Mercedes will statt in Elektroautos wieder mehr in die Verbrennertechnologie investieren.
Der Markt für Elektroautos kommt in Deutschland einfach nicht in Fahrt. Daher zieht Mercedes-Benz nun Konsequenzen. Der Konzern verabschiedet sich von seinem angekündigten Plan, ab 2030 nur noch rein elektrische Modelle zu verkaufen, und investiert wieder deutlich mehr Geld in Verbrenner. Das erklärte Mercedes-Chef Ola Källenius im Interview mit der Wirtschaftswoche.
Was bedeutet der Kurswechsel konkret? Und wie beeinflusst die Kehrtwende von Mercedes den schwächelnden E-Auto-Markt in Deutschland? Wir haben bei Experten nachgefragt.
Da der Konzern wie viele andere Hersteller damit rechne, dass die Zahl elektrifizierter Hightech-Verbrenner 2030 größer sein werde als gedacht, „werden wir die industriellen Strukturen, die wir heute haben, entsprechend erhalten und effizient nutzen“, heißt es. Die Flexibilität der Werke und Standorte sei wichtig, da der Ausbau der Elektromobilität weniger gut vorankommt als prognostiziert. Mercedes werde nun den elektrifizierten Hightech-Verbrenner „noch einmal richtig“ überarbeiten, sodass „er bis tief in die 2030er-Jahre hält“.
Für 2030 geht der Mercedes-Chef derzeit davon aus, dass 50 Prozent des Absatzes Elektroautos und 50 Prozent elektrifizierte Hightech-Verbrenner ausmachen werden. Sollte dieses Szenario tatsächlich eintreffen, wird das 15-Millionen-Ziel der Bundesregierung noch unwahrscheinlicher. Seit dem Stopp der Kaufprämie für E-Autos durch Wirtschaftsminister Robert Habeck geht die Nachfrage kontinuierlich zurück. Laut Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres insgesamt 140.713 E-Autos in Deutschland zugelassen und somit 15,9 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Ferdinand Dudenhöffer, Gründer des privatwirtschaftlichen Forschungsinstituts Center for Automotive Research (CAR), macht gegenüber der Berliner Zeitung die Bundesregierung für den Kurswechsel des Autoherstellers verantwortlich. „Mercedes macht das nicht freiwillig, die Politik schiebt mit ihrer Arbeit die Elektromobilität immer weiter aufs Abstellgleis.“ Im Maschinenbau für Autos gingen die Aufträge durch die sinkende Nachfrage nach Elektroautos zurück, sodass die Hersteller nun die Anlagen für Verbrenner ausbauen und verlängern würden, um ihre Geschäfte zu sichern.
„Die Politik legt dem Elektroauto einen riesigen Stein in den Weg“, kritisiert Dudenhöffer. Grund sei „neben dem Wegfall der Subventionen Ende 2023“ unter anderem die Tatsache, dass mehrere Politiker aus der Opposition erzählen würden, der Verbrennungsmotor sei die ideale Lösung und kein Mensch benötige Elektroautos. „Wenn ich das den Menschen erzähle, dann muss ich mich nicht wundern, wenn keine Elektroautos gekauft werden.“ Die Hersteller hätten zunächst alle den Electricity-only-Weg eingeschlagen, nun fehle aber die Hilfe der Politik beim Ausbau der Elektromobilität.
Dieser Kurs sei falsch, meint der Autoexperte. „Die Zukunft geht klar in Richtung vollelektrisches Auto.“ In China würden dieses Jahr vermutlich rund sieben Millionen E-Autos verkauft. Und auch hier „werden vollelektrische Autos noch vor 2030 deutlich preisgünstiger und bequemer werden als Verbrenner“, ist sich Dudenhöffer sicher. „Nur springen wir in Europa viel zu spät auf diesen Zug auf und überlassen damit anderen Ländern die Spitzenposition in diesem Industriezweig.“
Die Rettung der Verbrennertechnologie durch den Umstieg auf E-Fuels hält Dudenhöffer derweil für naiv. E-Fuels seien „zu teuer und von der Infrastruktur her nur schwer umsetzbar“. Vielmehr solle die Bundesregierung sich ein Beispiel an Luxemburg nehmen und E-Autos wieder subventionieren. Erst dann werde das 15-Millionen-Ziel der Ampel wieder realistisch. Abschließend sagt Dudenhöffer zynisch: „Oder die Regierung tritt einfach zurück, der traut doch sowieso keiner mehr was zu.“
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