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Vielfalt erwünscht: Toyota setzt nicht nur auf die Elektromobilität

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Herstellung des mit Wasserstoff betriebenen Toyota Mirai in Toyota, Präfektur Aichi in Japan.

Richtig glücklich schaute Koji Sato, der designierte neue Chef von Toyota Motor, nicht. Auf der Rennstrecke im japanischen Suzuka hatte der Automobilhersteller seine neueste technische Errungenschaft präsentieren wollen: einen GR Corolla Sport, der mit flüssigem Wasserstoff betrieben wird. Das kennt man von Raketen für die Raumfahrt. Doch die Premiere zum Saisonstart der Super-Taikyu-Rennserie fiel aus, weil das Auto wenige Tage zuvor bei einer Testfahrt Feuer gefangen hatte. Eine Kraftstoffleitung hatte sich nach Toyotas Angaben gelockert, Wasserstoff entwich und entzündete sich. In Suzuka trat Toyota so dieses Mal nicht an.

vielfalt erwünscht: toyota setzt nicht nur auf die elektromobilität

Wasserstoff-Fan: Gill Pratt ist Toyotas Chefwissenschaftler.

Der designierte Chef zog dennoch eine positive Botschaft aus dem Vorfall. Sofort habe das Auto die Wasserstoffversorgung zum Motor unterbrochen, erklärte Sato in Suzuka vor Journalisten. Die Sicherungsventile hätten wie geplant funktioniert. „Wir wollen sicherstellen, dass Wasserstoff eine realistische Option für Antriebe bleibt“, begründete Sato zugleich das Engagement Toyotas für den umweltfreundlichen Kraftstoff, der kein klimaschädliches Kohlendioxid hinterlässt.

Seit zwei Jahren testet Toyota in der Rennserie schon Motoren, die nicht Benzin, sondern Wasserstoff verbrennen. Erst nutzte Toyota gasförmigen Wasserstoff, jetzt beginnen Renntests mit Wasserstoff in flüssigem Zustand. Zur Verflüssigung wird der Wasserstoff auf minus 253 Grad Celsius gekühlt und in thermoskannenartigen Tanks gespeichert. Der Vorteil ist, dass sich in flüssigem Zustand mehr Wasserstoff auf kleinem Raum speichern lässt als im gasförmigen Zustand. Die Reichweite steigt.

Toyota will sich nicht festlegen

In einer Zeit, in der die meisten Autohersteller das Verbrennerzeitalter hinter sich lassen und zunehmend auf Batterie-Elektroautos umschwenken, wirkt Toyotas Forschung in Sachen Wasserstoffautos vielen Beobachtern antiquiert. Doch das Unternehmen selbst sieht sich als Vorreiter. „Wir sehen ein signifikantes Potential, dass Wasserstoff ein Teil der Lösung sein wird, um die Karbonneutralität in der Zukunft zu erreichen“, sagt Toyotas Chefwissenschaftler Gill Pratt im Gespräch mit der F.A.Z., sei es mit einer Brennstoffzelle wie im Personenwagen Mirai oder als Treibstoff für einen Verbrennermotor wie im Corolla-Testwagen. Auf einen einzigen Antrieb jedenfalls will Toyota sich nicht festlegen lassen.

Es sei naiv, für das Verringern von Kohlendioxid-Emissionen auf die Monokultur einer Antriebsart zu setzen, sagt Pratt. Der Chef des Toyota Research Institute zieht einen Vergleich, der umweltbewussten Klimafreunden einleuchten müsste. „Wenn ich aus meinem Fenster schaue, sehe ich nicht nur eine Sorte Baum. Ich sehe Bäume, die in felsigem Boden gut wachsen und Bäume, die sich gut entwickeln, wo viel Erde ist. Ich sehe Bäume für feuchte Böden und Bäume für trockene Böden“, sagt Pratt. „In der Natur gibt es eine unglaubliche Vielfalt und das erlaubt es dem Leben auf der Erde, von unterschiedlichen Bedingungen zu profitieren. Ebenso verhält es sich mit der Technologie. Mit nur einer Lösung lässt sich nicht so viel Kohlendioxid reduzieren wie mit einer Vielfalt unterschiedlicher Lösungen.“

So wie die Natur sich an viele unterschiedliche Lebensbedingungen anpasst, liefert der größte Autohersteller der Welt Fahrzeuge mit unterschiedlichen Antrieben, um den Lebensbedingungen der Kunden gerecht zu werden. Umweltschützer kritisieren Toyota dafür, weil der Konzern nicht entschieden genug auf Batterie-Elektroautos umschwenke. Für 2030 plant Toyota mit 3,5 Millionen Batterie-Elektroautos im Jahr. Das ist nur gut ein Drittel der rund 10 Millionen Autos, die das Unternehmen üblicherweise jedes Jahr neu verkauft.

Toyota fühlt sich damit nicht als ökologisches Schmuddelkind, sondern im Gegenteil als realistischer Musterschüler. Wer schnell viel Kohlendioxid vermeiden will, muss nach dieser Denkweise die Vielzahl an Antrieben von Batterie-Elektroautos, Brennstoffzellenautos, Plug-in-Hybriden und einfachen Hybrid-Antrieben nicht nur zulassen, sondern gutheißen und verteidigen.

Politisches Tempo treibt Preise knapper Ressourcen

Pratt verweist auf Knappheiten, die berücksichtigt werden müssten. Knapp sei Lithium, das für die Batterien der Elektroautos gebraucht wird. „Es gibt nicht genug Lithium auf der Welt, damit alle Autohersteller nur noch Batterie-Elektroautos herstellen können“, sagt er. Je schneller die Politik den Umstieg auf Batterie-Elektroautos forciere, desto teurer würden das Lithium und der Umstieg auf die neue Technik, argumentiert er. Wenn die Menschen sich die neue Technik nicht leisten könnten und die alten Verbrenner weiterführen, sei für den Klimaschutz nichts gewonnen.

Knappheiten an Rohstoffen gebe es auch bei Nickel in genügend hoher Qualität oder bei Kupfer, sagt Pratt. Feststoffbatterien, an denen Toyota und andere arbeiten, könnten den Bedarf an Lithium um die Hälfte senken. Doch Pratt warnt, dass bis dahin noch viel Entwicklung zu leisten und die Technik noch sehr teuer sei. Feststoffbatterien seien keine „silberne Kugel“, die alle Probleme löse.

Dann holt der Wissenschaftler, der vor seiner Zeit bei Toyota am Massachusetts Institute of Technology lehrte und auch Roboter für das amerikanische Verteidigungsministerium erforschte, gedanklich den Rechenschieber hervor. Ein Elektroauto braucht mit seiner größeren Batterie so viel Lithium wie sechs vergleichbar große Plug-in-Hybride, die sich zusätzlich zum Benzinmotor an der Steckdose aufladen lassen. Die sechs Plug-in-Hybride vermeiden nach Toyotas Rechnung fünfeinhalb Mal so viel Kohlendioxid wie das eine Batterie-Elektroauto. Noch deutlicher fällt sein Vergleich mit einfachen Hybrid-Antrieben aus, die auf die Ladefunktion an der Steckdose verzichten und ihren Strom nur aus gewandelter Bremsenergie beziehen. Mit dem Lithium für ein Batterie–Elektroauto lassen sich 90 Hybride bestücken, die 35 Mal so viel Kohlendioxid einsparen wie das eine Batterie-Elektroauto.

Gegen zu viel Regulierung

Toyota leitet aus diesen Berechnungen ein Klima-Plädoyer nicht gegen Batterie–Elektroautos, sondern für eine ökologisch gebotene Vielfalt an Antrieben ab. Pratt verdeutlicht das an lebensnahen Beispielen. Straßenparker in Innenstädten würden mangels Ladestationen ein Batterie-Elektroauto wohl noch für viele Jahre nicht regelmäßig über Nacht aufladen können. Sie vermieden dennoch Kohlendioxid, wenn sie anstelle eines reinen Verbrenners einen Plug-in-Hybrid führen, damit sie auf die elektrische Ladung über Nacht nicht immer angewiesen seien.

Für Menschen in Vorstädten und mit Garagen, die eigene Ladestationen installieren können, sind Batterie-Elektroautos eher geeignet. Weniger begüterte Haushalte, die sich auch wegen des teuren Lithiums kein Batterie-Elektroauto leisten könnten, seien dennoch klimafreundlich unterwegs, wenn sie ein billigeres Auto mit Hybrid-Antrieb kauften. statt den alten Verbrenner weiter zu fahren. Auch Menschen in Entwicklungsländern, in denen das Stromnetz nicht stabil sei, gar nicht existiere oder nur Kohlestrom liefere, bräuchten eine Antwort, sagt Pratt.

Politische Empfehlungen sind Aufgabe des Wählers – nicht von Toyota

Konkrete politische Empfehlungen für Subventionen oder die Geschwindigkeit der Energiewende bei Autos leitet er aus seinen Überlegungen nicht ab. Das müssten in jedem Land die Wähler entscheiden. Aufgabe von Toyota sei es, den Kunden Optionen anzubieten. Doch Pratt singt das hohe Lied der „unglaublichen Vorteile der Vielfalt“ und der technologischen Offenheit. Toyota halte es für vernünftig, wenn die Politik auf dem Weg zur Karbonneutralität Wegmarken setze und die Menge des Kohlendioxidausstoßes be­grenze. Die Politik solle nicht versuchen, Unternehmen und Innovatoren im Detail vorzuschreiben, wie sie die Vorgaben er­reichen sollten. Offenheit ermögliche das größte Maß an Innovation und erlaube Un­ternehmen, die wirtschaftlichste Lö­sung herauszufinden. Verbraucher und Regierungen würden so ihre Finanzmittel am effizientesten einsetzen, sagt Pratt. Das wiederum ermögliche, an anderer Stelle mehr für die Vermeidung von Kohlendioxid auszugeben.

Obwohl viele Regierungen in Europa oder in Kalifornien mit Subventionen und Regulierungen dem Batterie-Elektroauto den Weg bereiten, sieht Toyota den Zug für Wasserstoffautos nicht abgefahren. „Wasserstoff ist keine Sackgasse“, sagt Pratt. Je größer die Autos seien bis hin zu Lastwagen, desto vorteilhafter sei es, Energie in schnell füllbaren Wasserstofftanks mitzunehmen, statt auf das langwierige Laden großer Batterien zu warten. „Dazu gibt es keine gute Alternative.“ Ab welcher Fahrzeuggröße Wasserstoff Batterien überlegen sei, werde sich zeigen. Das werde sich im Laufe der Zeit auch verändern.

Mit dem Brennstoffzellenauto Mirai setzt Toyota darauf, dass Wasserstoff als Energiequelle für einen Elektromotor auch in größeren Personenwagen eine gute Option ist. Demnächst beim 24-Stundenrennen auf dem Fuji Speedway will Toyota auch wieder die Wasserstoff-Verbrennermotoren testen. Ob diese Verbrenner in der Zukunft in Lastwagen oder Personenautos in Serie Verwendung finden werden, ist offen. „Die Wahrheit ist, dass wir es nicht wissen“, sagt Pratt. „Wir wissen nicht, was die beste Antwort in der Zukunft sein wird.“ Forschung bedeute, mit Geduld viele Optionen auszuprobieren, ohne zu wissen, welche erfolgreich sein wird. Diese Offenheit mahnt Toyota auch für den Weg in die klimaneutrale Zukunft an.

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