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IAA Nutzfahrzeuge​: Die Truckwelt wird elektrisch

Der Transportsektor steht vor einem grundlegenden Antriebswandel. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie schnell der batterieelektrische Antrieb kommt.

iaa nutzfahrzeuge​: die truckwelt wird elektrisch

Mercedes zeigt auf der IAA Transportation die Serienversion des e-Actros 600. Die Zugmaschine mit 621 kWh Energieinhalt in der Traktionsbatterie ist fernverkehrstauglich: Der gesetzlich vorgeschriebene Rhythmus aus 4,5 Stunden Lenkzeit, 45 Minuten Pflichtpause und weiteren 4,5 Stunden Fahrt passt gut zum elektrischen Antrieb.

Die Stimmung auf der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover ist ziemlich gut, zumindest bei allen, die e-Fahrzeuge im Portfolio hatten. Am auffälligsten war, dass der Umschwung bei den schweren Sattelschleppern im Verteiler- und Fernverkehr stattfindet. Keiner der Beteiligten stellt das Ob infrage, alle arbeiten nur noch an der Umsetzung. Der simple Grund: Niedrigere Gesamtkosten sind schon heute realisierbar. Wichtig ist das Drumherum, das aus Ladeinfrastruktur und Softwaretools besteht. Es kippt in Richtung batterieelektrischer Antrieb, und zwar schnell.

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Für Spediteure und Logistiker zählen ausschließlich die Gesamtkosten (Total Cost of Ownership – TCO) bei der Auswahl der Zugmaschinen. Die enthalten die Energiekosten, die Maut, die Mechaniker auf dem Betriebshof und natürlich die Fahrzeuge und die Trucker selbst. Ausgerechnet hier kippt die Welt der Nutzfahrzeuge vom Dieselmotor zum batterieelektrischen Antrieb: Bei den schweren Zugmaschinen, die Güter im Verteiler- und Fernverkehr bewegen. Die Stimmung auf den Messeständen der IAA Nutzfahrzeuge von MAN und Iveco, von Mercedes und Volvo ist entsprechend gut. Wer will – und das sind vorerst weiterhin die meisten – bekommt den bewährten Selbstzünder. Immer mehr aber probieren die elektrische Zugmaschine aus.

Zur Wahrheit gehört, dass relevante Produkte erst jetzt in den Serieneinsatz gehen. Repräsentativ dafür steht der Mercedes e-Actros 600: Die 621 kWh der Traktionsbatterie reichen für viele Anwendungsfälle bereits aus. Bei einem tatsächlichen Stromverbrauch von 90 bis 120 kWh/100 km sind die gesetzlichen Lenkzeiten der begrenzende Faktor: 4,5 Stunden mit höchstens 80 km/h fahren, 45 Minuten laden, 4,5 Stunden fahren. Nein, noch werden nicht sämtliche Szenarien abgebildet, und die Lkw-spezifische Infrastruktur ist nahe null. Doch das ändert sich absehbar radikal.

Megawatt Charger an etwa der Hälfte der Standorte

Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur hat am 16. September eine Ausschreibung für den Aufbau von Ladestationen an den unbewirtschafteten Raststätten veröffentlicht. Auch die Industrie selbst ist sehr aktiv und hat mit “Milence” ein Joint Venture für die Errichtung von Megawatt Chargern gegründet: Sie liefern über 1000 kW – also ein Megawatt – Ladeleistung.

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Nach einer Analyse der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur auf Basis der Mautdaten müssen etwa die Hälfte der 350 identifizierten öffentlichen Standorte mit über 4200 Abnahmepunkten so kraftvoll sein. Für die anderen genügen Ladeleistungen wie bei den Pkw von bis zu 300 oder 400 kW. Was fehlt, sind Durchfahrtslösungen speziell für Sattelschlepper auf den üblichen Lkw-Parkplätzen. Die Branche ist jedenfalls vorbereitet. Alpitronic aus Italien zum Beispiel, Marktführer bei DC-Ladesäulen, kündigt ebenso einen Megawatt Charger an wie der polnische Konkurrent Ekoenergetyca.

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Förderung nur für die Infrastruktur notwendig

In Hintergrundgesprächen auf der IAA Nutzfahrzeuge wird deutlich, dass die Infrastrukturkosten der einzige Punkt sind, an dem sich die Beteiligten noch eine Förderung wünschen. Bei den Zugmaschinen, die statt circa 130.000 beim Dieselmotor rund 280.000 Euro beim e-Lkw kosten, ist das nicht mehr notwendig: Der Wegfall der Maut bis Ende 2025 sowie die anschließende Reduzierung der Maut in Verbindung mit durchweg niedrigeren Fahrenergiekosten ermöglicht bereits die Amortisation.

IAA Nutzfahrzeuge 2024 (4 Bilder)

iaa nutzfahrzeuge​: die truckwelt wird elektrisch

Die Ladeinfrastruktur für Schwerlast-Lkw ist kaum vorhanden: Auf den bekannten Parkplätzen müssen Durchfahrtslösungen aufgebaut werden. Nach einer Analyse der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur auf Basis der Mautdaten werden 350 öffentliche Standorte mit über 4200 Ladepunkten benötigt. Rund die Hälfte davon muss Megawatt Charger mit mehr als 1000 kW Leistung haben, für die anderen genügen die von Pkw bekannten 300- oder 400-kW-Säulen. Die Industrie hat sich unter dem Label Milence (Bild) zusammengefunden, um selbst ein Basisnetz für Megawatt Charger aufzubauen. (Bild: Christoph M. Schwarzer)

Überhaupt sind Sätze zu hören, die vor zehn Jahren in der Nutzfahrzeugszene undenkbar gewesen wären: Am wichtigsten wäre politische Verlässlichkeit, betonen mehrere hochrangige Industrievertreter. Kurshalten zum Umstieg auf Elektrotraktion, bitte, und gemeint ist inzwischen nur noch batterieelektrisch. Andere Optionen wie die mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle werden zwar noch gezeigt, aber nicht mehr mit Nachdruck verfolgt. Sie sind bestenfalls für die Nische interessant. In der Breite entscheiden die Kosten, und dort ist nicht absehbar, dass Wasserstoff als Fahrenergie Strom Konkurrenz machen könnte.

Abrechnungstools und angepasste Ladelösungen

Das Drumherum ist mindestens so wichtig wie die Fahrzeuge. Das wird unter anderem bei Elli, ein Unternehmen, das zur Volkswagen Charging Group gehört, deutlich. Elli stellt das Koordinationstool “ConnectPro” in Hannover vor: Die Abrechnungen an den Ladestationen können direkt vom Fuhrparkmanager nachvollzogen werden. Alles remote. Die Fahrer sollen das Laden so niederschwellig und unkompliziert wie möglich abwickeln können, also ohne den Aufwand von Papierquittungen oder Ähnlichem.

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