Ssangyong

Fahrbericht SsangYong Torres EVX

Eigentlich wollen Sie einen Hardcore-Geländegänger. Doch weder Broncho, Defender, G oder Wrangler gibt es bis jetzt rein elektrisch und ganz eigentlich brauchen Sie das auch gar nicht wirklich – genau dafür gäbe es jetzt den SsangYong Torres EVX.

fahrbericht ssangyong torres evx

(erschienen bei VISION mobility von Redaktion (allg.))

Als Benziner rollt das nach einem Nationalpark in Chile benannte SUV schon länger, wahlweise mit Front- oder Allradantrieb vom Band, jetzt stellt Ssangyong oder KG Mobility, wie man sich künftig nennt, einen Stromer zur Seite. Auch er macht optisch eher auf Hardcore- denn Softroader, ist eigentlich aber Letzteres. Optisch macht er schon mal einen guten Eindruck, denn die Hamsterbackigkeit des Verbrenners haben die Designer mit einer geänderten Schürze und LED-Leuchten vorn etwas entschärft.

Die E-Plattform ist ganz neu und entstand erstmals in Zusammenarbeit mit BYD! Bisher in Asien eher ein No-Go. Doch nachdem SsangYong auch schon unter indischer Mahindra-Flagge segeln musste, ist man für Kooperationen offen. Trotzdem: Bei den LED-Rückleuchten ließ man sich den Trigrammen der koreanischen Nationalflagge inspirieren. Auch das „Yi“-Symbol, das für Sonne und Feuer steht, ist ein Tribut an das koreanische Erbe – wie auch die Endung „yong“ es wäre, die man aber perspektivisch KG Mobility opfern wird – was in Deutschland auch für eine Unternehmensberatung in diesem Bereich stehen könnte…

Der Torres EVX nutzt BYDs „Blade-Batterie“ mit Lithium-Eisen-Phosphat-Technik

Doch zurück zum Akku: Der Torres EVX nutzt die sogenannte „Cell to Pack“-Technik: Die rechteckigen schlanken Blade-Zellen werden direkt in die Batterie montiert, um laut Pressemappe „eine höhere Energieeffizienz und verbesserte Sicherheit bei hoher Haltbarkeit zu gewährleisten“ – bei BYD kennt man diese Bestückung als „Blade-Technik“, da die Zellen wie Rasierklingen hintereinanderstehen. Und ja, sie sind sehr brand- und aufprallsicher. Ganz stark: KG Mobility gewährt auf diesen Akku  über zehn Jahre bzw. eine Million Kilometer Schutz vor einem größeren Leistungsabfall – das bietet sonst so offensiv bisher nur Toyota an.

Die Papierwerte entsprechen dem Durchschnitt der 4,7-Meter-SUV-Mittelklasse, heißt: Ein von BYD gelieferter 73,4-kWh-Lithium-Eisen-Phosphat (LFP)-Akku mit 73,4 kWh und 390,4 Volt Spannung. Er soll bis zu 462 Kilometer Reichweite nach WLTP ermöglichen, wovon im kühlen Istanbul eher 350 plusminus x blieben. So weit, so erwartbar. Auch die Ladeleistung ragt nicht aus der Masse heraus: Ssangyong nennt 37 Minuten auf den Hub von 10 auf 80% DC, was einer durchschnittlichen Ladeleistung von gut 83,3 kW entspricht – an einer 300-kW-Säule, an einer 100-kW-Säule bräuchte man 42 Minuten Geduld, was zeigt, dass die Top-Ladeleistung zumindest zeitweise über 100 kW liegt. AC kann bei 11 kW dreiphasig binnen neun Stunden laden. Ärgerlich: Die wichtige Wärmepumpe ist erst ab der Topausstattung „Titanium“ serienmäßig an Bord.

Auch beim Antrieb bleibt man dezent: 152 kW/207 PS Leistung und 339 Nm Drehmoment entsprechen mittlerweile eher dem unteren als dem oberen Powerniveau der Klasse, reichen zum feinen Mischwimmen in und um Istanbul allerdings vollkommen aus. Hilfreich sind abseits befestigter Wege, die man hier durchaus schnell findet, die großen 20-Zöller, die die Bodenfreiheit auf immerhin 169 Millimeter heben. Und weil der Torres EVX mit seiner angedeuteten Reserveradabdeckung am Heck gern auf aufrechten Offroader macht, liefert man auch zu den Rampen- und Böschungswinkel Daten: Ersterer beträgt 15,3 Grad, Letztere vorn 18,3 Grad und hinten 20,8 Grad, was für die Fahrzeuggattung gar keine so üblen Werte sind. Auch der Wendekreis fällt für ein elektrisches Fronttriebler-SUV von 4,7 Meter Länge mit 10,84 m Durchmesser vergleichsweise kompakt aus. Rund um das Fahrzeug verteilte Kameras liefern ein 360-Grad-Bild des Fahrzeugs aus der Vogelperspektive – auch das eine bei Offroadern „wichtige“ Funktion.

Auch der Torres kann clever: Viele kleine praktische Details und viel Platz

Klassenüblich wieder der Radstand mit 2,68 Metern, der aber dank der aufrechten Statur des Torres EVX viel Platz auch im Fond bedeutet. Die Kopffreiheit in zweiter Sitzreihe beträgt laut Ssangyong 1.047 Millimeter, die Beinfreiheit 916 Millimeter – womit er im Klassenvergleich vorn mitfährt. Richtig viel Platz hat er im Kofferraum, der 703 bis 1.662 Liter Volumen bietet. Leider ist die Rückbank nur 60:40 geteilt umlegbar und die Lehnenneigung ist verstellbar. Wenn sie dreigeteilt und auch noch in der Länge verschiebbar, hätte ihm das einen Variabilitätsbonus gebracht, der gut zur ausgefallenen Optik gepasst hätte. Denn das Design traut sich viel: Die Heckklappe öffnet nach oben, obwohl sie eine Reserverad-Abdeckung andeutet (dann öffnen Hecktüren wegen des Gewichtes immer seitlich). Praktisch: Die elektrisch öffnende Heckklappe hebt sich, sobald man mit dem Schlüssel drei Sekunden hinter dem Fahrzeug steht – nix mehr Fußwedeln und dann klappt meist doch nix. Oder man drückt einfach die entsprechende Taste am Schlüssel.

Aufwändig: Um die ideale Temperatur aufrechtzuerhalten und Feuchtigkeit und verbrauchte Luft aus dem Innenraum zu entfernen, bietet die vollautomatische Zwei-Zonen-Klimaanlage ein sogenanntes Nachblas-System: Wählt man den Kabinenkomfortmodus (Klimatisierungsmodus), arbeitet das System nach dem Ausschalten des Antriebsaggregats weiter, um ein angenehmes Innenraumklima im geparkten Fahrzeug zu gewährleisten – sollte man sich aber tunlichst verkneifen, wenn der Akkustand schon niedrig ist oder man auf viel Reichweite Wert legt.

Doch steigen wir endlich ein und fahren los: Innen erwarten uns zwei 12,3 Zoll Screens, dazu kommt eine Armada an Assistenten, die einigermaßen dezent eingreifen. Der gebotene Punch reicht für alle Lebenslagen aus, zuaml sich der gut 1,7 Meter hohe Torres auch wegen seines vergleichsweise günstigen Gewichts von nur 1.915 kg leer entgegen seiner Optik vergleichsweise leichtfüßig fährt. Auch hier gibt es die typischen Fahrmodi „Normal“, Eco, Sport und „Winter“ – echte Offroadprogramme fehlen aber. Die Bedienung kann halbwegs überzeugen: Es gibt sogar noch einen Lautstärkeregler für den Sound, während man das Klima über einen zweiten, unten in der Mittelkonsole platzierten Screen gesteuert werden kann, was einfach geht, als wenn dazu erst Untermenüs öffnen muss. Hier gehört der Torres EVX definitiv zu den angenehmeren Begleitern, auch wenn er sonst dezent bleibt: Die Lenkung könnte eine Idee knackiger sein, das Fahrwerk gern etwas verbindlicher, andererseits bewegen wir uns hier eher in der „Hardcore-Ecke“ der elektrischen SUV, die grundsätzlich eher verzeihend und robust ausgelegt sind.  Von 0 auf 100 km/h geht in gut acht Sekunden, das Topspeed von 175 km/h erlaubt auch auf deutschen Autobahnen mal kurze Sprints auf der linken Spur.

Sehr praktisch im Istanbuler Verkehrschaos: Der Ausstiegsassistent warnt vor anderen Verkehrsteilnehmern, die sich von hinten nähern, und verhindert so Kollisionen beim Öffnen der Tür. Ebenfalls tendenziell viel beschäftigt wären auch die Auffahrwarnung, wenn eine Kollision mit einem nachfolgenden Fahrzeug zu erwarten ist. Hilfreich gerade in den engen Gassen und beim Rangieren ist auch hier Querverkehrswarner. Auf der Autobahn kann der Torres EVX auch den Spurwechsel, sobald der Blinker betätigt wird. Beruhigt stellen wir fest, dass der optisch harte Kerl innen ganz soft ist, mit acht Airbags, inklusive Mittelairbag zwischen den Vordersitzen und einem Knie-Airbag für den Fahrer, der aber erst ab der mittleren Ausstattung „Platinum“ Serie ist.

Auch der Torres kommt mit V2L Funktion

Dem Äußeren angemessen ist die Vehicle-to-Load-Funktion (V2L): Unterwegs in der Natur versorgt das Elektro-SUV E-Bikes und elektronische Geräte mit Strom. Und sonst noch? Neben der großzügigen Akkugarantie gibt man sich auch bei der Standardgewährleistung von sieben Jahren oder 150.000 km eher großzügig, sofern man alle vorgeschriebenen Inspektions- und Wartungsintervalle einhält. Anhängelast? Wären ungebremst 500, gebremst 1.500 kg geboten. Wenig für einen Verbrenner-Hardcore-Allradler, ordentlich für einen Stromer. Die Preise? In der Türkei starten sie bei 51.976 Euro, was für das Gebotene in Ordnung geht, aber nicht wirklich günstig ist.

Und unser Fazit? Nun ja, am Ende siegt die Vernunft. Da fährt der elektrische Torres mit den meisten Mittelklasse-SUV mit, verpackt das aber teils herrlich unvernünftig und nachdem man im Alltag selten mehr brauchen dürfte, müssen wir zugeben: Die Mischung aus harter Optik mich softem Auftritt gefällt und ganz gut, zumal viele Details wie das Platzangebot, die V2L-Ladefähigkeit, der große Kofferraum, die Akkugarantie und last but not least die eigenständige Optik überzeugen können.

Eine interessante Umsetzung des Themas „harte Schale, weicher Kern“. Der Torres könnte durchaus einige Kunden abholen, die zumindest optisch einen aufrechteren Charakter suchen als er bisher im Segment angeboten wird.

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