AMC

Audi

Finanzen

Formel 1

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

Die Zeit der Ausreden ist vorbei: Audi wechselt die Sauber-Führung aus – Mattia Binotto übernimmt als Teamchef

die zeit der ausreden ist vorbei: audi wechselt die sauber-führung aus – mattia binotto übernimmt als teamchef

Soll Sauber zurück in die richtige Spur bringen: der frühere Ferrari-Chef Mattia Binotto. Jennifer Lorenzini / Reuters

Immer dann, wenn es beim Sauber-Rennstall in der Formel 1 nicht richtig voranging – also meistens in den vergangenen anderthalb Jahren – , benutzten die Verantwortlichen ein Wort als pauschale Entschuldigung: Anlaufphase.

Schliesslich tritt der Mehrheitseigner Audi in der Weltmeisterschaft erst 2026 unter seinem eigenen Namen als Werksteam an. Alle Entscheidungen und Investitionen sind auf den grossen Reglementwechsel hin ausgelegt. Vor diesem Hintergrund scheinen die gegenwärtige sportliche Misere und die internen personellen Querelen lange verdrängt worden zu sein.

Doch die Zeit der Ausreden ist endgültig abgelaufen. Am Mittwoch hat der Audi-Chef Gernot Döllner mit ebenjener lang vermissten Konsequenz durchgegriffen: Der Teamchef und CEO Andreas Seidl sowie der Verwaltungsratschef Oliver Hoffmann müssen mit sofortiger Wirkung gehen. Auch einen Nachfolger präsentierten die Ingolstädter sogleich: Mattia Binotto, bis Ende 2022 der Teamchef bei Ferrari, soll ab dem 1. August retten, was noch zu retten ist, um Sauber kurz- und langfristig zurück in die richtige Spur zu bringen.

Sauber braucht dringend neue Impulse

Das ist eine schwierige Aufgabe. Der auch nach 13 WM-Rennen noch punktlose Rennstall muss nach den Veränderungen im Management erst wieder zur Ruhe kommen. Doch zugleich bedarf es neuer Impulse, damit sich die Qualität und die Schnelligkeit in den Konstruktionsbüros und der Rennfabrik verbessert. Möglicherweise kommt es im Führungsteam noch zu einer weiteren Umbesetzung. Der britische Technikchef James Key, den Andreas Seidl von McLaren mitgebracht hatte, erwies sich bisher als glücklos – auch beim jüngsten Upgrade des Rennwagens. Mit dem Luxemburger Mike Krack, derzeit noch bei Aston Martin engagiert, gibt es bereits einen aussichtsreichen Kandidaten für Keys Nachfolge.

Einzig die Motorenentwicklung im bayrischen Neuburg an der Donau läuft bis anhin nach Plan. Die in letzter Zeit immer deutlicher gewordenen Querelen an der Führungsspitze bestätigen jene Kritiker, die davor gewarnt hatten, dass die neue Mentalität des Konzerns neue Eitelkeiten und Rivalitäten mit sich bringen könnte. Sauber ist nach den Erfahrungen mit Mercedes und BMW ein gebranntes Kind. Der 48-jährige Stratege Seidl wusste aus eigener Erfahrung um die Tücken, Transformation und Integration kamen aber nur schleppend voran. Die Verpflichtung von Nico Hülkenberg als erstem Fahrer für die kommende Saison war eine Ausnahme.

Offenbar war zwischen Seidl und Hoffmann jüngst ein Machtkampf entbrannt. Hoffmann, einst Assistent des desavouierten Audi-Vorstands Rupert Stadler, hatte als Entwicklungschef das Engagement in der Formel 1 gegen alle Bedenken durchgesetzt. Doch nachdem Döllner im vergangenen September seinen Job an der Firmenspitze übernommen hatte, degradierte er Hoffmann wenig später, weil er unzufrieden war mit dessen Führung des Technik-Ressorts.

Der 47-jährige Manager wurde in den Verwaltungsrat von Sauber abgeschoben, in dem er sich offenkundig nicht allein auf die Kontrolle der Geschäfte beschränken wollte. Er soll sich stark ins operative Geschäft eingemischt haben. Das Gerangel um Kompetenzen soll massgeblich dazu beigetragen haben, dass wichtige Personalentscheidungen verschleppt wurden. Und auch der Ausbau der Infrastruktur kam nicht zügig voran.

In Maranello scheiterte Binotto an der grossen Machtfülle

Von der Effizienz, die Sauber ursprünglich ausgezeichnet und zur ersten Wahl für Audis Ambitionen in der Formel 1 gemacht hatte, ist wenig übrig geblieben. Der Stimmung im Oberland war die stockende Transformation kaum zuträglich. Deshalb hat Döllner, der nicht als ausgewiesener Freund des Motorsports gilt, nun die Reissleine gezogen, und beschwört mit neuem Führungspersonal die Trendwende: «Unser Ziel ist es, das Projekt durch klare Führungsstrukturen, eindeutige Verantwortlichkeiten, reduzierte Schnittstellen und effiziente Abstimmungsprozesse auf Formel-1-Speed zu bringen.» Die Crew solle eigenständig und schnell agieren können.

Daraus resultiert auch, dass Binotto die beiden Posten seiner Vorgänger in Personalunion übernimmt. Zudem verantwortet der in Lausanne geborene Italiener neben der Geschäftsführung künftig auch die Technik. In Maranello war der 54-Jährige an der ähnlich grossen Machtfülle gescheitert. Deshalb wird er alsbald noch Statthalter seines Vertrauens bestellen.

Binottos Vorteil in der unübersichtlichen Gemengelage ist sein Vierteljahrhundert Erfahrung bei der Scuderia, wo der Umgang mit Ränkespielen zum Tagesgeschäft gehört. Einem im Motorsport erfahrenen Ingenieur die Leitung des ganzen Rennstalls zu übertragen, ist zum Trend in der Formel 1 geworden. Andrea Stella hat McLaren mit einem nüchternen Ansatz innerhalb von nur anderthalb Jahren aus dem Mittelfeld zurück an die Spitze führt.

TOP STORIES

Top List in the World