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Beeindruckender Wohnmobil-Oldtimer

Vor vier Jahrzehnten entstand bei Hymer eines der spektakulärsten Wohnmobile aus deutscher Produktion: der knapp neun Meter lange Hymer 900. Wir durften in eines der seltenen Exemplare schauen.

Einen Hymer 900 aus den 1980ern gibt es nur selten zu sehen. Wir hatten Glück und konnten eines der beeindruckenden Exemplar inspizieren. So lang der Camper, so knackig sein Name: “Bruno, das passt doch!” Attila Götz ist sichtlich stolz auf den Hymer 900, von dem vielleicht 30, vielleicht auch 50 Exemplare entstanden, aber keineswegs mehr. “Klar sind die selten, für 200.000 Mark gab es damals ja auch schon ein Häuschen, und kein kleines”, meint Gattin Katharina.

Ihre Stimme kommt aus dem Wohnbereich hinterm Fahrergestühl, also von ziemlich weit weg. Ja, der Hymer 900 hat eben seine ganz eigenen Dimensionen. Und dann diese plüschige Atmosphäre! Man fühlt sich wie in einem US-amerikanischen Ferienhaus der 1980er Jahre.

Hymer 900 Daten

beeindruckender wohnmobil-oldtimer Bernd Thissen

Ein Bug wie eine Burg, und ähnlich geräumig geht es denn auch im wohnlichen Inneren des ebenso großen wie seltenen Hymer 900 zu!

  • Basis: Mercedes-Benz LP 813
  • Erstzulassung: 21.05.1980
  • Motor: 6-Zylinder-Diesel, 5675 ccm (Sauger)
  • Leistung: 96 kW/130 PS
  • max. Drehmoment/ Vmax: 363 Nm / 110 km/h
  • Länge x Breite x Höhe: 8,82 m x 2,47 m x 3,2 m
  • Leergewicht: 5,95 t
  • Zuladung: 1,54 t
  • Zul. Gesamtgewicht: 7,49 t
  • Tankinhalt (Diesel): 170 L
  • Neupreis: ca. 200.000 DM

Für die USA war das 2,5 Meter breite Dickschiff eigentlich auch konzipiert. Gerüchten zufolge war Erwin Hymer beim Besuch einer Camper-Messe in den USA derart von einem Winnebago angetan, dass er die europäische Ausführung eines solch zünftigen “Recreational Vehicle” auf Kiel legen ließ. “Natürlich auf Basis eines Mercedes-Benz”, schmunzelt Attila und führt flugs in die technischen Fundamente ein.

Leistungsstarker Motor

beeindruckender wohnmobil-oldtimer Bernd Thissen

Der Charme einer vergangenen Epoche: Sollte sich die Chance ergeben, einmal in einen originalen Hymer 900 reinzuschauen, dann sollte man sich diese Gelegenheit zur Zeitreise nicht entgegen lassen.

“Der Hymer 900 nutzt das Fahrgestell des Mercedes-Benz LP 813, für Schub sorgt der 5,7 Liter große 6-Zylinder-Diesel, der schöpft eher entspannte 130 PS aus dem souveränen Hubraum.” Die Basis war übrigens auch die Krux des 900, der eingestellt werden musste, als Mercedes den 814 mit seinem kippbaren Führerhaus einführte.

Das passte einfach nicht mehr zum Konzept des Herstellers; fürderhin konzentrierte man sich in Bad Waldsee auf die 700er-Reihe. Ein wenig Trennungsschmerz gab es dann aber wohl doch noch! Es wurden nämlich, wie Katharina und Attila anmerken, wohl noch einige wenige Wohnmobile auf Basis des LP 814 gefertigt.

Doch zurück zum “Big Boss”, dessen Kraft – das maximale Drehmoment des Saugers liegt bei stolzen 363 Newtonmetern – von einer ZF-Automatik verwaltet wird. “Wie es in einem RV sein soll”, meint Attila und schwingt sich ins Fahrergestühl, in dem man tatsächlich gerne mal über den Highway rollen möchte. Einfach so, vielleicht über die Interstate 40 von Amarillo in Texas nach Tucumcari in Neu-Mexiko. (“Und dann stell ich den Tempomaten ein und geh derweil nach hinten, hol mir ein Bier …” – so was soll tatsächlich passiert sein.)

beeindruckender wohnmobil-oldtimer Bernd Thissen

Ohne Schnickschnack, aber das hat der 900er auch gar nicht nötig.

Wohnmobil mit Originalteilen

Klar, das war Spaß – aber das gehört bei einem 900 einfach dazu, zu sehr sprengt er alles, was bierernst oder langweilig ist. Dieses Mobil lässt sich mit Vernunftgründen nicht mehr erklären, hier zielt ein Camper direkt aufs Herz, nicht auf den Verstand. “Entsprechend schnell hatte ich mich verliebt, als ich Bruno 2014 zum ersten Mal sah”, erinnert sich Attila.

Wir lümmeln inzwischen lässig in der Sitzgruppe, die man einfach nur als “superb” bezeichnen kann. “Ich wollte mir eigentlich in Detmold einen Hymer 700 anschauen, als mir dann Bruno begegnete.” Attila hat plötzlich so ein Blitzen in den Augen, während er mit fast flehendem Blick erzählt, dass er den 700er dann gar nicht mehr angeschaut hat, sondern sich direkt für die größere Ausführung der Reiseträumerei entschied. “Den MUSSTE ich einfach kaufen!” Wie heißt es so schön: Echte Männer werden zwölf, danach wachsen sie eigentlich nur noch.

beeindruckender wohnmobil-oldtimer Bernd Thissen

Für Hymer war der 900 nicht weniger als „die europäische Alternative zu Fahrzeugen der Neuen Welt“.

Restaurierung des Hymer 900

Über sich hinauswachsen mussten aber Brunos neuen Besitzern, zeigte sich doch der innen original erhaltene Camper unterm Blech reichlich mürbe: “obwohl der auch beim näheren Hinsehen nur leichte Rostblessuren hatte”, sagt Attila. Bei einer Demontage des Armaturenbretts – es gab einen Verdacht auf Oxidation – zeigte sich jedoch, dass mehr als nur akuter Handlungsbedarf bestand: “Das war alles mit Bauschaum ausgefüllt, ein Horror, allein sieben Monate waren wir mit der Sanierung der Front beschäftigt. Eine ewige Baustelle”, schaudern die beiden. Doch die Mühe hat sich gelohnt, heute steht Bruno wie weiland 1980 vor dem geneigten Betrachter.

beeindruckender wohnmobil-oldtimer Bernd Thissen

Die Küche prunkt mit Backofen, zwei Spülbecken und der Abzugshaube.

Und zu betrachten gibt es eine ganze Menge an diesem 3,2 Meter hohen Reisefahrzeug, das zwar so viel kostete wie ein Haus – aber eben auch so viel Komfort bot und noch immer bietet. “Eine Klimaanlage, der Mikrowellenherd in der Küche, ein fest eingebauter Fernseher, ein formidabler Kleiderschrank, hinten ein Schlafzimmer, das seinen Namen wirklich verdient, dazu noch ein 200 Liter großer Frischwassertank und Warmwasser für Bad und Küche”, zählt Attila auf. Er könnte noch eine ganze Weile weiter aufzählen – es wäre wohl einfacher, würde er listen, was nicht an Bord ist. (Viel kann das nicht sein.)

Ihr Herz schlägt für Oldies? Dann sollten Sie sich diesen liebevoll restaurierten Mercedes L 260 Camper anschauen.

Fazit

So groß und beeindruckend Bruno ist, so artgerecht wird er gehalten. Weitere Etappen, beispielsweise nach Barcelona oder zu klassischen Oldtimertreffen wie den Düsseldorfer “Classic Days”, sind Pflicht und Vergnügen zugleich. Immerhin macht Bruno dabei genau das, wofür er vor 40 Jahren gebaut wurde: Er fährt. Attila bestätigt: “Und das noch immer richtig mondän, was will man mehr?” Wie schön, wenn man schon mit dem Maximum zufrieden sein kann!

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