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Ford Scorpio II (1994-1998): Klassiker der Zukunft?

Wer hat sich vor 30 Jahren nur dieses Design ausgedacht?

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Unsere geschätzten Leser haben bestimmt schon einmal die Rubrik “Kennen Sie den noch?” studiert. Dort stellen wir Autos von früher vor, die inzwischen fast vergessen sind. Doch was ist mit den Modellen, die durchaus noch zahlreich im Straßenverkehr umherfahren? Jene Typen, die jeder kennt, die schon deutlich über 20 Jahre, teilweise aber auch viel weniger auf dem Buckel haben.

Werden sie einmal Oldtimer? Das birgt Zündstoff für kontroverse Diskussionen. Einige dieser Modelle wollen wir in unserer Reihe “Klassiker der Zukunft?” vorstellen. So wie ein bis heute umstrittenes Modell, welches dieses Jahr seinen 30. Geburtstag feiert: Den Ford Scorpio II.

Bildergalerie: Ford Scorpio II (1994-1998)

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Man kann den Ford Scorpio durchaus als Meilenstein der Automobilgeschichte sehen: Er ist 1986 das erste Großserien-Auto mit serienmäßigem ABS und der letzte große Ford. Diese Tatsache ist Pluspunkt und Stigma zugleich. Er gilt vielen als Totengräber der Granada-Idee und Flop. Der Scorpio verkauft sich im gleichen Zeitraum wie der Granada (13 Jahre) nur halb so gut, nämlich rund 850.000-mal.

Modellwechsel mit bizarrem Design

1994 erfolgt schließlich ein Modellwechsel (eigentlich eine große Modellpflege), die dem Scorpio den Rest gibt. Die Optik hat Ford im amerikanischen Stil modernisiert. An das Limousinen-Heck mit den schmalen Rückleuchten können sich die Kunden vielleicht noch gewöhnen, aber die glupschäugige Front schießt den Vogel ab.

Ford Scorpio II (1994-1998)

Die zweite Generation des Scorpio, die im Oktober 1994 auf dem Pariser Autosalon vorgestellt wird, ist nur noch als Limousine oder Kombi erhältlich; die Schrägheckvariante entfällt. Die Baureihe hat weitgehend die gleiche Bodengruppe wie sein Vorgänger und verfügt über die gleichen Motoren, die auch am Ende der ersten Generation verwendet werden.

Sechszylinder von Cosworth

Ein 2,3-Liter-Vierzylinder mit 147 PS Leistung löst den 2,4-Liter-V6 ab, ganz oben rangiert der von Cosworth versportlichte 2,9-Liter-V6 mit nun 207 PS. Nur: Auch den damals neuen Ford Mondeo gibt es mit 170 PS starkem V6 und vor allem mit gefälligerem Design. Für weniger Geld. Kein Wunder also, dass nicht einmal 100.000 Exemplare des zweiten Scorpio vom Band laufen. 

Zwischen der ersten und der zweiten Generation des Scorpio hat Ford zahlreiche Verbesserungen an der Aufhängung und dem Fahrverhalten vorgenommen. Außerdem gestaltet man Nummer 2 sowohl innen als auch außen radikal um. Die Türgriffe stammen übrigens vom Ford Crown Victoria.

Lob und Tadel

Trotz des umstrittenen Designs werden die luxuriöse Innenausstattung, das Fahrverhalten und die Leistung von den Kritikern allgemein gelobt. Jeremy Clarkson erklärt, der Ford sei “genauso talentiert” wie der Opel Omega, einer der Hauptkonkurrenten des Scorpio, zudem “gut gemacht… extrem gut ausgestattet, in Anbetracht seiner Größe ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis”. Im Allgemeinen wird dieses Lob jedoch von der Kritik am Design überschattet.

In Deutschland meint der ADAC, über Geschmack ließe sich nicht streiten und nennt die Formgebung “unkonventionell”. Lob gibt es für die gute Verarbeitung, Tadel für die unübersichtliche Karosserie und den ruppigen 2,5-Liter Turbodiesel. Der Scorpio 2.0i 8V mit 115 PS als Basismodell kostet anfangs 40.470 DM, über 5.000  Mark weniger als ein gleich starker BMW 518i.

Ein letztes verzweifeltes Facelift

Im September 1997 erhält der Scorpio ein Facelift mit dunkleren Scheinwerfereinfassungen und einem dezenteren Kühlergrill, um die Frontpartie des Fahrzeugs zu betonen. Die eigenwilligen Rückleuchten werden ebenfalls überarbeitet, um das “plumpe” Heck des Wagens weniger bauchig zu machen. Trotz der Pläne, 1998 ein neues Modell auf den Markt zu bringen, endet die Scorpio-Produktion im Sommer 1998.

Unabhängig davon, ob der Wagen tatsächlich die Verkaufserwartungen von Ford erfüllt oder nicht, bedeutet der sich wandelnde europäische Automarkt Ende der 1990er-Jahre, dass der Scorpio keinen direkten Nachfolger bekommt. Das ist damals nicht ungewöhnlich, denn der Markt tendiert entweder zu hoch ausgestatteten großen Familienautos für Führungskräfte oder zu Mehrzweckfahrzeugen für Familien, während die bürgerlichen Marken das E-Segment allmählich an Premium-Marken wie BMW, Mercedes-Benz und Audi abtraten.

Königlicher Scorpio

Das niederländische Königshaus nutzt seinerzeit übrigens mehrere Scorpios, darunter auch einige gestreckte Fahrzeuge, die alle in Königsblau lackiert sind. In den königlichen Stallungen befindet sich noch immer ein speziell angefertigter Scorpio Landaulet. Nachdem Ford die Produktion einstellt, ersetzt der Volvo S80 die Ford-Modelle.

Kurzzeitig liebäugelte man bei Ford damit, den Lincoln LS aus den USA zu importieren. Inzwischen sind aber Volvo und Jaguar unter dem Ford-Dach gelandet, beide Marken bilden gemeinsam mit Aston Martin die “Premier Automotive Group”. Vereinfacht gesagt, sollen um das Jahr 2000 herum der Volvo S80 und der Jaguar S-Type die Scorpio-Kunden von einst abholen.

Wenn zu Lebzeiten beide Generationen des Ford Scorpio die Sehgewohnheiten irritieren, so liegt heute gerade in der manchmal bizarren Optik ein besonderer Reiz. Natürlich: Die Optik muss man mögen. Vielleicht sollte man sich aber auch sagen: Eigentlich ist der Scorpio letztlich nur ein Granada in (zu) modern.

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