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News des Tages: Streit über Fahrverbote, Volker Wissing, Schleuser-Kriminalität, Bayer Leverkusen

FDP-Verkehrsminister Wissing entfacht mit der Panikmache um Fahrverbote einen neuen Ampel-Streit. Deutsche Ermittler jagen Schleuser auf der Balkanroute. Und Bayer könnte das Vizekusen-Trauma besiegen. Das ist die Lage am Freitagabend.

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News des Tages: Streit über Fahrverbote, Volker Wissing, Schleuser-Kriminalität, Bayer Leverkusen

1. Freie Fahrt, falsche Fährte

»Wir brauchen natürlich keine Fahrverbote«, sagt der Chef des Umweltbundesamts Dirk Messner. Er widerspricht damit Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP. Der wiederum hat sich gestern an seine Ampel-Kolleginnen und -Kollegen gewandt und per Brief gewarnt, es drohten sonntägliche Fahrverbote, sollte sich die Koalition nicht auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes einigen. Für solche Schreiben gilt das Gegenteil des Postgeheimnisses, das weiß Wissing natürlich, binnen kurzem machte es Schlagzeilen.

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Behördenchef Messner sieht das offenbar als Panikmache: »Solche Verbote werden nicht ernsthaft diskutiert und verängstigen die Menschen ohne Grund«, sagte er meinem Kollegen Serafin Reiber. Es sei richtig, dass die Bundesregierung sofort handeln müsse, damit der Verkehrssektor die Klimaziele einhalte. Ein Tempolimit würde helfen – und die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs (hier mehr dazu).

Reichen wird das allerdings nicht, sagt mein Kollege Arvid Haitsch: »Ganz ohne radikale, unpopuläre Maßnahmen werden sich die inzwischen angehäuften übermäßigen Emissionen nicht mehr ausgleichen lassen.« Es ist wie bei manchen schweren Krankheiten: Je später die Behandlung beginnt, desto heftiger muss sie sein.

    2. Abschottung und Abzocke

    Die Bezahlkarte für Geflüchtete und Asylbewerber kann kommen, der Bundestag hat heute die nötigen Gesetze beschlossen (hier mehr dazu). Diese Woche hat das EU-Parlament das Asylrecht verschärft. Und natürlich ging es auch gestern beim Thüringer TV-Duell Höcke/Voigt darum, wie sich Migration begrenzen lässt. Die Zeichen stehen auf Abschottung – wohin man blickt, wohin man hört: Wir müssen unsere Grenzen dicht machen; strenger auswählen, wer kommt; denen, die hier sind, mit mehr Härte begegnen. Dieser Sound wabert vom Stamm- zum Küchentisch, vom Büro in die Werkshalle, von Talkshows in die Parlamente.

    Verlierer dieser Politik sind Verzweifelte, die in ihrer Not nach Europa fliehen und einen Anspruch auf Asyl hätten. Gewinner sind kriminelle Schlepper und Schleuser, die ein Geschäft aus der Not machen. Im Mai 2022 beschrieb mein Kollege Jürgen Dahlkamp die Fahrt eines Kurden in den Tod. Der Mann wollte nach Deutschland, war aber unterwegs in einem Transporter gestorben (hier die Geschichte). Kurz danach bekam Jürgen ein Angebot, das man als Journalist nur selten bekommt: ein internationales Ermittlerteam zu begleiten, das auf der Spur eines der größten Schleusernetzwerke der Balkanroute war.

    Die Jagd galt einer mutmaßlichen Bande, die in den folgenden Monaten offenbar Tausende Kurden nach Deutschland brachte. Jürgen beobachtete die Arbeit der Fahnder in Deutschland, Österreich und Rumänien. Sie hielten ihn auf dem Laufenden über ihre Fortschritte, und sie teilten ihren Frust, wenn sich Hoffnungen auf einen großen Schlag nicht erfüllten. Zwar wurde ein Hauptverdächtiger in Essen festgenommen, die mutmaßlichen Köpfe in der Türkei können aber weitermachen.

    »Der Fall zeigt, wie moderne Polizeiarbeit läuft, gleichzeitig aber auch, dass nicht nur die Fahnder, sondern auch die Schleuser immer professioneller werden«, sagt Jürgen. »Am Ende gewinnen sehr oft die Schleuser, und das mit dramatischen Folgen für die politische Kultur im Land.«

      3. Werkself-Freunde sollt Ihr sein

      Selbst fußballerisch weniger Gebildete wie ich schalten am Wochenende vielleicht die Sportschau ein oder hören die Bundesliga-Konferenz: Bayer Leverkusen könnte zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte die Meisterschaft gewinnen – und die Dominanz der Bayern in der Bundesliga brechen. Bei derzeit 16 Punkten Vorsprung und noch sechs ausstehenden Spieltagen ergeben sich folgende Szenarien: Leverkusen steht bereits an diesem Wochende als Meister fest, wenn …

      • … der FC Bayern (gegen den 1. FC Köln) und der VfB Stuttgart (gegen Eintracht Frankfurt) am Samstag verlieren.

      • … Bayer am Sonntag gegen Werder Bremen (17.30 Uhr; Stream: DAZN) gewinnt.

      • … Bayer gegen Werder unentschieden spielt und die Bayern und die Stuttgarter tags zuvor nicht gewinnen.

      »Bayer Leverkusen schrammte so oft knapp an Titeln vorbei, dass der Verein sich einst die Bezeichnung ›Vizekusen‹ als Markennamen schützen ließ«, sagt mein Kollege Danial Montazeri. Selbst im Englischen gebe es »Neverkusen«. »Dass es damit bald vorbei sein dürfte, liegt vor allem an Trainer Xabi Alonso«, sagt Danial. »Seit der Spanier im Oktober 2022 in Leverkusen begann, hat der Verein mehr Punkte gesammelt als der FC Bayern. Eine phänomenale Leistung.« Bei Alonso und seinem Team scheint die, gnihi, Chemie zu stimmen.

        Was heute sonst noch wichtig ist

        • Ehepaare dürfen künftig Doppelnamen als Familiennamen eintragen: Eheleute mussten sich bisher auf einen Nachnamen für die Familie einigen. Nun hat sich der Bundestag auf mehr Flexibilität geeinigt, etwa durch Doppelnamen. Auch ethnische Minderheiten erhalten mehr Rechte.

        • »Netanyahu kann das durchaus noch einige Monate durchziehen«: Kein Geiseldeal mit der Hamas, keine Waffenruhe und miserable Umfragewerte: Wie schafft es Israels Premierminister, trotzdem politisch zu überleben?

        • Selenskyj hofft auf Erfolge durch umstrittenes neues Mobilisierungsgesetz: Erst wurde das Einberufungsalter herabgesenkt, nun kann auch die Frontzeit verlängert werden: Die Ukraine hat ihre Mobilisierung deutlich verschärft. Präsident Selenskyj begrüßt den Parlamentsentscheid.

        • Polens Parlament will strenges Abtreibungsrecht der Vorgängerregierung abschwächen: Polen hat eine der strengsten Abtreibungsregelungen in Europa, das soll sich wieder ändern. Das Parlament lässt vier Gesetzentwürfe prüfen, die mehr Schwangerschaftsabbrüche zulassen. Ein Veto könnte das Vorhaben jedoch kippen.

        Meine Lieblingsgeschichte heute: Die Merkel-Leaks

        Freitags finden Sie hier immer die Kolumne »So gesehen« meines Kollegen Stefan Kuzmany als Teil der Lage am Abend. Heute schreibt Stefan darüber, wie Angela Merkel diskret ihr öffentliches Comeback plant:

        Angela Merkel soll überraschend bei der Verabschiedung des Grünen Jürgen Trittin sprechen. Jetzt kommt heraus: Es bleibt nicht bei diesem Auftritt.

        Nach dem Ende ihrer Regierungszeit hatte sie sich rar gemacht, damit scheint es nun vorbei zu sein: Geleakte Chat-Nachrichten legen nahe, dass Angela Merkel (CDU) diskret ihr öffentliches Comeback plant. Einer internen Kommunikation der Grünen-Bundestagsfraktion zufolge wird die Altkanzlerin zunächst Mitte Mai bei der Verabschiedung des scheidenden Grünenpolitikers Jürgen Trittin eine Rede halten.

        Einer zwischenzeitlich gelöschten Instagram-Nachricht zufolge will Merkel dann Anfang Juni gemeinsam mit dem Linken-Urgestein Gregor Gysi dessen neues Buch »Ich, der Ober-Ossi« im Berliner Pfefferberg Theater vorstellen. Es folgt ein Impulsvortrag zu Marktwirtschaft und sozialer Gerechtigkeit vor der SPD-Fraktion im Bundestag – die Einladungen dafür sollten vom Büro des Fraktionschefs Rolf Mützenich bereits verschickt worden sein, wurden aber wegen des Trubels um dessen Ukraine-Äußerungen zunächst auf Eis gelegt. Eher privaten Charakter soll ein lockerer Gedankenaustausch Merkels mit Sahra Wagenknecht am Rande eines BSW-Parteitags Anfang Juli haben – so jedenfalls ist es in einer internen Telegram-Chatgruppe der BSW-Spitze zu lesen. Zum »Sommer-Gespräch« mit Wolfgang Kubicki (FDP) auf einem Kreuzfahrtschiff Ende Juli liegt laut internen FDP-Unterlagen noch kein genaues Datum vor. Fix ist allerdings bereits ein gemeinsamer Auftritt Merkels mit den Spitzen der Ampelkoalition am Tag der offenen Tür der Bundesregierung, der auf dem Koalitionsgipfel am vergangenen Mittwoch besprochen wurde.

        Erstaunlich ist, dass all diese eigentlich vertraulich geplanten Termine bereits jetzt an die Öffentlichkeit gelangen – es aber einer Partei gelingt, ihre interne Kommunikation unter Verschluss zu halten: Allein aus dem Inneren der CDU ist bisher kein Sterbenswort über einen möglichen Merkel-Besuch nach außen gedrungen.

          Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

          • Das letzte Gefecht? SPD, Grüne und FDP haben das Selbstbestimmungsgesetz durchgesetzt, ein weiteres Vorhaben ihrer progressiven Agenda abgehakt. Doch wie viel gesellschaftlichen Fortschritt kann sich die umstrittene Koalition jetzt noch leisten?

          • Scheuer setzt aufs Bauchgefühl: Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer hat sich an einem aufstrebenden Start-up beteiligt. Nach SPIEGEL-Recherchen lernte er die Firma in seiner Amtszeit kennen und warb für sie. Ein Interessenkonflikt?

          • Steinchen des Anstoßes: Lego-Konkurrent BlueBrixx hat in Deutschland mehr als 30 Filialen und will expandieren. Wären da nicht die Rechtsstreitigkeiten mit dem Marktführer.

          Was heute weniger wichtig ist

          Politische Hebebühne: Der Chef der bundeseigenen Autobahn GmbH, Michael Güntner, 50, ist im Januar 2024 in eine Verkehrskontrolle geraten und ohne gültige TÜV-Plakette erwischt worden, wie jetzt ein Sprecher auf Anfrage bestätigte. Als er seinen Dienstwagen in der Berliner Innenstadt einparkte, wurde er demnach von einer Polizeistreife darauf hingewiesen. »Da die Plakette aber noch keine vier Wochen abgelaufen war, fiel kein Bußgeld an.«

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          Hier finden Sie den ganzen Hohlspiegel.

          Cartoon des Tages

          Und am Wochenende?

          Könnten Sie natürlich Fußball gucken oder hören (siehe oben). Und am Sonntagabend scheint es sich auch zu lohnen, das Erste einzuschalten: »Der sonst so bitterernste Zürich-‚Tatort‘ kommt als aberwitzige Versuchsanordnung über die Mechanik des Mordens daher«, schreibt mein Kollege Christian Buß. Es gebe »Pointen wie aus dem Akku-Tacker geschossen« (hier mehr dazu). Fast wie in der Lage am Abend.

          Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende. Herzlich,

          Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion

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