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Dippemess: „Riesenrad ist Abenteuer genug“

dippemess: „riesenrad ist abenteuer genug“

Guter Rutsch: Die Achterbahn ist eine der Hauptattraktionen der Dippemess.

Am Autoscooter läuft „Forever Young“. Der Klassiker der Band Alphaville begleitet die Halbstarken bei ihren Karambolagen im mit Discolicht ausgeleuchteten Rechteck. Burkhard Daubmann kurvt mit respektvollem Abstand um die Jugendlichen herum, einerseits wegen seines Enkels auf dem Beifahrersitz. Andererseits auch aus Eigeninteresse, wie er anschließend eingesteht. „Allzu wilde Fahrerei verträgt man nicht mehr so “, sagt er. Vor Jahrzehnten habe er mit größter Leidenschaft auf den Jahrmärkten selbst die waghalsigsten Fahrgeschäfte genutzt. Nun, als Endsechziger, sei die Rolle als „Sponsor für die Enkel“ angemessener. „Für immer jung“ bleibt dann eben die musikalische Illusion. „Ich kann mir das beim besten Willen nicht mehr vorstellen, in die Achterbahn oder in noch wildere Sachen zu steigen“, sagt er. „Riesenrad und Autoscooter reichen mir mittlerweile als Abenteuer.“

dippemess: „riesenrad ist abenteuer genug“

Es geht rund: Der Taumler fordert den Gleichgewichtssinn heraus.

Damit liegt er im Trend seiner Altersgruppe. Beim Schlendern über den ersten Dippemess-Samstag muss man auf den Fahrgeschäften Menschen weit jenseits der Grenze zum Erwachsenenalter fast schon mit der Lupe suchen. Fahrgäste um die 50 oder gar 60 findet man gelegentlich mal auf dem Monte Carlo, bei dem Karts mit überschaubarem Tempo über eine zweistöckige Rennstrecke tuckern und sich Wettrennen bei Tempo 20 liefern.

Richtiggehend alt ist man auf dem Infinity, wo die Fahrgäste in 65 Meter Höhe im Moment des Überschlags der riesengroß dimensionierten Schiffschaukel für wenige Sekunden kopfüber in ihren Sitzen hängen, sogar schon, wenn man älter als 20 ist. Claudia Derwald, die jenes Alter seit ein paar Jahrzehnten hinter sich gelassen hat, beschränkt sich aufs Zuschauen. „Ich hole mir den Kick aus der Erinnerung. Mit 15 hätte ich mich da reingesetzt, wenn es das schon gegeben hätte“, sagt sie.

Eine Stunde lang wie seekrank gefühlt

Vor vielen Jahren habe sie noch einmal ein Comeback im „Break Dancer“, in dem man in einer Kabine sitzend in alle Richtungen geschleudert wird, gewagt. Danach habe sie sich eine Stunde lang wie seekrank gefühlt. „Da habe ich mich zum endgültigen Karriereende entschlossen.“ Auch die Achterbahnfahrt überlässt sie Tochter und Mann, der ebenfalls keine Abenteuerlust verspürt, aber dem zwölf Jahre alten Mädchen zuliebe einsteigt. Sie hört sich derweil entspannt das hysterische Kreischen an, wenn die „Alpina“ Fahrt aufnimmt bei der ersten Abfahrt.

Thomas Roie, Vorsitzender des Schaustellerverbands Frankfurt/Rhein-Main, bestätigt, dass sich die Kundschaft der verrücktesten Fahrgeschäfte, zu dem auch der Fortress Tower mit seinem „Freien Fall“ aus 86 Metern gehört, grundsätzlich auf eine sehr kleine Altersspanne zwischen vielleicht 14 bis Mitte zwanzig beschränke. „Bei mir auf dem Kettenkarussell ist das etwas anders, aber auch da sind Menschen im Rentenalter eher selten“, sagt er. Die Wissenschaft erklärt das Unbehagen älterer Menschen vor allem mit dem Gleichgewichtssinn, der sich mit dem Alter verändert und zu größerer Schwindelanfälligkeit führt. Und auch mit der Gewohnheit. ­Kinder und Jugendliche sind beispielsweise durch Saltos vom Sprungbrett im Schwimmbad noch Turbulenzen gewohnt, Ältere geraten aus der Übung.

Claudia Derwald schaut lieber weiter zu. Gerade steht sie vor dem „Taumler“. Auf einer Sitzbank, die einen Kreis mit einem Durchmesser von gut acht Metern bildet, sitzen ausnahmslos Jungen und Mädchen im Schulalter. Wenn sich die Platte dreht und dabei auf und nieder bewegt, müssen sich die Fahrgäste an Stangen hinter dem Rücken festhalten. Die Wagemutigen heben mit dem Körper ab in einen Schwebezustand. „Es macht irre Spaß zuzuschauen. Rational sehe ich auch, dass alle problemlos wieder aussteigen. Dennoch habe ich Angst“, sagt sie. „Aber vielleicht überwinde ich mich ja doch noch, wenn ich noch drei Runden zuschaue.“

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