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Faszination Porsche 911 (992) Turbo S und 911 (996) Turbo: Immer mehr Druck

Der Porsche 911 Turbo im Überblick

  • Erster 911 Turbo kam 1974 auf den Markt
  • 996 Turbo (2000 bis 2005) mit bis zu 450 Allrad-PS
  • 992 Turbo S (seit 2020) mit 650 PS*, bis zu 330 km/h schnell
  • Aktuell nicht mehr Bestellbar, Facelift im Sommer
  • Ehemaliger Neupreis ab 246.848 Euro (Coupé)

*(Porsche 911 (992) Turbo S, Kraftstoffverbrauch kombiniert (WLTP): 12,0-12,5 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 271-284 g/km; CO2-Klasse: G)²

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Als Autotester denkt man oft, dass man schon alles gefahren hat: verschiedene Antriebstechniken wie Verbrenner, Hybrid oder Elektro, diverse Konzepte wie Heck-, Front- oder Mittelmotor und verschiedene Antriebsarten wie Allrad-, Vorderrad- oder Hinterradantrieb. Man hat Erfahrung mit Schaltgetrieben und Automatik, kleinen Einsitzern und großen Neunsitzern, sowie Fahrzeugen mit viel Leistung oder gar keiner.

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Die Faszination Porsche 911 (Turbo)

Trotz all der automobilen Vielfalt zeigt sich immer wieder eine besondere Faszination – jene zum Porsche 911. Sie ist baureihenunabhängig und lässt sich irgendwie auch nur schwer erklären. Ein Versuch: Vielleicht liegt es daran, dass insbesondere ältere Modelle eine herausfordernde Fahrdynamik haben, die ein gewisses Können erfordern. Ein Porsche bietet außerdem unerreichte Präzision und bei der richtigen Motorwahl viel Leistung. Dazu kommt ein Fahrkomfort, der auch für lange Strecken geeignet ist. Heutzutage ist der Porsche 911 zudem ein eher unauffälliger Zeitgenosse und kann problemlos als Alltagsauto genutzt werden. Die Technik gilt, bei richtiger Wartung, als haltbar und übersteht mehrere Winter. Aber das Wichtigste: Ein Porsche 911 bietet unglaublich viel Fahrspaß, egal ob es sich um einen Basis-Carrera oder einen GT2 RS handelt. Das schaffen nicht viele Autos – genauer gesagt, kein anderes.

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Eine der Speerspitzen für die Paarung aus maximaler Leistung und ebenso maximaler Alltagstauglichkeit waren und sind stets die Turbo-Modelle. Angefangen beim 930 aus dem Jahr 1974 bis zum 992 seit 2020. Keine andere Elfer-Variation verbindet die Möglichkeit, sich beim Tritt aufs Gaspedal in die nächste Umlaufbahn zu schießen, und gleichzeitig die Brötchentüte auf den Beifahrersitz zurechtzurücken, besser als der 911 Turbo. Zusätzlich starkregentauglich wurde dieser mit der Einführung des Allradantriebs im 993 (ab 1995), wobei im Jahr 2000 mit dem 996 das erste Turbo-Modell mit Wasserkühlung auf den Markt kam. Seit nunmehr 50 Jahren ist der Turbo immer so etwas wie die S-Klasse von Mercedes. Er markiert das, was derzeit technisch möglich ist bei Porsche.

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996 und 992 Turbo sind mehr als Brüder im Geiste

In unserem Vergleich stehen sich mit 996 und 992 zwei Turbo (S) Modelle gegenüber, die, rein auf den Motor heruntergebrochen, gar nicht so viel voneinander trennt. Auf der einen Seite ein mittlerweile 20 Jahre alter 996 Turbo: 420 PS und 560 Nm (Werksleistungssteigerung – Bestellcode X50 – auf 450 PS und 620 Nm möglich) aus einem 3,6-Liter-Sechszylinder-Boxer mit zwei Turboladern, Allradantrieb und ein Sechsgang-Handschaltgetriebe. Auf der anderen Seite wartet das Äquivalent der Neuzeit, der Porsche 911 (992) Turbo S: 650 PS und 800 Nm, die aus einem 3,8-Liter-Sechszylinder-Boxermotor, ebenfalls mit Biturbo-Aufladung gewonnen werden. Allradantrieb ist hier genauso obligatorisch wie das Achtgang-Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK).

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Optisch gibt es dann natürlich keinen Zweifel, wer hier der Ältere von beiden ist. Obwohl der 996 Turbo bei seiner Markteinführung schon als ziemlich massig durchging, wirkt er im direkten Vergleich zum 992 um einiges zierlicher. Dabei zeigt ein Blick ins Datenblatt, dass der erste Eindruck täuschen kann: In Länge und Radstand trennen beide Protagonisten gerade einmal zehn Zentimeter, in der Breite sind es sieben Zentimeter. Nicht viel für eine solch lange Evolutionsphase.

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Apple CarPlay gibt es auch für den 996

Im Inneren merkt man das Mehr an Breite und Radstand dann schon deutlicher. Der 992 ist in alle Richtungen luftiger, Fahrer und Beifahrer sitzen merklich weiter voneinander getrennt. Natürlich hat mittlerweile auch im Elfer die Digitalisierung um sich gegriffen. Das Kombiinstrument, bis auf den Drehzahlmesser, volldigital. Und selbst dieser wird zum anstehenden Halbzeitfacelift des 992 einem Display geopfert. Dagegen ist der Blick in den 996 von wohltuender Nüchternheit geprägt. Geschwindigkeit, Uhrzeit und der kleine Bordcomputer lassen sich per Dot-Matrix ablesen, ansonsten regieren analoge Anzeigen das Feld. Blick nach rechts zum Porsche Communication Management System der zweiten Generation: Da muss man genügsam sein. Mehr als eine, am besten wenig verkratzte CD will das PCM ohne zusätzlichen Wechsler nicht akzeptieren. Jedoch hat sich Zuffenhausen etwas einfallen lassen: Über die hauseigene Classic-Abteilung gibt es für 996 und Co. Navigationseinheiten mit moderner Technik in originaler Porsche Optik zu bestellen. Apple CarPlay oder weiterhin die Lieblings-CD hören? Der Kunde hat auch beim 996 mittlerweile die Wahl.

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Mit einem vertrauten Dreh am links neben dem Lenkrad sitzenden Schlüssel(imitat) wird der 3,8-Liter-Boxer des 992 sodann zum Leben erweckt. Sind die Auspuffklappen geöffnet, macht der Elfer auch etwas mehr Aufheben um seine 650 PS, als es das unscheinbare Lackkleid in Aquablaumetallic vermuten lassen würde. Im Anschluss fällt der Doppelturbo in einen ruhigen Leerlauf, der Finger schnippt den Wählstummel in Stellung D und wir rollen los. Das geht fast ein bisschen zu einfach für einen Supersportwagen, der laut Datenblatt in 2,7 Sekunden von null auf 100 km/h schnalzt und im Grundpreis, ohne weitere Extras, schon knapp 247.000 Euro kosten soll.

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992 Turbo S: Entrückt von allem Weltlichen

Da ist sie wieder: Die Faszination Porsche 911, die natürlich auch der 992 Turbo S zu vermitteln weiß. Fährst du diesen Wagen entspannt auf der rechten Autobahnspur, siehst du viele Dinge auf einmal mit ganz anderen Augen. Man ist plötzlich unbeeindruckt vom alltäglichen Leben, losgelöst von all den Sorgen – von Zeit und Geld sowieso. Was man nicht hat, kann einem schließlich nicht genommen werden. Und wenn man schon einmal die Gelegenheit hat, solch ein Auto ein paar Tage zu fahren, dann sollte man es mit allen Sinnen genießen. Denn das Auto wird wieder gehen, die Erinnerungen bleiben. Trotz all der Entrücktheit von allem Weltlichen und der Physik (dazu kommen wir gleich), bleibt der 992 Turbo S nah-, und fahrbar. Im Zweifel geht es mit diesem Wagen auch zu dritt inklusive Kindersitz auf der Rückbank zu den Schwiegereltern.

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Was er nicht so gern mag, ist das Rangieren auf engem Terrain. Da macht sich der komplexe Allradantrieb in Kombination mit den High Performance Reifen schnell bemerkbar. Sportpneus und vier angetriebene Räder braucht es aber, wenn die 650 Stuttgarter Vollbluthengste einmal losgelassen werden. Ob mit Launch Control oder ohne: Die Beschleunigung ist atemberaubend. Die abgelieferte Präzision, wie eingangs erwähnt, unerreicht. Bis Tempo 270 geht es mit einer derartigen Gelassenheit vorwärts, dass die nächste Autobahnabfahrt schon etwas zu früh kommt. Doch das Verzögern gelingt mit der – beim Turbo S serienmäßigen – Keramikbremse PCCB mindestens so überzeugend wie das Beschleunigen. Von der Stabilität in Kurven, der exakten Lenkung und der vollkommenen Ignoranz von immerhin gut 1,8 Tonnen einmal ganz zu schweigen. Mehr muss man über den 992 Turbo S eigentlich nicht schreiben, denn mehr geht nicht. Wobei: Er könnte im Stadtverkehr und bei schnell aufeinander folgenden Querfugen etwas komfortabler federn und abrollen. Wenn wir uns denn schon etwas wünschen dürften für einen Turbo S der anstehenden Facelift-Generation 992.2.

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Umstieg in den 996 Turbo: Eine ganz andere Welt

Umstieg in den 996 Turbo und in eine gänzlich andere Welt. Hier ist alles noch ein wenig echter, unmittelbarer und natürlich auch manueller. Das Schaltgetriebe will noch handfest bedient werden, die Sportsitze sind derart zierlich, dass man eher auf als in ihnen sitzt. Der 996 fühlt sich im direkten Vergleich zum 992 sogar noch ein ganzes Stückchen älter an, als er wirklich ist. Der Blinkerhebel wirkt zerbrechlich, die Bedienkräfte von Bremse und Kupplung hoch, die Schaltwege ziemlich lang. Das mag jetzt abschreckend klingen, ist aber ein Teil dieser beschriebenen und ganz besonderen Faszination, die ein Porsche 911 ausstrahlen kann.

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Auch beim Fahren merkt man selbstverständlich die Differenzen: Zwar federt der 996 nach heutigem Verständnis deutlich komfortabler, lässt dafür aber auch spürbar mehr Wank- und Nickbewegungen zu. Die Fahrstabilität ist längst nicht auf dem außerordentlich hohen Niveau wie die des 992. Obschon 420 PS nicht von schlechten Eltern sind – 200 fehlende PS lassen sich nicht einfach wegdiskutieren. Die Kraftentfaltung ist eine gänzlich andere, sie lässt dir ein paar Hundertstel mehr Zeit zum Überlegen. 4,2 Sekunden von null auf 100 km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 305 km/h sind aber auch nach heutigen Maßstäben noch verdammt schnell. Im Unterschied zum 992 gilt aber: Nicht das Auto fährt dich, sondern du fährst das Auto. Der Fahrer muss das nicht nur können, sondern sich auch trauen.

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Fazit

Am Ende gilt: Der Porsche 911 (992) Turbo S lässt die Grenzen der Physik verschwimmen, ohne dass man am Volant schweißnasse Hände bekommen würde. Wer also die Performance eines Supersportlers haben möchte, sich aber nicht in optischen Extravaganzen und einer fehlenden Alltagstauglichkeit verlieren will, der fährt mit der aktuellen Turbo-Generation genau richtig. Allen anderen, die nicht auf den Turbo-Status schauen, dürfte auch ein normaler Carrera reichen. Das war beim 996 seinerzeit übrigens auch schon so. (Text und Bild: Maximilian Planker)

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