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Wolfgang Ufer Chef von Smart Deutschland: "Natürlich sind günstigere Elektroautos unser Ziel – aber nicht jetzt"

Herr Ufer, in meiner kurzen Zeit mit dem Smart #3 wurde mir mindestens einmal am Tag zugerufen, dass das Auto “doch kein Smart mehr sei”. Nervt Sie das?
Wolfgang Ufer: Natürlich ist unsere Geschichte geprägt durch unseren Zweisitzer. Wir verstehen also, wenn jemand bei den neuen Fahrzeugen, ob nun #1 oder #3, erstmal fragen muss, was das jetzt eigentlich genau für ein Auto ist. Das dauert wohl noch ein bisschen – auch wenn wir seit etwa einem Jahr mit dem Smart #1 am Markt und mit unserer neuen Positionierung auch wirklich sichtbar sind. Tatsächlich höre ich die zitierte Aussage immer seltener und erhalte eher Komplimente für unsere neuen Produkte.

Bleiben wir mal beim Zweisitzer – hat es einen Grund, warum Smart den #2 übersprungen hat?
Ja, das ist pure Absicht. Auch als interner Reminder, dass wir da noch eine Aufgabe vor uns haben. Ich kann heute nicht versprechen, dass es einen Fortwo geben wird. Aber wir arbeiten intensiv an einer Lösung für dieses doch sehr herausfordernde Projekt und werden uns mit Updates melden – man darf also gespannt bleiben!

Aber es gab den Fortwo doch schon als Elektroauto. Warum gestaltet sich die Neuauflage dann so schwer?
Wenn wir heute einen Zweisitzer bringen, dann sicherlich auf einer anderen Plattform und mit ganz anderen Leistungsdaten. Ein neuer Fortwo – oder #2 – muss ganz anderen Anforderungen der Kunden genügen, speziell auch im Hinblick auf die Reichweite. Ein solches Paket wirtschaftlich auf die Räder zu stellen, ist mit großen Herausforderungen verbunden, wenn man für seine Kunden einen gewissen Preis nicht überschreiten will.

Zur Person

Wolfgang Ufer ist seit über drei Jahren Smart Deutschland-CEO. Seit 2019 ist die Marke ein Gemeinschaftsunternehmen von Daimler und dem chinesischen Autobauer Geely. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit konnte man erstmals beim #1 sehen, nun folgte der #3. Die Nummer 2, so Ufer, hat das Unternehmen absichtlich freigelassen.

Gutes Stichwort. Elektroautos sind im Vergleich zu Verbrennern recht teuer, selbst die kleinen Modelle. Für unseren Polo GTI haben wir etwa 25.000 Euro bezahlt – ein vergleichbares Auto mit Elektroantrieb bekomme ich mit der Ausstattung nicht für das Geld. Wie will man den Kunden diesen Kostenanstieg vermitteln?
Zum Glück gibt es genug Kunden, die unsere Fahrzeuge zu unseren Konditionen als faires Gesamtpaket wahrnehmen und zugreifen. Aber selbstverständlich gibt es auch genug Leute, die ein günstigeres Fahrzeug wollen und brauchen. Denen kommen wir mit unseren Basismodellen schon etwas entgegen, etwa dem Smart #1 Pro oder dem Smart #3 Pro – beide bereits mit Vollausstattung und hohem Komfort. Die enorme Menge moderner Technik und unser Anspruch, dass die Autos auch eine bestimmte Reichweite bieten sollen, kann man derzeit aber nicht günstiger verpacken. Natürlich sind noch günstigere Elektroautos unser Ziel – aber nicht jetzt.

Zeichnet sich denn ab, dass es mittelfristig zu einem merklichen Preisrutsch bei Elektroautos kommen wird?
Bei den bestehenden Fahrzeugmodellen von Smart ist damit nicht zu rechnen. Durch den Wegfall der staatlichen Prämie gibt es gerade recht viele Rabatte der Hersteller, aber eine generelle Absenkung der Preisniveaus erwarte ich nicht. Wir werden den Listenpreis unserer Modelle nicht senken, wenn, dann wird sich wie am Beispiel der Pro-Line auch die Ausstattung an den Preis anpassen.

Wie macht sich die fehlende Umweltprämie bemerkbar?
Alle waren davon doch sehr überrascht. Ich finde, die Branche hat aber sehr gut reagiert und fast alle haben die Rabatte dann aus eigener Tasche an die Kunden weitergegeben. Wir von Smart haben umgehend reagiert und etwa den Bonus für unsere Kunden übernommen und das damit direkt aufgefangen. Das konnte man auch wirklich nicht so stehen lassen. Der nachwirkend negative Effekt hat aber am wenigsten mit Geld zu tun.

Sondern?
Die Verunsicherung der Kunden ist gewaltig. Das lief so ungeplant und so überhastet, dass besonders im Januar eine enorme Zurückhaltung der Kunden zu spüren war. Das fängt sich erst jetzt wieder ein wenig, denn die Leute merken, dass die Hersteller sie nicht im Regen stehen lassen. Zumindest in der Kompaktklasse zieht das Geschäft also wieder an. Wie stark das aber Oberklasse-Anbieter getroffen hat, kann ich nicht abschätzen.

Was ist Ihrer Meinung nach der beste Weg, wenn ich heute ein Elektroauto fahren möchte – Abo, Leasing oder Kauf? Gerade im Hinblick auf den absehbaren technologischen Fortschritt in den kommenden Jahren dürften sich viele genau überlegen, wie und wie lange man sich an ein Fahrzeug bindet.
Wir haben tatsächlich noch recht viele Kunden, die ihre Fahrzeuge direkt kaufen. Das betrifft in der Regel die höheren Ausstattungslinien. Insgesamt sind das bis zu 30 Prozent. Der Großteil schließt Leasingverträge über zwei bis vier Jahre ab. Abo wird zunehmend interessant, ist aber natürlich aufgrund der höheren Kosten und kurzen Laufzeiten für die meisten nicht das passende Modell.

Die Nachteile von Elektroautos liegen auf der Hand: Einigen ist die Reichweite zu gering, ganz sicher dürfte die meisten aber die starke Schwankung der Leistung je nach Wetterlage stören. Gleichzeitig ist absehbar, dass es entsprechende Neuerungen geben wird, weil es sie geben muss. Was macht das mit dem Wert heutiger Fahrzeuge?
Ich denke, dass wir in der Elektromobilität noch Entwicklungen sehen werden, die einzelne Aspekte wirksam verbessern. Sicher auch bei den Akkus. Der Verbrenner hat 140 Jahre kontinuierliche Entwicklung hinter sich – es wäre außergewöhnlich, wenn sich das nicht auch bei E-Autos fortsetzen würde. Aber ich denke, dass wir bei Leistung und Reichweite schon an einem sehr guten Punkt sind. Interessanter ist das ganze Feld der Software, denn hier ergeben sich bei aktuellen Fahrzeugen ganz neue, bis vor wenigen Jahren undenkbare Möglichkeiten. Die grundlegende Technik, also die Basis, wird natürlich irgendwann überholt sein. Das war aber schon immer so – und hält Oldtimer nicht davon ab, heute noch bestens zu fahren.

Bleiben wir bei der Software: Wo sind denn da die harten Limits – und was kann ein Hersteller lange nach der Auslieferung noch anpassen?
Etwa 75 Prozent der Fahrzeugfunktionen können wir over the air, also ohne Werkstattbesuch, aktualisieren und anpassen. Das sorgt für ein langfristig modernes Fahrzeug. So kann beispielsweise eine Änderung der Leistung vorgenommen werden und andere Funktionen können freigeschaltet, aktualisiert oder verbessert werden.

Auch die Reichweite?
Selbstverständlich. Über Anpassungen am Fahrzeug ist auch eine Änderung der Leistung möglich. Man kann sich die Möglichkeiten kaum vorstellen, muss aber mit Bedacht vorgehen. Ein jüngeres Beispiel zeigt die schönen Seiten dieser Technik: Im Winter haben wir Smart-Kunden die Lenkradheizung geschenkt. Per Update.

Thema Reichweite: Was macht am Ende des Tages mehr Sinn, schnelles Laden oder maximale Reichweite ohne Ladestopp?
Je mehr Reichweite, desto mehr Gewicht. Sobald man etwa 400 Kilometer Reichweite anbietet, ist das für die Kompaktklasse ein guter Wert. Dann geht es eher darum, den Akku zu optimieren und die Ladeleistung zu erhöhen. Meistens nutzt man das Auto nämlich eher auf kürzeren Strecken und kann etwa beim Einkaufen laden. Fährt man dagegen in den Urlaub, ist das Schnellladen wichtig.

Warum bietet der Smart dann kein 800-Volt-System und Ladeleistungen über 150 Kilowatt?
Wir halten eine halbe Stunde für zehn auf 80 Prozent schon für sehr gut. Alles weitere hätte die Autos zu stark verteuert. Ein 800-Volt-System mit einem entsprechenden Ladefenster geht derzeit sehr zu Lasten des Preises. Ich sage aber nicht, dass wir das nicht auf der Agenda haben.

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Warum sucht man sich einen Partner wie Brabus aus, wenn man Fahrzeuge verkauft, die maximal 185 km/h fahren und flüsterleise sind?
Wir haben seit mehr als 20 Jahren eine Partnerschaft mit Brabus – natürlich macht auch unser Partner einen Wandel durch. Für Elektroautos gelten andere Regeln als für Verbrenner, die Kunden legen Wert auf andere Dinge. Die Performance fangen wir über eine wahnsinnige Beschleunigung auf. Eine hohe Endgeschwindigkeit brauchen wir nicht – erstens kostet das unverhältnismäßig viel Strom, zweitens kann man mehr als 180 km/h doch ohnehin kaum noch über eine längere Strecke fahren. Ich will aber nicht verheimlichen, dass wir mit Brabus an Konzepten arbeiten, die wie früher die physikalischen Limits ausreizen und richtig übertreiben.

Brauchen Sie Partner wie Brabus auch, um der Marke eine gewisse Eigenheit zu bewahren? Der Smart #3 steht immerhin auf der gleichen Plattform wie der Volvo XC30 und der Zeekr X – da liegt der Verdacht nahe, dass die Autos am Ende alle gleich sind.
Geely stellt uns einen sehr potenten Baukasten – was wir damit machen, weicht deutlich von den anderen Fahrzeugen ab, die auf der gleichen Plattform stehen. In puncto Design und Software ist ein Smart auch dann noch ein hochindividuelles Fahrzeug, das ich so von anderen Herstellern als Kunde eher nicht bekomme.

Was die Software neuer Fahrzeuge eint, ist eine Kakofonie nerviger Überwachungsmechanismen. Warum?
Das sind gesetzliche Vorgaben, die wir berücksichtigen müssen. Daran halten wir uns, hören aber natürlich auf unsere Kunden, wenn ein bestimmtes System als zu penetrant wahrgenommen wird. Wenn wir das Bemerken, passen wir das, natürlich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, auch an. Verschwinden werden die Assistenten aber nicht mehr.

Smart steht ein wenig zwischen den Stühlen. Deutsche Marke, aufgeteilt zwischen einem deutschen Traditionsunternehmen und einem chinesischen Hersteller. Die Konkurrenz, darunter Elon Musk, versucht, die Chinesen durch Strafzölle von einer teilsubventionierten Marktdominanz abzuhalten. Wie steht Smart dazu?
Grundsätzlich kann man die technologische Entwicklung nicht aufhalten. Das gilt ganz generell und natürlich auch für Elektroautos. Wir glauben an den fairen und offenen Wettbewerb. Zumal die Forderungen mancher, die nationale Autobranche vor chinesischen Herstellern zu schützen, nicht weit gedacht ist. Deutschland ist immer noch eine Exportnation. Wir sollten ein riesiges Interesse an möglichst freiem Handel haben. Würden andere Länder das Gleiche für unsere Exportwaren fordern, wäre der Aufschrei groß. Ich glaube, das sollte man schon umfassend durchdenken, bevor man Forderungen stellt.

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