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FCK-Boss Hengen: "Es geht immer um die Sache, nie um Sympathie"

Mit Mut, Entscheidungsfreude und klarer Linie führt Thomas Hengen Kaiserslautern. Nach dem Aufstieg muss der Manager jetzt die Strukturen wiederaufbauen.

Führte den FCK wieder nahe an die Bundesliga heran: FCK-Boss Thomas Hengen.

Kaiserslauterns Geschäftsführer im kicker-Interview

Die Ordner mit der Aufschrift “Verträge Profis” und “Berater” sind genau im Blickfeld der Besucher platziert. Der Inhalt bleibt natürlich Verschlusssache, leider. Denn wie Thomas Hengen Leistungsträger zu Vertragsverlängerungen bewog, wie er namhafte Neuzugänge auf den Betzenberg lotste – das ist ein wesentlicher Teil der aktuellen Erfolgsgeschichte.

Spannende Einblicke gibt der Geschäftsführer in seinem Büro dennoch, als ihn der kicker vor dem Rückrundenauftakt am Samstag bei Hannover 96 besucht.

Herr Hengen, Sie haben “think positive” mal als ihr Lebensmotto bezeichnet. Anders hätten Sie den Job im März 2021 auch gar nicht antreten können, oder?

Das ist ja eine Grundeinstellung. Man kann natürlich immer das Schlechte sehen. Ich schaue aber immer auf das Positive und die Chancen. So habe ich das hier auch gehandhabt.

Der FCK stand damals mit einem Bein in der 4. Liga. Mussten Sie da nicht sehr selektiv schauen, um die Chancen größer zu gewichten als die Risiken?

Eine Garantie gibt es nie, das etwas gut geht. Ich habe die Entscheidung in vollem Bewusstsein mit allen möglichen Konsequenzen getroffen. Das ganze Leben ist ein Risiko. Wenn man sich aber nur damit beschäftigt, ist man nur noch dabei, alles zu vermeiden. Ich lenke meine Energie auf das, was ich verändern kann.

Aber im Ernst: Jeglicher verantwortliche Posten beim FCK glich vor zwei Jahren einem Himmelfahrtskommando. Gab es keinerlei Bedenken, dass es die falsche Entscheidung sein könnte?

Was ist schon richtig und was falsch? Ich habe geschaut: Was können wir erreichen, wo können wir hin, was ist die Vision? Es war vor allem für meine Familie ein weitreichender Schritt. Denn für mich war klar: Wenn ich es mache, mache ich es richtig, oder lasse es. Die Konsequenz war ein Umzug, ein neues Umfeld, ein neuer Freundeskreis für die Kinder. Ich habe den Schritt nur voller Überzeugung machen können, weil ich die 100-prozentige Rückendeckung der Familie hatte.

Sie haben viel erlebt in den knapp zwei Jahren ….

… es war intensiv, das kann man so sagen (lacht).

Was war seitdem der größte Erfolg? Der Klassenerhalt 2021, der Aufstieg 2022 oder der vierte Tabellenplatz nach der Hinrunde in der 2. Liga?

Das ist Schubladendenken. Erfolg kann man zwar an Zahlen und Titeln messen. Für mich ist in erster Linie aber die Leidenschaft, der Zusammenhalt, das, was hier wächst, der größte Erfolg. Nicht nur auf dem Platz, auch in der Geschäftsstelle. Auch die Gremien verstehen, was es heißt, kontrovers zu diskutieren und trotzdem nichts persönlich zu nehmen. Es geht immer um die Sache, nie um Sympathie. Die wichtigste Message bei uns ist: Jeder ist wichtig, aber keiner darf sich wichtiger nehmen als das große Ganze. Dass der sportliche Erfolg den ganzen Prozess vereinfacht, ist selbstverständlich.

Ruhe in den Gremien ist das Stichwort – das war lange nicht so. Braucht es die Ruhe, um erfolgreich zu sein oder sichert erst der Erfolg die Ruhe?

Beides. Ich kann nur über die Zeit sprechen, in der ich hier bin. Da habe ich es wohlwollend zu Kenntnis genommen, dass sich alle etwas zurückzunehmen, aber voll im Thema und der Diskussion sind. Jeder hier hat einen Beitrag am Erfolg. Wenn alle paar Wochen jemand zurücktritt, lenkt das auch in der Mannschaft den ein oder anderen ab. Da ist die jetzige Situation anders. Der Sport sollte bei einem Fußballverein auch immer im Mittelpunkt stehen.

Dass Sie dem Klub besonders verbunden sind, liegt auf der Hand. Von 1992 bis 1996 und 2001 bis 2004 absolvierten Sie 132 Pflichtspiele für den FCK, waren auch Kapitän. Jetzt wirken Sie wie ein Ruhepol. Wie schaffen Sie es, die Emotionen von sich fernzuhalten?

Es fällt gar nicht schwer. So ist eben meine Art. Ich finde es super, dass der Verein so emotional tickt. Auch ich kann manchmal emotional werden, auch wenn man es nicht glaubt. Der eine sagt ruhig, der andere besonnen. Ich freue mich auch, nur eben anders. Ich will mich auch nicht künstlich verstellen oder überkandidelt in die Kurve rennen. Schlimm wäre, wenn ich Entscheidungen aus der Emotion heraus treffen würde. Da darfst du dich nie emotional packen oder beeinflussen lassen.

Spüren Sie mehr Verantwortung, weil sie für “ihren” Verein arbeiten?

Nein. Die Verantwortung ist so oder so groß. Wenn du hier im März vor zwei Jahren anfängst, mit einem Bein in der 4. Liga stehst und die ganzen Mitarbeiter in der Geschäftsstelle und im NLZ siehst, weißt du, was ein Abstieg für Konsequenzen haben könnte. Da gibst du sofort 100 Prozent.

Sind Sie eher auf Sicherheit bedacht oder mögen Sie das Risiko?

Diese Denkweise habe ich nicht. Was passieren kann bei welchen Eventualitäten … damit kann ich wenig anfangen.

Als Sie nach der Geburt ihres Sohnes Ihre Harley Davidson verkauft haben, spielte Risikovermeidung also keine Rolle?

Jeder Lebensabschnitt hat seine Zeiten. Wenn du ohnehin mit dem Sohn im Sandkasten sitzt, wenn die Sonne scheint, hast du keine Zeit mehr Motorrad zu fahren. Für mich sind solche Dinge Gebrauchsgegenstände. Wenn du sie nicht nutzt, verkaufe sie.

Das Risiko bei ihrem Trainerwechsel direkt vor der Relegation lässt sich nicht leugnen. War es die schwerste Entscheidung ihrer Karriere?

Nach außen hin war das vielleicht so. Für mich war die Entscheidung weniger schwieriger als für das Umfeld. Ich hatte das Gefühl, wir müssen einen neuen Impuls setzen, um die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs zu erhöhen. Es hätte auch schief gehen können, dann hätte ich vielleicht ein größeres Problem gehabt. Aber da meine Denkweise so nicht ist, hat dieser Gedanke keine Rolle gespielt

In seiner Struktur, speziell der Personalstärke und im Scouting hinkt der FCK nach vier Jahren in der 3. Liga vielen Konkurrenten hinterher. Wie lange dauert es, diesen Rückstand wieder aufzuholen?

Wie lange, das kann ich nicht sagen. Aber wir müssen schon Gas geben, damit wir schritthalten können. Zum einen mit der Konkurrenz, zum anderen mit unserem sportlichen Erfolg. Aber auch hier müssen wir aufpassen, nicht zu schnell zu groß zu werden, sondern uns erstmal zu stabilisieren. Jetzt heißt es schnellstmöglich die 40 Punkte voll machen und dann strukturell nachziehen.

Sie sagen: “Nicht zu schnell zu groß werden”. Heißt das, ein erneuter Aufstieg käme zu früh?

Das habe ich nicht gesagt. Wir sträuben uns nicht gegen Erfolg. Trotzdem brauchen wir Zeit, um die Strukturen dahinter wieder aufzubauen.

Sie sind als alleiniger Geschäftsführer für den sportlichen und wirtschaftlichen Bereich verantwortlich. Ist dieses Mammutpensum in der 2. Liga überhaupt zu stemmen?

Ob es hier früher aber mal zwei Geschäftsführer oder drei Vorstände gab, spielt aktuell keine Rolle. Genauso wenig wollen wir die Struktur von gestandenen Bundesligisten kopieren. Jeder Verein ist einzigartig. Wir sind auch aktuell gut aufgestellt, wollen uns aber weiter optimieren.

Was ist da der nächste Schritt?

Wichtig ist, dass wir die Inhalte abarbeiten können. Der Sport spielt da die erste Geige. Der Aufwand wird immer größer. Ein Kaderplaner würde in der täglichen Arbeit schon helfen. Wir wollen hier eine Struktur gut ausarbeiten, damit jeder weiß, was er zu tun hat. Auch das NLZ ist ein Thema. In den letzten Jahren waren dafür keine Mittel da, hier wollen wir uns infrastrukturell verbessern.

Die Verantwortung des wirtschaftlichen Bereich war für Sie Neuland. Das können Sie weiterhin allein abdecken?

Ich bin zwar dafür zuständig, allein kann ich es aber nicht machen. Ich habe mich reinarbeiten müssen. Wir haben im finanziellen Bereich aber unsere Experten, eine sehr gute kaufmännische Leitung und Buchhaltung. Jede Lizenzierung ist genauso gelaufen, wie es laufen sollte. Unsere Mitarbeiter sind es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und haben unsere volle Rückendeckung.

Die Jahre in der 3. Liga haben auch finanziell ihren Schaden angerichtet. Lautern ist Schlusslicht bei den Medienerlösen und auch in der 2. Liga auf Investorengelder angewiesen. Löst perspektivisch nur die Rückkehr in die Bundesliga dieses Abhängigkeitsverhältnis auf?

Mit einem Blick auf die Fernsehgeldtabelle, lässt sich das ausrechnen. Es ginge auch in der 2. Liga, dann müssen wir aber eine brutale Konstanz an den Tag legen. Die finanziellen Kosten für das Stadion sind ja schon länger bekannt und wir sind in sehr guten Gesprächen mit der Stadiongesellschaft und werden uns diesbezüglich schnellstmöglich mit der neuen Bürgermeisterin oder dem neuen Bürgermeister unterhalten.

Zu der Pacht in Höhe von 2,4 Millionen Euro kommen weitere vier Millionen Euro, die der FCK diese Saison für Sanierung und Unterhalt ausgibt – für ein Stadion, das ihm nicht gehört. Ist ein Rückkauf perspektivisch die einzige Lösung?

Aktuell wäre das denke ich nicht realistisch, aber natürlich werden ständig Modelle und Möglichkeit besprochen.

Je dünner das Budget, desto schwerer wiegen Fehler. Ob mit Spieler oder dem Trainer, bisher saßen all ihre Verpflichtungen. Gibt es ein Erfolgsrezept?

In unserer Situation bekommst du nicht immer alles, was du willst. Du musst auch mal Kompromisse eingehen. Bei aller Vorarbeit musst du dir am Ende immer im persönlichen Gespräch ein Bild machen. Der Charakter und Mentalität sind ganz extrem wichtig. Du kannst ja auch mal verlieren, die Frage ist aber: Wie gehst du damit um? Wir versuchen immer klar zu sein, ehrlich, nichts vorzuspielen.

Das haben vor Ihnen schon andere versucht. Warum funktioniert es jetzt so gut?

Es ist natürlich auch leichter, wenn du Erfolg hast. Bei uns gönnt es jeder dem anderen. Darum geht es. Das man Erfolg hat, auch persönlich, aber am Ende alle das Große und Ganze sehen. Da haben wir schon eine relativ hohe Trefferquote, was aber auch an den Jungs liegt, die den Weg so mitgehen.

Wo kann das in der Rückrunde hinführen?

Die Mannschaft zeigt, dass sie hungrig ist. Ich hoffe, dass das so bleibt. Nichts macht bequemer als Erfolg. Es wird interessant zu sehen, wie der ein oder andere sich unter den neuen Voraussetzungen präsentiert. Du wirst jetzt nicht mehr unterschätzt werden, du bist jetzt nicht mehr der kleine Aufsteiger. Du bist jetzt auf der Agenda. Jeder will dich schlagen.

„Dieser Hunger, diese Passion, das zu erleben, was Fußball auf dem Betzenberg ausmacht, das brauchst du.“ (Thomas Hengen)

Welche Rolle kann der FCK langfristig im deutschen Fußball spielen?

Das ist selbstredend. Wer in einem Profiklub arbeitet, der hat Ambitionen, der will das maximale erreichen. Was das ist und wie schnell das passiert, kann keiner voraussagen. Was du hier mit dem Publikum für eine Wucht und Emotionen erzeugen kannst, wenn alle an einem Strang ziehen, das ist einzigartig. Das Spiel gegen Darmstadt … da bekommst du Gänsehaut und fragst dich, was hier eigentlich los ist. Dieser Hunger, diese Passion, das zu erleben, was Fußball auf dem Betzenberg ausmacht, das brauchst du. Den Spielern muss bewusst sein, dass du hier so einen Kick bekommst und nochmal ein paar Prozent aus dir rausholen kannst und das Geld auf dem Konto nicht alles ist. Wenn du 2:0 gewinnst, aber 5:0 hättest gewinnen können, darfst du nicht zufrieden sein. Das fängt in der Jugend an. Wenn du aufhörst, dich verbessern zu wollen, dann ist es vorbei.

Ist das heute schwieriger zu vermitteln, weil es früher vielleicht selbstverständlicher war?

Die Zeiten sind anders. Ich mache das der heutigen Generation auch nicht zum Vorwurf. Das ist so, wie es ist. Die Gehälterschraube geht seit Jahren nach oben. Das ist für die Spieler auch schön. Aber es darf in der Jugend nicht nur wichtig sein, viel Kohle zu verdienen. Aber schon dort werden aggressiv Spieler abgeworben. Dazu wird den Eltern, die vielleicht gerade keine Arbeit haben, ein Job angeboten. Was willst du den Familien da für einen Vorwurf machen? Das ist nachvollziehbar. Ob es am Ende gut ist, wissen wir nicht. Der eine schafft es, der andere nicht. Auch mit Blick auf die sozialen Medien beneide ich die Jungs heute nicht.

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