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Opel oder Peugeot? Egal, Hauptsache Kombi

Stellantis schickt mit dem Opel Astra Sports Tourer und dem Peugeot 308 SW zwei Elektro-Kombis ins Rennen. Mit unterschiedlichen Charakteren.

Die Deutschen lieben Autos, immer noch. Vor allem solche Autos, in die alles hineinpasst. Die 1,6 Kinder, die jedes Paar hierzulande durchschnittlich hat, das Gepäck für die Reise in den Urlaub, die nach einschlägigen Statistiken immer noch überwiegend mit dem Auto unternommen wird. Und Platz braucht es auch für diverse Sportgeräte, für Golf- oder Tauchausrüstungen, Rucksäcke und Wanderstöcke. Sowie für Kinderwagen, Laufräder und Roller – alles, was eine junge Familie samt Nachwuchs heute so braucht. Oder Werkzeugkisten, Holzlatten oder Klappleitern – die Handwerker dürfen wir hier natürlich nicht vergessen.

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Schnelltransporter Der vollelektrische Peugeot 308 SW glänzt nicht nur mit einer flotten Linienführung, sondern auch mit einem großzügigen Raumangebot für Passagiere und Gepäck sowie einen flotten Antritt: Tempo 100 ist in 9,3 Sekunden erreicht. Foto: Peugeot

Es gibt also ganz, ganz Gründe für Autos mit viel Stauraum. Für praktische Kombinationskraftwagen, wie Bürokraten sagen würden. Als Caravan, Variant, Avant, T-Modell oder auch Break, Tourer oder „Station Wagon“ (SW) stand die Karosserievariante in Deutschland lange Zeit ganz oben in den Verkaufsstatistiken. Bei manchen Herstellern machten die Praktiker zeitweise sogar über 80 Prozent der Verkäufe eines Modells aus.

Ein Chinese gab die Richtung vor

Inzwischen haben ihnen die SUVs den Rang abgelaufen: Die Hochbeiner sind derzeit mit einem Anteil von fast 30 Prozent die populärste Fahrzeuggattung in Deutschland. SUVs machen mehr her, bauen höher auf und bieten älteren Herrschaften mit Bandscheibenvorfall und steifer Hüfte einen bequemeren Einstieg. Im anbrechenden Zeitalter der Elektromobilität macht die Karosserieform es den Autoherstellern auch einfacher, den Akku zwischen den Achsen zu verstecken – und den Käufern einen höheren Preis abzuverlangen. Ja, SUVs machen auch in der Beziehung einfach mehr her.

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Ganz schön praktisch Für den Personentransport ist der Kofferraum des Opel Astra Sports Tourer Electric zwar nicht vorgesehen. Aber bei umgelegter Rücksitzbank wäre der Fond durchaus groß genug, um als Liegefläche zu dienen. Foto: Andreas Liebschner

Aber nun zeichnet sich ganz leise eine Trendwende ab, nachdem sich der MG5 Electric aus China – das weltweit erste Kombi mit Elektroantrieb – auch in Europa gut verkauft. VW hat angekündigt, vom vollelektrischen ID.7 und Passat-Nachfolger unter dem Namen Tourer eine Kombiversion anzubieten. Und auch der Skoda Octavia und der Audi A6 sollen nach der Antriebswende als Kombi weiterleben.

Erster Elektrokombi aus Deutschland von Opel

Bei Stellantis ist diese Zukunft bereits Gegenwart: Opel bietet als erster Hersteller den Astra ab sofort auch als praktischen Sports Tourer auch in einer vollelektrischen Variante an. Die sogar in Deutschland gebaut wird. Peugeot wird im kommenden Sommer mit dem elektrischen 308 SW (die beiden Buchstaben stehen je nach Lesart für Sport oder Station Wagon) aus dem Werk Mulhouse im Elsass nachlegen – beide Fahrzeuge stehen schließlich auf der gleichen Plattform. EDISON hatte Gelegenheit, beide Fahrzeuge schon jetzt Probe zu fahren – und machte dabei interessante Unterschiede fest.

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Aber fangen wir erst einmal mit den Gemeinsamkeiten an – dem Antrieb. Sowohl der Opel Astra Sports Tourer Electric (so der vollständige Name) als auch der Peugeot e-308 SW haben einen 115 kW oder 156 PS starken Elektromotor mit 260 Newtonmeter Drehmoment an der Vorderachse. Gebaut wird die Maschine, deren Tugenden wir später noch rühmen werden, im französischen Trémery von Emotors, dem Joint Venture von Stellantis mit der Nidec Leroy-Somer Holding. Gekoppelt ist die Maschine mit einem Lithium-Ionen-Akku, der in 102 Zellen brutto 54 kWh speichern kann – von denen 51 kWh für den Fahrbetrieb zur Verfügung stehen.

Neue Zellchemie für mehr Reichweite

Das klingt nicht nach viel mehr Akku-Kapazität als im Opel Corsa oder Peugeot e-208. Doch aufgrund einer veränderten Zellchemie (die Kathoden bestehen hier zu 80 Prozent aus Nickel und jeweils zu zehn Prozent aus Mangan und Kobalt) sowie des erwähnten neuen Motors kommen die beiden Elektroautos trotz des höheren Gewichts mit einer Akkuladung deutlich weiter als die E-Zwerge.

Opel gibt für den elektrischen Astra-Kombi eine Reichweite von 413 Kilometern nach der WLTP-Verbrauchsnorm an – Peugeot will mit dem e-308 SW unter optimalen Rahmenbedingungen sogar noch zwei Kilometer weiter kommen. Geschenkt, derlei Werte sind ohnehin nur Orientierungsgrößen, im Alltagsbetrieb muss meist schon wesentlich früher eine Ladestation angesteuert werden. Wo sich beide Fahrzeuge auf Reisen dann eine etwas längere Pause gönnen. Denn am Schnelllader kann der Strom mit maximal 100 kW aufgenommen werden. Mehr gibt der Onboard-Charger derzeit aus Kostengründen nicht her.

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Geradlinig-konservativ Zwei zehn Zoll große Displays hinter dem Lenkrad liefern dem Fahrer des Opel Astra Electric alle möglichen Informationen in übersichtlicher Form. Wichtige Funktionen können zudem über Tasten angesteuert werden. Sogar einen Drehknopf zur Regelung der Lautstärke gibt es und gegen Aufpreis ein Head-up-Display. Was will man mehr? Foto: Andreas Liebschner

Da nützen dem Opel auch seine Gewichtsvorteile nichts mehr: Er bringt aufgrund zahlreicher Leichtbaumaßnahmen wie eine Heckklappe aus Polycarbonat nur rund 1780 Kilogramm auf die Waage – der Peugeot wiegt je nach Ausführung bis zu 45 Kilogramm mehr, hat dafür aber einen vollverkleideten Unterboden. Wie auch immer: Beide Modelle sollten in der Lage sein, bei frühsommerlichen Temperaturen um die 20 Grad Celsius – da fühlen sich Stromer am wohlsten – rund 400 Kilometer in einem Rutsch zurückzulegen.

Stromverbräuche um die 15 kWh/100 km

Denn der Stromverbrauch war bei beiden Fahrzeugen auf den Testfahrten erfreulich bis erstaunlich niedrig: Der Bordcomputer spuckte Durchschnittswerte zwischen 15,9 (Opel) und 16,5 (Peugeot) kWh/100km aus. Die lagen damit nur leicht über den offiziellen Werksangaben von 15,0 kWh (Opel) bzw. 15,7 kWh (Peugeot) auf 100 Kilometer. Und das bei Temperaturen unterhalb des Wohlfühlbereichs. Bei der Fahrt mit dem Astra rund um Rüsselsheim herrschten Temperaturen im einstelligen Minus-, beim Peugeot in Frankreich im einstelligen Plusbereich. Und in beiden Fällen wurde der Eco-Modus nur kurz ausprobiert, um die Heizleistung nicht zu sehr zu drosseln und damit das Wohlbefinden der Passagiere nicht zu stark zu beeinträchtigen.

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Verspielt-sportlich Rennwagen-Feeling soll das Cockpit des Peugeot e-308 vermitteln. Mit einem kleinen Lenkrad und dem i-Cockpit darüber. Die Anordnung ist etwas gewöhnungsbedürftig. Aber Peugeot erspart sich so das Head-up-Display. Foto: Peugeot

Und das war in beiden Fahrzeugen hoch. Nicht nur aufgrund des großzügigen Platzangebots vorne, des erfreulich niedrigen Geräuschpegels und hohen Federungskomforts. Auch die Haptik und Optik des Innenraums trug dazu bei, mit Alcantara-Sitzbezügen im Opel und „veganes Kunstleder“ im Peugeot. Derartige Qualitäten hätte man früher eher in der gehobenen Mittelklasse verortet. Beide Marken sind in der Stellantis-Hierarchie im „Upper Mainstream“ verortet, wobei sich Peugeot als die etwas sportlichere Marke einen Tick höher angesiedelt sieht als die deutschen Brüder. Na ja, das sollen die Markenverantwortlichen unter sich ausmachen.

Bis zu 1574 Liter Kofferraumvolumen

Kaufinteressenten müssen hingegen klären, mit welchem Bedienkonzept sie sich eher arrangieren können – mit dem eher klassisch sortierten und optional um ein Head-up-Display erweiterbares Opel-Konzept oder dem eher avantgardistischen i-Cockpit von Peugeot mit „Kompaktlenkrad“ und (teilweise verdeckten) Digital-Anzeigen oberhalb davon, die in der Topausführung obendrein dreidimensional aufscheinen. Letzteres sieht ganz cool aus, ist aber etwas gewöhnungsbedürftig – und kann gegen einen Preisnachlass von 300 Euro abgewählt werden.

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Lademeister Das Reisegepäck einer vierköpfigen Familie sollte sich problemlos im Kofferraum des Astra Sports Tourer Electric verstauen lassen: Bei voller Bestuhlung fasst der 516 Liter. Ins Gepäckabteil des Peugeot-Schwestermodells passen 30 Liter mehr.

Wichtiger sind bei einem Kombi ohnehin die praktischen Werte. Wie das Kofferraumvolumen und die Möglichkeiten, den Innenraum nach den Transportbedürfnissen individuell einzurichten, für manchen Interessenten sicher auch die Anhängelasten. Auch hier zeigten sich erwartungsgemäß nur geringe Unterschiede. Der 4,64 Meter lange Opel Sports Tourer Electric kann bei voller Bestuhlung 516 Liter Volumen in den Kofferraum packen, bei umgelegten Rücksitzen gar bis zu 1553 Liter. Beim gleichlangen Peugeot e-308 SW sind es sogar 548 Liter bzw. bis zu 1.574 Litern bei vollständig umgeklappten Sitzen. Dafür liegt die Ladekante beim Astra einen Zentimeter tiefer.

Opel günstiger als Peugeot

Schade nur: Für beide Kombis gibt es gegen Aufpreis zwar eine elektrisch angetriebene und sensorgesteuerte Heckklappe, aber keine Anhängerkupplung. Und Haken zum Aufhängen von Jacken im Fond müssen im Zubehörhandel bestellt werden – für Autos dieser Preisklasse ist das ein Armutszeugnis.

Ach ja, über die Preise haben wir noch gar nicht gesprochen. Opel und Peugeot bieten ihre Elektrokombis in zwei Ausführungen an. Bei Opel beträgt der Basispreis 43.490 Euro, der Preis für die üppig ausgestattete Topausstattung GS 46.560 Euro. Das sind exakt 1.500 Euro mehr als für den elektrischen Astra in der kompakten Form.

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Kein Lademeister An Schnellladesäulen nimmt der Peugeot e-308 SW – wie der Opel Astra auch – Gleichstrom mit maximal 100 kW auf. Damit kann man heute nicht mehr punkten. Die Ladeleistung an Wechselstrom-Ladesäulen ist mit 11 kW auf Industrieniveau.

Peugeot ruft für den e-308 SW in der Ausführung Allure 45.765 Euro auf, für die Topversion 48.440 Euro. Hier beträgt der Kombi-Aufpreis sogar nur 1000 Euro. Und das ist hier wie da noch längst nicht das Ende der Fahnenstange. Mit ein paar Extras wie Matrix-LED-Scheinwerfern, Dachreling, zusätzlichen Assistenzsystemen, Glasschiebedach oder Alcantara-Ausstattung ist die Schwelle von 50.000 Euro schnell überschritten.

Kombis, so lernen wir, sind längst keine Handwerkerautos mehr und mit Elektroantrieb in der Anschaffung auch nicht günstiger als ein SUV.

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