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Teamchef kritisiert Autobranche: Bei Nachhaltigkeit Lichtjahre zurück

Four Motors ist nicht dafür bekannt, ein leises Team zu sein. Rapper Smudo, das Aushängeschild des Teams, kritisierte bereits das 24-Stunden-Rennen am Nürburgring für seinen fossilen Treibstoff in dessen eigenen Livestream – sehr zum Ärger des Veranstalters. Nun legt sein Teamchef nach und kritisiert die Automobilindustrie für ihre Trägheit – und nimmt den Motorsport in die Pflicht.

Thomas von Löwis of Menar, besser bekannt als Tom von Löwis, spart nicht mit Kritik an den aktuellen Zuständen in der Transportbranche. Anlass ist für ihn die Fachmesse Automechanika, die in Sachen Nachhaltigkeit mit dem Slogan “Erleben Sie den Megatrend in vielen Facetten” wirbt.

“Schon alleine die Bezeichnung ‘Megatrend’ in dem Zusammenhang zeigt, wie viele Lichtjahre die Branche hinterherhinkt”, sagt von Löwis. “Und es lohnt sich genau hinzuschauen, weil es auch viel Greenwashing gibt. Gleichzeitig ist es nie zu spät, den ersten Schritt zu machen, wenn es um nachhaltige Mobilität geht und es ist gut, dass hier endlich Bewegung in die Sache kommt.”

Dabei erneuert er auch seine Kritik an der einseitigen politischen Fokussierung auf zukünftige Elektromobilität: “Ich bin der Überzeugung, dass der Weg, nur auf ein Pferd zu setzen – wie den Elektroantrieb – uns in eine Sackgasse führt. Laut Kraftfahrzeugbundesamt gab es Anfang 2024 gut 44 Millionen zugelassene PKW mit Verbrennungsmotor in Deutschland. Ziel sollte sein, die Bestandsflotte so schnell wie möglich schon jetzt nachhaltiger zu gestalten.”

Viele Lösungen, kein Standard

Four Motors ist seit 2003 auf der Nürburgring-Nordschleife unterwegs und hat dabei verschiedene Kraftstoffe eingesetzt – von Biodiesel über E85 bis hin zum aktuellen E20-Kraftstoff mit rund 60 Prozent regenerativen Anteilen. Darüber hinaus hat das Team auch andere Technologien erprobt, etwa Karosserieteile aus Flachsfasern statt Kohlefaser oder zuletzt nachhaltige Felgen.

Dass das Thema Nachhaltigkeit auf dem Vormarsch ist, will er nicht abstreiten: “Für alle Hersteller gehört Nachhaltigkeit mittlerweile nicht nur zum guten Ton, sondern ist ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur.”

Das Problem hinter den Kulissen ist aktuell, dass sich verschiedene Stakeholder von Mineralölkonzernen bis Autoherstellern nicht auf einen Standard einigen können, wie Kraftstoff ab sofort klimafreundlicher gestaltet werden kann. So liegen derzeit der Politik nicht einmal Lösungen vor, sodass der Fokus weiter auf Elektromobilität liegt. E-Fuels werden erst langfristig verfügbar sein.

teamchef kritisiert autobranche: bei nachhaltigkeit lichtjahre zurück

Tom von Löwis fordert sofortiges Handeln bei umweltfreundlichen Kraftstoffen für Bestands-PKW

Foto: Porsche

Ein ähnliches Bild zeigt sich im Motorsport. In Windeseile haben zahlreiche namhafte Serien in den vergangenen Jahren nachhaltige Kraftstoffe aus dem Hut gezaubert, die sich jedoch unterscheiden. Gerade Hersteller von GT3- und GT4-Fahrzeugen sind deshalb von weiteren anderen Kraftstoffen wenig angetan.

“Die meisten Serien und Meisterschaften benutzen dabei Sonderkraftstoffe, die, wie auch der aktuelle Kraftstoff von Four Motors, aus verschiedenen Gründen wie Verfügbarkeit, Preis, etc. kurzfristig nicht für den Endverbraucher zur Verfügung stehen werden”, sagt von Löwis weiter.

Vorbild IndyCar

“Gleichzeitig ist es ein wichtiger Faktor unseres Konzepts, Technologien zu erproben, die auch in der Straßenserie eingesetzt werden können. Deshalb möchten wir unser Augenmerk hinsichtlich des Kraftstoffs darauflegen, eine nachhaltige Lösung zu finden, die zeitnah für jedermann zur Verfügung stehen könnte.”

Deshalb wünscht er sich, dass die Nürburgring-Langstrecken-Serie (NLS) ebenfalls einen E20-basierten Kraftstoff, der aus 60 Prozent erneuerbaren Anteilen bestehen kann, für alle Teilnehmer vorschreibt. Allerdings sind die NLS und auch das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring vorsichtig bei diesem Thema, weil auch ältere Fahrzeuge an den Start gehen und Hunderte von Autos auf die Verträglichkeit des Sprits geprüft werden müssten.

Von Löwis will das Argument nicht gelten lassen: E20-Kraftstoff “wäre technisch für alle Verbrenner leistbar und würde gleich 20 Prozent weniger CO2 bedeuten. Alle Benziner ab Baujahr 2011 vertragen laut ADAC E10 problemlos ohne Anpassungen. Die gleichen Erfahrungen haben wir mit E20 gemacht.” Der fossile Anteil könne durch E-Fuel-Beimischungen, sobald verfügbar, weiter zurückgefahren werden.

teamchef kritisiert autobranche: bei nachhaltigkeit lichtjahre zurück

Der Porsche 911 GT3 Cup (Typ 992) fährt wie alle Bioconcept-Cars von Four Motors mit einem E20-Plus-Kraftstoff

Foto: Four Motors/ElfImages

Dabei könnten auch die Kraftstoff-Hersteller in den Vordergrund rücken. Als positives Beispiel nennt er die IndyCars, die mit 100 Prozent erneuerbarem Kraftstoff von Shell fahren, der 60 Prozent weniger CO2 ausstößt.

Doch er lobt die Serie aus einem anderen Grund: “Wer schon mal ein IndyCar-Rennen gesehen hat, weiß, dass bei jedem Tankstopp der Name des Kraftstoffherstellers fällt. Das müsste man auch bei uns viel mehr promoten, damit die Leute verstehen, dass im Motorsport viele Entwicklungen sehr viel früher getestet werden, bevor sie auf die Straße kommen.”

Skepsis gegenüber Bio-Kraftstoffen in Deutschland

Dennoch bleibt das E10-Desaster von 2011 im Hinterkopf. Mittlerweile hat sich zwar der Marktanteil auf der Straße auf 28 Prozent erhöht, doch das Bild vom Ladenhüter E10 hat sich fest im Gedächtnis eingebrannt. “Das ist eines der großen Rätsel unserer Zeit, wieso sich die Deutschen so gegen Bio-Kraftstoff sperren”, gibt auch von Löwis zu.

“Unsere Hypothesen? Angst, Unwissenheit, Lobbyismus. Bei der E10-Einführung in Deutschland wurde zu wenig informiert, die Medien polemisierten mit Bio-Plörre-Kampagnen und die Förderung durch den Bund war verhältnismäßig gering.”

“In Belgien zum Beispiel schoss der E10-Anteil an Tankstellen im Jahr der Markteinführung auf über 80 Prozent, in Brasilien ist bereits seit den 1970er-Jahren ein biogener Kraftstoff zwischen E18 und E25 für alle vorgeschrieben, und in Thailand liegt der E20-Absatz an Tankstellen seit 2009 bei über 80 Prozent.”

Letztlich kritisiert er auch den Motorsport am Nürburgring: “Es gab mal eine Zeit, da fuhren bis zu 24 Autos in der AT-Klasse. Anfang 2016 hatten wir dann nur noch ein Auto. Dass es jetzt endlich wieder mehr werden, ist natürlich eine gute Entwicklung, da geht aber noch mehr.”

Was er dabei vergisst: Lange Zeit galt auch fossiler Diesel als alternativer Kraftstoff auf der Nürburgring-Nordschleife. Und in den 2000er-Jahren gab es einen Dieselboom im Motorsport, der inzwischen wieder Geschichte ist.

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