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Air Flows: Die Technik des Porsche GT3 RS im Detail

Im Rennsport existieren strenge Regeln darüber, wie die Luft über welche Spoilerarten fließen darf. Die Straßenversion des GT3 RS pfeift mit aktiver Aero darauf

air flows: die technik des porsche gt3 rs im detail

(Bild: Porsche)

Eigentlich sollte hier ein Fahrbericht mit Technik stehen, denn Porsche mietete die Rennstrecke Silverstone und ließ die Presse dort ihr neuestes Stück fahren, obwohl sowieso längst alle verfügbaren RS verkauft sind und sich daran auch nichts ändern wird. Dann hatten wir jedoch wieder einmal Wetter, Wetter, Wetter, und so erfuhren wir statt erhellender Dinge über den neuen Porsche, dass Silverstone mit etwas Reifenabrieb von der BTCC vom Vortag auf Semislicks bei 10° C kaltem Regen weniger Grip hat als eine Pressschneestrecke.

Stabilität ist, was die Kunden wollen

An Fahreindrücken kann ich folglich ehrlicherweise nur sagen, dass die Air Brake des riesigen Spoilers sehr stark bremst und vor allem das Auto stabil nach hinten langzieht wie an einem Fallschirm und dass auch dieser 911 es seinen Kunden in keinerlei Hinsicht schwer macht, sondern in vielerlei Hinsicht einfach. Das ist, was sie erwarten. Dennoch waren meine Regenkilometer vor allem hin und zurück zum Flughafen auf der Indian FTR nicht umsonst, denn wir unterhielten uns am Objekt ausführlich über die Technik des GT3 RS und seine aerodynamischen Tricks. Die reizen das Thema nämlich bis zum Anschlag aus, was in den meisten Rennsportreglements so gar nicht erlaubt wäre.

Luft, die besser strömt

Bei so einem Auto soll möglichst wenig Luft unter das Fahrzeug strömen, trotz einer Bodenfreiheit, die Vollgas Nordschleife erlaubt, ohne dass der Bauch aufgeschabt wird – was vielen Supercar-Flundern dort passiert, zusammen mit entsprechend enttäuschenden Rundenzeiten. Die per Fahrt komprimierte Luft kann sich vorne gleich nützlich machen und Abwärme mitnehmen, wenn sie eh vorbeikommt. Statt der bisherigen drei Kühler in der Front setzt Porsche beim RS wie im Rennsport einen Mittenkühler ein, der auf 30 Prozent weniger Fläche als beim Vorgänger die nötige Wärme abführt, weil die Luft besser strömt. Nachteil: Der Mittenkühler sitzt im ehemaligen Kofferraum. Gepäck, selbst ein einfacher Helm, muss jetzt im Beifahrerbereich Platz finden. Wo beim normalen 911 das Rücksitzimitat montiert wird, gibt es im RS nur einen Käfig und eine Abdeckung, und einen Helm kann man zwischen die Gitterstäbe nur reinquetschen, wenn man ihn vorher zerkleinert.

Atmen Sie nicht unter den Achseln ein!

Die erwärmte Abluft strömt oben aus dem ehemaligen Kofferraumdeckel hinaus. Hier stieß Porsche auf ein Problem: Die warme Luft strömte übers Dach zum Einlass in die Airbox hinten. Warme Luft kostet Leistung. Wer schon einmal beim Laufen seine eigene Achselabwärme im Inneren seines Shirts atmete, weiß das, und einem Motor geht es ähnlich. Deshalb drücken Finnen im vorderen Nichtmehrkofferraumdeckel die Luft zur Seite. Das sorgte in Fahrtests wieder für kühle Luft hinten – bis die erste Kurve kam. Bei Kurvenfahrt verwirbelte der Luftstrom und der Motor zog wieder Achselatem. Deshalb hat der RS auf dem Dach diese zwei sehr markanten Finnen, die selbst bei Kurvenfahrt die Nüstern kühl halten.

Trotz fallenden Dachs liegt der Ansaugdruck hinten am Einlass bei oder sogar leicht über Umgebungsluftdruck. Eine schöne laminare Luftströmung vom fallenden Dach fließt hier direkt in den Intake. Die warme Luft weht an den Seitenscheiben vorbei. Wenn man die in der Abkühlungsphase herunterlässt, kann man sich die herausgestreckten Hände an Motorenergie wärmen, wenn es einem der Instruktor nicht explizit verbietet, weil die Luft BTCC-Gummiböppel enthält, die ins Auge gehen können.

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Porsche 911 GT3 RS Aerodynamik (9 Bilder)

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Porsche entlüftet die Radkästen sehr großzügig. (Bild: Clemens Gleich)

Der Motor erstarkte mit “klassischem Motortuning”, wie Andreas Preuninger sagt, Gesamtprojektleiter GT-Fahrzeuge: schärfere Nockenwellen, überarbeitete Ölkanäle für die erhöhte Querbeschleunigung und Updates bei den einzeln angesteuerten Butterfly-Drosselklappen.

Ein Ackergaul Anpressdruck

Die dicksten Headlines schreibt die aktive Aerodynamik. Bei 285 km/h (schnellste Passage Nordschleife) drücken 860 kg Abtrieb aufs Chassis, 260 kg vorn und 600 kg hinten. Vorgänger: 405 kg insgesamt. Der Anpressdruck ist so hoch, dass der Reifenverschleiß sinkt, weil sich die physische Verzahnung Gummi-Asphalt erhöht. Die hohen Werte trotz guter Beschleunigung erreicht Porsche durch eine verstellbare Aero. Hinten hat das Design die Technik sichtbar gemacht: schöne, farbig eloxierte Hydrauliknehmer bewegen den oberen Teil des Flügels. Kritisch für gute Fahrbarkeit ist jedoch die Balance mit den (versteckten) Flügeln vorne. Fahrtests zeigten Entwicklungsfahrer Jörg Bergmeister auch, dass ein einfaches Hin/Her bei der Verstellung nicht ausreichen würde: “Es wurde uns früh klar, dass wir ein kontinuierliches System entwickeln mussten.”

Keine 300 km/h

Das Meiste davon passiert automatisch, und einer der sehr wenigen erhaltenen Fahreindrücke bestätigt, wie schön stabil der Riesenflügel das Auto zieht. Von Fahrerseite gibt es Eingriffsmöglichkeiten, um den Flügel per Knopfdruck flach zu stellen, zum Beispiel für zügiges Erreichen der Höchstgeschwindigkeit von 296 km/h. Richtig gelesen: Der RS fährt keine prestigeträchtigen 300+ km/h. Grund: Es gibt keine Rennstrecke, auf der so eine Übersetzung einen Vorteil bringen würde, und wer noch schneller Autobahn fahren will, naja, für den gibt es bei Porsche ja den Turbo S. Der RS jedenfalls legt (unter einer Reihe von sinnvollen Grenzparametern) auch die Ohren an, wenn Vollgas gegeben wird, “denn dann will der Kunde ja, dass es vorwärtsgeht”, so Preuninger.

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