher bei den Rennsportmodellen Jaguar C- und D-Type.
Seit 2020 ist die Frontpartie des F-TYPE ruhiger und geradliniger gezeichnet, mit dem neuen Gesicht wirkt das Auto tiefer, breiter und muskulöser. Auch dem herrlich breiten, sanft nach hinten abfallenden Heck geben die neu gezeichneten Lichter und die vier dezent nach oben gebogenen Auspuffrohre seit dem 2020er-Update noch mehr Schärfe.
Im Modelljahr 23 hat Jaguar noch einmal ganz kleine Änderungen vorgenommen und zum Beispiel den brüllenden Jaguar im Kühlergrill schwarz eingefärbt. Der F-TYPE 75 wählt natürlich die sportlichste Designausführung und steht auch serienmäßig auf 20-Zoll-Rädern, die exklusiv für ihn reserviert sind. Diskrete Hinweise auf die Geburtstags-Edition geben Embleme mit der F-TYPE-Silhouette an den vorderen Kotflügeln.

test: jaguar f-type, einmal noch groß aufspielen

Ästhetische Entscheidung: Die Proportionen des Frontmotor-Zweisitzers Jaguar F-TYPE wirken nach zehn Jahren unverändert stil- und kraftvoll.

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Seit dem 2020er-Update hat der F-TYPE neu gezeichnete Lichter am Heck …

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… und eine ruhigere Frontpartie. Hier ein Zoom auf die edlen Scheinwerfer.

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Der F-TYPE 75 wählt natürlich die sportlichste Designausführung und steht auch serienmäßig auf 20-Zoll-Rädern, die exklusiv für ihn reserviert sind.

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Einer von zwei Lüftungsschlitzen in der Motorhaube.

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Zur Begrüßung fahren die Türgriffe aus den Flanken.

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Die Geburtstagsedition F-TYPE 75 gibt es nur für die V8-Varianten, im Test trat der P450 RWD mit Fünfliter-V8 und Hinterradantrieb an.

Was wird im Innenraum geboten?
Das fahrerfokussierte Sportwagen-Cockpit gestaltet Jaguar im F-TYPE 75 mit den hochwertigsten Materialien und schönsten Details, die es für die Baureihe gibt. Die gewichtsoptimierten Performance-Sitze sind mit edlem Windsor-Leder bezogen. Im Schulterbereich der Sitze und in den Türverkleidungen wurde diese besonders weiche Ledersorte mit einem aufwändigen Hexagon-Nahtmuster veredelt. Auch weite Teile des restlichen Innenraums sind mit Leder verkleidet. Die wenigen Kunststoffpassagen wurden farblich auf die Bezugsstoffe abgestimmt oder schwarz gefärbt. Dazu passend kommt der F-TYPE 75 serienmäßig mit Black Pack, also dunkel gefärbten Innenraum-Details. Auf der Mittelkonsole weist ein kleines Motiv der F-TYPE-Silhouette auf das Jubiläumsmodell hin.
Puristen wird der Abschied von den klassischen Armaturen mit analogen Uhren schwer fallen, der serienmäßige 12,3-Zoll-Bildschirm im Blickfeld des Fahrers weiß aber Prioritäten zu setzten und rückt in der Standardeinstellung einen großen Drehzahlmesser in das Zentrum. Beim Reisen ist wiederum der Modus mit bildschirmfüllender Navigationskarte hilfreich.
Das mittige Multimediasystem mit 10-Zoll-Screen hat den Wechsel auf die neueste Bildschirm- und Software-Generation des JLR-Konzerns nicht mehr mitgemacht, wodurch es bei Design, Tempo und Layout nicht ganz auf dem neuesten Stand ist. Aber interessiert das in einem Sportwagen wirklich? Wie auch immer, die Navi war im Test nicht in jeder Situation vollends zielgerichtet. Wir haben Android Auto respektive Google Maps bevorzugt, aber das ist vielen Autos so. Unbedingt erwähnen muss man den Feinsinn und die Klangwucht des Meridian-Soundsystems, dass mit 770 Watt, zwölf Lautsprechern und zwei Subwoofern aufspielt.
Erfreulich: Mit Alltagsleiden ist im F-TYPE nicht zu rechnen. Für einen Sportwagen-Innenraum klappt die Bedienung erfreulich unkompliziert, geradezu normal. Das Cockpit ist sportlich kompakt, aber nicht beengt, auch bei breiteren Schultern und längeren Beinen zwickt es also nicht gleich. Die betont sportlichen Sitze sind straff gepolstert, man darf sich auf der Langstrecke also nicht den höchsten Komfort erwarten, kommt aber ganz gut zurecht. Dass Jaguar auch die Performance-Stühle mit Heiz- und Kühlfunktionen ausgestattet hat, ist natürlich fein. Zudem ist der Kofferraum des Coupés erstaunlich geräumig, mit etwas Kreativität beim Packen und Geduld beim Schlichten reicht er auch für die Sommerferien.

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Das fahrerfokussierte Sportwagen-Cockpit gestaltet Jaguar im F-TYPE 75 mit den hochwertigsten Materialien und schönsten Details der Baureihe.

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Das Infodisplay zeigt in der Standardeinstellung den Drehzahlmesser.

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Sportiv abgestimmte Achtgang-Automatik, auch über Lenkradwippen bedienbar.

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Die Performance-Sitze sind mit edlem Windsor-Leder bezogen und im Schulterbereich mit einem aufwändigen Hexagon-Nahtmuster veredelt.

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Die Lüftungsdüsen fahren elektrisch aus dem Armaturenbrett.

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Das Multimediasystem hat den Generationswechsel nicht mehr mitgemacht.

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Weite Teile des Innenraums sind mit Leder verkleidet. Die wenigen Kunststoffpassagen wurden farblich auf die Bezugsstoffe abgestimmt.

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Eine der schönsten Arten, ein Handschuhfach zu öffnen.

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Sieht aus wie von Hermes: Edles Leder mit Hexagon-Musterung in den Türen.

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Der Kofferraum des Coupés ist erstaunlich geräumig, mit etwas Kreativität beim Packen und Geduld beim Schlichten reicht er für die Sommerferien.

Welche Technik kommt zum Einsatz?
Die Geburtstagsedition F-TYPE 75 gibt es nur für die V8-Variante, im Test trat der sogenannte P450 RWD an. Sein Fünfliter-V8 mit Kompressor kommt aus hauseigener Produktion und schickt bis zu 450 PS sowie schon ab 2.500 Touren bis zu 580 Newtonmeter auf die Hinterachse. Verwalter ist eine sportiv abgestimmte, auch über Lenkrad-Schaltwippen bedienbare Achtgang-Automatik auf. Der Sprint von 0 auf 100 km/h wird in 4,6 Sekunden absolviert, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 285 km/h. Die Kraftübertragung optimiert ein Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern, unterstütz von einem aktiv geregelten Sperrdifferential an der Hinterachse. Torque Vectoring durch Bremsen reduziert das Untersteuern. Beim F-TYPE 75 hat Jaguar die Hinterachse mit leichten und zugleich steiferen Achsschenkeln aus Aluminium-Druckguss sowie mit größer dimensionierten Radlagern speziell optimiert.
 
Los geht’s…
Vor Antritt der Fahrt begrüßt das Auto mit seiner kleinen Choreographie: Zuerst fahren die Türgriffe aus den Flanken, dann die Lüftungsdüsen aus dem Armaturenbrett. Schließlich beginnt der Starterknopf rot zu pulsieren, Herzschlag-Rhythmus quasi, und beim Anlassen des Motors röhrt der V8 einmal kräftig.
Für die Nachbarschaftspflege gibt es eine „Quiet Start“-Funktion, die zwar nicht auf das erste Röhren verzichtet, aber bei niedrigen Geschwindigkeiten zivilisiert klingt. Man hat bei Beschwerden also belastbare Argumente, muss aber nicht ganz auf den Spaß verzichten – cleveres Auto.

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Für beherzte Fahrer, die eine gewisse Unruhe nicht störend empfinden, sondern mit Humor nehmen. Trotzdem jetzt erwachsener und ausgeglichener.

Wie fährt sich der F-TYPE mit V8 und Hinterradantrieb?
Zunächst galt der V6 mit 380 PS zu Recht als Sweet Spot der Baureihe, aber der F-TYPE P380 ist schon länger nicht mehr im Programm. Dass der P450 RWD mit V8 und Heckantrieb nun die beste Wahl ist, hat auch mit der Weiterentwicklung des Autos im Laufe der letzte zehn Jahre zu tun. Kraftübertragung und Fahrwerk sind – vor allem im Zuge des 2020er-Updates – soweit widerstandsfähiger und besser geworden, dass sie jetzt auch einen stärkeren, schwereren V8 gut im Griff haben. Der F-TYPE ist darüber nicht zum Perfektionisten geworden, er ist immer noch was für beherzte Fahrer, die eine gewisse Unruhe nicht störend empfinden, sondern mit Humor nehmen. Trotzdem ist die ganze Performance-Show jetzt erwachsener und ausgeglichener. Im Sport-Modus mit direkter Lenkung, hoher Agilität und zackigen Schaltwechseln schnellt der F-TYPE über die kurvigen Landstraßen, das es eine Freude ist.
Seinen Anteil am Fahrerlebnis hat neben dem V8 auch dessen Kompressor, der im Vergleich zu Turboladern für eine tiefere Stimmlage und ein direkteres Ansprechverhalten sorgt. Dem R-Modell mit seinem 575 PS starken V8-Allradantrieb steht der P450 RWD mit 450 PS und V8-Hinterradanrieb weder bei der stürmischen Beschleunigung noch beim Strotzen und Pfauchen wirklich viel nach. Warum also den Aufpreis zahlen und das Mehrgewicht aufladen, sagt der Kenner, wenn er nicht gerade für Kitzbühel oder gar das deutlich höher gelegene St. Moritz plant. Zumal das Gewicht ja neben der Breite ein gewisses Manko des F-TYPE bleibt. Der inzwischen gewachsene 911er ist weiterhin ein wenig leichter und schmäler. Was nichts an der leistungsorientierten Einstellung des Jaguars ändert, deren Unterhaltungswert zeitlos ist.
Mit Blick auf die Alltagssituationen muss man realistisch sein: Bei hohem Reisetempo ist es im Innenraum nicht mehr leise, bei gröberen Unebenheiten wird das straffe Fahrwerk spürbar, die Rundumsicht ist bauartbedingt eingeschränkt und das Parken manchmal etwas komplexer. Sportwagen eben. Im Rahmen seiner Möglichkeiten bemüht sich der F-TYPE aber um Ausgewogenheit, das adaptive Fahrwerk kann sich spürbar, der Antrieb sogar sehr gut entspannen. Ein V8 ist auch fein, wenn man ihn nur streichelt. Motor und Automatik bilden dann ein entspanntes Paar und der F-TYPE cruist stilvoll. Alltag, nicht alltäglich. Wer den F-TYPE P450 RWD gleiten lässt, schafft auf Reisen über Landstraße und Autobahnen einen Durchschnittsverbrauch von rund 8,5 Litern. Wenn man es sportlich wissen will, schnellt der Verbrauch nach oben in Richtung 15 Liter. Der Gesamtschnitt lag im Test bei 10,5 Litern.
 
Das Fazit?
Der F-TYPE wird uns fehlen und als wunderschöner Sportwagen in Erinnerung bleiben, wenn er Mitte 2024 geht. Sein V8-Sound wurde zu Recht in den staatlichen Archiven für die Nachwelt festgehalten (für eine Hörprobe bitte auf das Video unterhalb klicken ↓), seine leistungsorientierte Einstellung und herzhafte Fahrweise haben einen zeitlosen Unterhaltungswert. Den Spaß werden die Sammler haben, die jetzt übernehmen.

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DATEN & FAKTEN

Jaguar F-TYPE 75 Coupé P450 RWD

(November 2023)

Preis

134.235 Euro (Einstiegspreis F-TYPE als P300 ab 89.091 Euro).

Antrieb

5.0-Liter-V8-Kompressor-Motor, Leistung 331 kW / 450 PS, Maximales Drehmoment 580 Nm; Hinterradantrieb, adaptives Fahrwerk; Sperrdifferenzial hinten, 8-Gang-Quickshift-Automatikgetriebe.

Abmessungen

Gesamtlänge 4470 mm, Gesamthöhe 1.311 mm, Gesamtbreite 1.885 mm, Radstand 2.622 mm; Kofferraumvolumen 336 LIter.

Gewicht

Leergewicht 1.706 kg.

Fahrwerte

Höchstgeschwindigkeit 285 km/h, Beschleunigung 0-100 km/h in 4,6 sec, WLTP-Normverbrauch 10,5 l.

Testverbrauch

10,5 Liter.

MOTORPROFIS WERTUNG

Fahrspass

9 Punkte

Vernunft

3 Punkte

Preis-Leistung

8 Punkte

Gesamturteil

9 Punkte

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