Finanzen

Smart

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

iPhone-Produzent Foxconn aus Taiwan: Wer Smartphone kann, der kann auch Auto

Elektromobilität

iPhone-Produzent Foxconn aus Taiwan: Wer Smartphone kann, der kann auch Auto

iphone-produzent foxconn aus taiwan: wer smartphone kann, der kann auch auto

Tais Chuu vor einem „Model B“. Die Schaltzentrale des E-Autos ähnelt einem überdimensionierten iPhone – und das sei kein Zufall, sagt der Ingenieur.

Der taiwanische Konzern Foxconn baut jetzt E-Autos. Ist das ein Angriff auf europäische Hersteller? Eine Reportage.

Dieser Wagen spricht junge Leute an“, sagt Tais Chuu, breitbeinig hinter dem Lenkrad sitzend, und tippt auf einem sehr großen Touchscreen herum. In der Mitte der eher kleinen Limousine ragt der Bildschirm vom Getränkehalter bis zur Windschutzscheibe. Heizung und Musik sind dort regelbar, auch Nachrichten werden angezeigt und die Möglichkeit, weitere Apps zu installieren. „Die Funktionen können wir den Wünschen unserer Kunden anpassen“, versichert Chuu. Aber wie ein überdimensioniertes iPhone werde die Schaltzentrale immer aussehen.

Die Ähnlichkeit zu den beliebten Smartphones von Apple ist kein Zufall: Tais Chuu arbeitet für Foxtron, ein vor vier Jahren gegründetes Unternehmen, dessen größter Eigner Foxconn heißt. Foxconn hat bei iPhones Expertise vorzuweisen. Kein Unternehmen weltweit baut so viele Apple-Telefone wie der Konzern aus Taiwan. „Aber jetzt bringen wir unser Know-how in einen neuen Geschäftsbereich ein“, prahlt Ingenieur Chuu. In Gestalt von Foxtron baut Foxconn nun eben auch Elektroautos.

Bis 2025 will der Newcomer einen Marktanteil von fünf Prozent erreichen

Ein Handyfertiger stößt ins Autogeschäft vor: Was bis vor kurzem als Zeichen für unternehmerischen Größenwahn gegolten hätte, ergibt inzwischen durchaus Sinn. Autos sind zusehends zu fahrenden Robotern geworden. Telefone werden nicht mehr Handys genannt, sondern Smartphones, weil sie intelligent sind. Nicht umsonst gibt es heute den Spruch, ein Auto sei ein Smartphone auf Rädern. In New Taipei City, einer Metropole neben der taiwanischen Hauptstadt Taipeh, will Foxconn nun zeigen, dass das mehr als ein Spruch ist.

Die Pläne sind groß. Für 2025 hat CEO Young Liu das Ziel ausgegeben, im boomenden Geschäft für E-Autos auf einen Marktanteil von fünf Prozent zu kommen. Schon wegen der Größe des Mutterkonzerns ist anzunehmen, dass es für den Versuch zumindest nicht an Ressourcen mangelt: 2022 beschäftigte Foxconn weltweit eine Dreiviertelmillion Menschen, nahm 216 Milliarden US-Dollar ein, also knapp die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts von Österreich. Neben Smartphones wurden bei Foxconn auch schon Playstations und andere Elektroprodukte zusammengebaut.

9000 Bestellungen hat die Firma bereits vorliegen

In einem Gewerbegebiet in New Taipei City, zwischen Filialen etablierter Autobauer von Nissan bis Mitsubishi, steigt Tais Chuu aus dem „Model B“, einem der ersten Pkw des Unternehmens, und schiebt die Sakkoärmel hoch. „Wir können etwas bieten, was kaum ein Marktteilnehmer hat“, behauptet der Verantwortliche für Geschäftsentwicklung wie ein Autoverkäufer des alten Schlags. Man komme über günstige Preise, könne selbst einen gerade entwickelten E-SUV für rund 30 000 US-Dollar anbieten. „Wir haben auch schon 9000 Bestellungen.“

Ist es der große Angriff auf BMW, Audi und andere etablierte Autobauer? In New Taipei wird beschwichtigt. „Unsere Stärke sehen wir nicht so sehr im ganzen Auto“, sagt Jimmy Huang, Sprecher von Foxconn. „Sondern in der elektrischen und digitalen Infrastruktur, die dem Fahrzeug zugrunde liegt.“ Autokonzerne wie VW, Toyota oder General Motors sehe man daher nicht als Konkurrenten, sondern als Partner. „Wir führen im Moment Gespräche mit mehreren Unternehmen, um unsere Technologie maßgefertigt an sie zu verkaufen“, so Huang.

Der SUV und die Kleinlimousine, in denen Tais Chuu gerade noch saß, werden unter der Marke Luxgen verkauft, die Foxtrons taiwanischem Miteigner Yulon Motor gehört.

Die Diversifizierung des Geschäfts hat auch geopolitische Gründe

Für Foxconn, das auf der Liste des US-Magazins Fortune der weltweit umsatzstärksten Unternehmen Platz 27 belegt, gehört der Vorstoß zu einer größeren Diversifizierungsstrategie. Sie hat nicht zuletzt geopolitische Hintergründe. Denn im Geschäft für Smartphonefertigung ist der Konzern vor allem in China aktiv, wo der Wind ziemlich rau geworden ist. Das kommunistische Festlandchina betrachtet die demokratisch und unabhängig regierte Insel Taiwan als Teil seines eigenen Territoriums, droht immer wieder mit einer Invasion. Lange Zeit musste Foxconn, das auf dem chinesischen Festland Hunderttausende Arbeitsplätze bietet, keine Repressalien befürchten. Doch zuletzt sah es anders aus. Terry Gou, Gründer von Foxconn und eine schillernde Figur der taiwanischen Öffentlichkeit, hatte im Sommer verkündet, bei der taiwanischen Präsidentschaftswahl im Januar anzutreten. Er sah sich als idealer Kandidat: Einerseits vertrete er als Taiwaner die Interessen Taiwans, andererseits habe er als Investor einen guten Draht nach Peking.

Wenn Apple China verlässt, wird es für Foxconn schwierig

Aber nachdem er im Wahlkampf verkündet hatte, er würde sich von niemandem was sagen lassen, auch von Peking nicht, begannen chinesische Steuerbehörden, sich die Bücher von Foxconn genauer anzusehen. Beobachter:innen interpretieren das Vorgehen als Revanche für Gous forsche Äußerungen. Für Foxconn, dessen Gründer Gou seine Präsidentschaftskandidatur schließlich zurückzog, kommt hinzu: Apple, der wichtigste Auftraggeber, erwägt selbst einen Abzug aus China. Auch deshalb muss sich Foxconn umorientieren.

In Taiwans Politik wird es begrüßt, wenn sich eines der größten Unternehmen des Landes strategisch breiter aufstellen will. Dem existenziell bedrohten Taiwan könnte das ökonomisch wie sicherheitspolitisch helfen. „Wir haben über die letzten Jahre versucht, weniger abhängig von China zu werden“, sagt etwa Chiu Wen-Li, die bei der Regierungspartei DPP das Referat für internationale Beziehungen leitet. Taiwans größter Handelspartner ist aber bis heute China – jener Staat, der Taiwan notfalls mit Zwang unter seine Kontrolle bringen will.

US-Strafzölle

Die US-Regierung hatte in dieser Woche angekündigt, ihre Sonderzölle auf E-Autos und andere Produkte aus China anzuheben. Damit verschärft sich der Handelskonflikt zwischen den beiden Mächten.

Elektroautos aus China sollen bei der Einfuhr in die USA künftig mit einem Sonderzoll von 100 Prozent belegt werden. Zudem verhängt die US-Regierung neue oder stark erhöhte Zölle unter anderem für Solarzellen, Halbleiter, Hafenkräne und Medizinartikel wie Kanülen und Schutzmasken. Die Vereinigten Staaten werfen Peking vor, den Wettbewerb durch hohe staatliche Subventionen zu verzerren.

Einer Simulationsrechnung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zufolge haben die US-Zölle für sich genommen kaum Auswirkungen auf den Handel zwischen der EU und China. „Insbesondere die von den USA aus China importierten Elektroautos sind zahlenmäßig so gering, nur 12 000 Stück pro Jahr, dass eine Umleitung in andere Zielmärkte praktisch nicht zu spüren ist“, berichtete das IfW. Ausweichmärkte dürften demnach vor allem Kanada und Mexiko sein. dpa

Peter Lim, Ökonom und ehemaliger Entwicklungsminister für die heute oppositionelle Partei KMT, beklagt: „Wir sind ökonomisch viel zu abhängig von unserer Halbleiterindustrie“. Denn einerseits produziert Taiwan – und hier allen voran der Konzern TSMC – mehr als die Hälfte aller Mikrochips weltweit. Auch China ist auf funktionierende Fabriken in Taiwan angewiesen, da die chinesische Industrie ohne die Chips straucheln würde. Solange Taiwans Betriebe hier von systemischer Bedeutung sind, ist eine Invasion durch die chinesische Volksarmee unwahrscheinlich.

Der Bau neuer Halbleiterfabriken andernorts schwächt Taiwan

Andererseits: Gerade weil die globalen ökonomischen Verwerfungen enorm wären, falls China doch angreifen sollte, haben mehrere Staaten Druck auf TSMC ausgeübt, auch in den USA, Japan und der EU Fabriken zu errichten. Mehrere Fertigungsstätten befinden sich nun in Bau. Das hat Taiwan eher geschwächt. Denn künftig wird man anspruchsvolle Halbleiterprodukte auch von anderswo beziehen können. Könnte die Insel eine neue Branche von ähnlicher Bedeutung aufbauen?

„Im E-Auto-Bereich könnten wir ein neuer großer Player werden“, glaubt Steve Lim. Der Oppositionspolitiker ist nicht der Einzige, der Foxtron – dem nach eigenen Angaben nun ersten E-Auto-Hersteller Taiwans – viel zutraut. Bill Russo, CEO der auf die Autoindustrie spezialisierten Beratungsfirma Automobility, sagt zu den Anforderungen für den Bau von Elektrofahrzeugen: „Das klingt ziemlich nach dem, was Foxconn heute schon baut. Viele Bildschirme, viele Chips, vieles, was sie in großen Mengen machen können, um Kosten zu sparen.“

Bis 2030 sollen in Taiwan alle Busse elektrisch fahren

Erste Partnerschaften hat Foxtron unterzeichnet, etwa mit dem saudi-arabischen Staatsfonds PIF. Die gemeinsame Marke Ceer soll dazu beitragen, Saudi-Arabien vom Öl unabhängig zu machen und E-Autos zum Standard im Mittleren Osten zu machen. Komponenten für das Projekt kommen von BMW. Auf taiwanischen Straßen fahren bereits E-Busse von Foxconn. Bis 2030 sollen alle Busse, so gibt es Taiwans Regierung vor, elektrisch sein.

Ob sich der Konzern, der Smartphones bauen kann wie kein anderer, aber im Geschäft für E-Pkw durchsetzen kann, ist nicht sicher. So spart Foxtron den chinesischen Markt, den mittlerweile größten für E-Autos, gezielt aus. „Politik muss immer mitgedacht werden“, sagt Chuu, was sich einerseits wohl auf die Bemühung des Mutterkonzerns bezieht, sich von China weniger abhängig zu machen.

Andererseits gesteht man sich im Hause Foxtron ein: Bei den Kampfpreisen, die auf dem chinesischen Markt geboten werden, könne man nicht mithalten.

Volkswagen entschied sich für einen anderen Partner

„Wir wollen uns auf Südostasien, Nordamerika und Europa konzentrieren“, sagt Foxconn-Sprecher Jimmy Huang. Gespräche laufen mit Start-ups im Automobilsektor sowie Anbietern von Carsharing-Diensten und Mietwagen. Aber konkrete Deals sind dabei noch nicht herumgekommen. Verhandlungen mit VW sind Anfang des Jahres offenbar gescheitert: Der Wolfsburger Autobauer plant, die alte Pick-up-Marke Scout als Elektroversion wiederzubeleben. Obwohl Foxtron für die Fertigung das günstigste Angebot machte, scheint sich VW für den austro-kanadischen Fertiger Magna entschieden zu haben.

Eine Begründung, die in der Branche kursiert, könnte aber auch als Kompliment für Foxtron gelesen werden: Warum, so hieß es in VW-Kreisen, sollte man mit einer Firma kooperieren, die zu einem Konkurrenten auf dem Markt für E-Autos werden könnte? Perspektivisch ist der größte Smartphone-Bauer der Welt sehr wohl eine Bedrohung für die Autobranche, bei deren Kundschaft die Liebe für alteingesessene Marken nachzulassen scheint.

„Beim Bau der Busse haben wir schon einiges gelernt“, sagt Tais Chuu und streicht über das Heck des „Model B.“ Bei der digitalen Plattform, dem Herzstück eines jeden E-Fahrzeugs, habe man zuletzt die gesamte Kabellänge reduzieren und die Computerstärke auf platzsparende Weise erhöhen können. So lasse sich die eigene Architektur immer besser verschiedenen Fahrzeugtypen anpassen. Viele traditionelle Autobauer haben hier Probleme.

Kommentar Seite 15

TOP STORIES

Top List in the World