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Die Wagenmutige

Automobilpionierin

Die Wagenmutige

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Zum Tanken an die Apotheke: Familie Benz auf Stadtrundfahrt, gezeichnet vermutlich um 1890. imago images

Bertha Benz hat keinen Führerschein – und ihren Mann Carl fragt sie auch nicht, als sie im Jahr 1888 mit dessen Motorkutsche die weltweit erste Autoreise unternimmt.

Selbst ist die Frau – also setzt sich Bertha Benz im Sommer 1888 in das Motor-Gefährt, das ihr Mann Carl erfunden hat, und fährt einfach los. Ausgerüstet mit Werkzeug, einem gerüttelt Maß an Entschlossenheit und in Begleitung ihrer Söhne Eugen und Richard steuert sie auf holprigen Feldwegen von Mannheim nach Pforzheim, wo sie ihre Familie besucht. Die Tour am 5. August 1888 ist nicht nur die erste pferdelose Fernfahrt der Welt, sie ist genaugenommen verboten, lebensgefährlich – und äußerst anstrengend. Ihr Mann wusste nichts von dem Vorhaben, sonst hätte er die 106 Kilometer lange Fahrt sicher verhindert.

Nicht nur, weil seine Frau keinen Führerschein hatte – das weltweit erste Exemplar dieses neuartigen Dokuments hatte Carl Benz selbst erst ein paar Tage zuvor ausgestellt bekommen. Vor allem war es verboten, das patentierte Fahrzeug außerhalb eines bestimmten Gebiets in Mannheim zu fahren.

„Von Bertha Benz können wir die Unverzagtheit und den Mut lernen, Dinge einfach zu tun“, sagt die Historikerin Annette Kehnel von der Universität Mannheim. Bertha Benz, die vor 175 Jahren in Pforzheim geboren wurde, habe ihr ganzes Leben dem Fortschritt verschrieben und eben nicht nur das gemacht, was ihrer Rolle als Frau im 19. Jahrhundert entsprochen habe. „Damit hat sie Weltgeschichte geschrieben.“ Als nach kurzer Fahrt vor Wiesloch das Benzin ausgeht und der Patent-Motorwagen geschoben werden muss, hilft Bertha mit. Zwischendurch „tankt“ sie an Apotheken, das erste Mal an der Stadt-Apotheke Wiesloch. Sie kauft dort einige Liter „Ligroin“ – Waschbenzin, das normalerweise zur Fleckenentfernung verwendet wird.

Kleine Reparaturen erledigt die damals 39-Jährige selbst: Die verstopfte Benzinleitung reinigt sie mit einer Hutnadel, die Zündung repariert sie mit ihrem Strumpfband. Kühlwasser ist alle paar Kilometer nachzufüllen – etwa aus Brunnen und Straßengraben. Und bergauf wird geschoben.

Die Fahrzeugkette flickt ein Schmied. Und Bertha Benz hat unterwegs die geniale Idee, die hölzernen Bremsklötze von einem Schuster mit Leder beziehen zu lassen. Als die drei spätabends nach 13-stündiger Fahrt in Pforzheim ankommen, schicken sie Carl Benz ein Telegramm, mit dem beruhigenden Hinweis: „Sind glücklich und ohne Schaden angekommen.“

Seitdem hat sich viel verändert, der Verbrennermotor ist jedoch geblieben. Könnte Bertha Benz auf die Automobilindustrie heute blicken, würde sie sich im Grab herumdrehen, glaubt Annette Kehnel, die Autorin des Buches „Wir konnten auch anders“ ist. Sie könne nicht verstehen, dass die Nachwelt den stinkenden, lauten Verbrennermotor noch nicht ersetzt habe, um dessen zerstörende Folgen für Umwelt und Klima in den Griff zu bekommen.

Ihre Mitgift rettet die Firma

Als Cäcilie Bertha Ringer am 3. Mai 1849 zu Welt kommt, notiert der Vater: „Leider wieder nur ein Mädchen“. Dieses Mädchen jedoch interessiert sich schon früh für Technik, in der Schule für höhere Töchter ist „Naturlehre“ ihr Lieblingsfach. Sie heiratet den innovativen, aber zunächst erfolglosen Ingenieur Carl Benz (1844-1929). Bertha glaubt an seine Idee einer pferdelosen Kutsche und bewahrt mit ihrer Mitgift das Unternehmen vor dem Bankrott.

Leicht hat es das Paar nicht. Als der erste Motorwagen anno 1885 knatternd, fauchend und stinkend durch die Straßen Mannheims fährt, sind die Menschen überrascht. Der Spott ist groß, als das Gefährt nach kurzer Fahrt stehenbleibt. Trotzdem meldet Carl Benz am 29. Januar 1886 ein selbstfahrendes, dreirädriges Fahrzeug zum Patent an. Aber erst Berthas Langstreckenfahrt verhilft der Idee zum Durchbruch. Die Lebensleistung der Pionierin wird allerdings erst spät gewürdigt: An ihrem 95. Geburtstag ernennt die Technische Universität Karlsruhe sie als erste Frau zur Ehrensenatorin. Zwei Tage später, am 5. Mai 1944, stirbt Bertha Benz in Ladenburg.

Heute ist die berühmte „Bertha Benz Memorial Route“ asphaltiert und ausgeschildert. Das Ziel ist der Platz vor dem Congresszentrum in Pforzheim, der rechtzeitig zum 175. Geburtstag der Pionierin in „Bertha-Benz-Platz“ umbenannt wurde. Die Post verlegt zudem eine Sonderbriefmarke.

Weil Bertha Benz von den Nationalsozialisten vereinnahmt wurde, hatte die Stadt Pforzheim zuvor ihre Haltung überprüft. Das Fazit: Sie habe die Ideologie der Nationalsozialisten nicht aktiv vertreten, sei kein Parteimitglied gewesen und habe sich nie antisemitisch oder auf andere Weise menschenverachtend geäußert. Der Pforzheimer Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) würdigt Bertha Benz als eine Frau mit „echtem Pioniergeist, unerschütterlichem Mut, Intelligenz und Entschlossenheit“.

Christine Süß-Demuth, epd

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