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Toyota Corolla: GR Circuit Edition im Test

Offiziell gibt es ihn nicht in Europa. Wir wollen trotzdem wissen, wie der GR Corolla geht, ob er ein ernstzunehmender Konkurrent für Golf R und Co wäre.

Es hätte so schön werden können … Wenn Toyota diesen GR Corolla nach Europa geholt hätte. Dann wären die Fans des GR Yaris happy, hätten einen passenden Zweitwagen für die Familie und bräuchten sich nicht vor Golf R und Civic verstecken. Sie merken schon, eine ganze Menge “Hätte, Wenn und Aber”.Das Dilemma ist ähnlich wie bei Hyundai, wir hatten ja schon letz­te Ausgabe drüber gesprochen, als wir den Avante N gefahren sind. Koreaner und Japaner machen im Prinzip das gleiche Spiel, man spart sich für diverse Nischenmodelle die Entwicklungskosten für Euro 7 und Ottopartikelfilter, denn die verkauften Stückzahlen wären so­wieso nicht hoch. Und dass man es auch so draufhat, haben Hyun­dai i30 N und Toyota GR Yaris längst bewiesen. Beide Autos trafen damals genau den Puls der Zeit, viele Golf-GTI-Fahrer wechselten ins Hyundai-Lager, die GR Yaris waren schnell vergriffen.

Supertest: Toyota GR Corolla

Ein paar der Fans hat man inzwischen wie­der verloren. Weil? Nun ja, Hyun­dai hat die N-Verbrenner begraben und will es über die bisher von den eingefleischten N-Fans nicht gut angenommene Elektroschiene versuchen. Toyota dagegen hat anfangs zu wenige GR Yaris im­portiert, heute noch warten einige auf ihre Autos. Und auch hier hät­ten die Fans noch mehr Modelle als Supra und GR86 erwartet. Zu­mal es einen Golf-R-Konkurrenten in Form des GR Corolla gibt, leider nur jenseits des Atlantiks.toyota corolla: gr circuit edition im test

Das Cockpit erscheint mit partiellem Alcantara wertig, die digitalen Anzeigen sind sportlich und bieten alle Infos.

Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD

Teures Import-Modell

Aber wie kommt es, dass Sie hier trotzdem einen dieser Gazoo-Viertürer mit deutschem Kennzei­chen sehen? Ganz einfach, die sonntägliche Rumstöberei im Netz durch die Verkaufsportale. Macht man so als Petrolhead. Und bei der Suche nach einem dieser raren Yaris GRMN hatte ich mich irgend­wann in der Suchmaske vertippt, und mir wurde GR Corolla vorge­schlagen. Interessehalber geklickt, und siehe da: Mir wurden tatsäch­lich drei neue GR Corolla ange­zeigt, Toyota-Autohaus Kirschwei­ler in Idar-Oberstein. Kein Fake, echte Fotos und Angaben. Montag früh ans Telefon, und Chef Heiko Schmitt erklärte mir, dass er wirk­lich diese Autos aus den USA im­portiere. Testfahrt? “Ja, klar, gern, kein Problem, holen Sie sich das Auto einfach ab.” So was lassen wir uns nicht zweimal sagen. Direkt am nächsten Tag hoch nach Rheinland-Pfalz, Mietvertrag unterschrieben und ab zum Sach­senring.Kurz vor der Abfahrt klär­te uns Schmitt noch über das Auto und seinen exorbitanten Preis auf. Festhalten! 86.480 Euro! Zum Vergleich: In den USA ver­langt der Händler 35 900 Dollar für die Basisvariante Core und 42.900 Dollar für die von uns ge­fahrene Circuit Edition. Für alle, die jetzt Google bemühen und “Umrechner” eingeben, diese GR Corolla hätten zum Redaktions­schluss umgerechnet 32.700 und 39.180 Euro gekostet. Diese Preise in Deutschland für so ein Auto, der GR Corolla wäre ein Kassenschla­ger. Zumal die Konkurrenz von Audi, Mercedes und VW 10 000 bis 20 000 Euro teurer ist. Okay, aber warum 84.680 Euro? Schmitt rech­net vor: Mehrwertsteuer, Zoll, Frachtkosten, Erstellen der Gut­achten inklusive Lichtanlage, Ab­gas- und WLTP-Tests, rote Nebel­leuchte plus US-Händler-Aufschlag von rund 15.000 Dollar. Ob das Auto diesen Preis wert ist? Ohne einen Meter gefahren zu sein: nein, zu teuer. Dennoch wollen wir wis­sen, was wäre, wenn. Wie würde er abschneiden im Vergleich zur Konkurrenz und zum kleinen Bruder Yaris? Mit seinen 305 PS tritt er indirekt gegen A 35, S3, M135i und Golf R an.toyota corolla: gr circuit edition im test

Auch bei den etwas zu hoch geratenen Sportsitzen bediente Toyota sich Yaris.

Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD

Viel Technik aus dem Schwester-Modell

Bevor wir einsteigen, ein paar Fakten zur Technik. Ob­wohl hier schon “acht Zenti­meter” reichen würde. Was bitte? Ja, der einzige große Unterschied zwischen GR Yaris und Corolla ist der län­gere Radstand des Viertürers. Der Rest ist fast eins zu eins eine Übernahme aus dem kleinen Spaßwürfel. Genau­er? Unter der Haube befindet sich ebenfalls der stärkste Serien-Dreizylinder der Welt. Der 1.6er leistet hier aber 305 (über Auspuff und Elektro­nik) anstatt 261 PS und 370 Nm. Sein recht gewaltiger Turbo ist kugelgelagert. Die Maschine selbst ist auf einer Seite hydraulisch gelagert, um Vibrationen und unge­wollte Bewegung zu mini­mieren. Einzige Getriebeoption ist eine manuelle Sechsgangbox.Das Allrad­system ist ebenso vom Yaris übernommen, soll das leich­teste auf dem Markt sein. Leicht heißt hier jedoch nicht simpel. Es gibt ein zentrales Verteilergetriebe aus Alumi­nium, das im Normal-Modus 60 Prozent der Kraft an die Vorderräder überträgt. Dann das driftorientierte Verhält­nis 30:70, und in “Track” sind es 50:50. Bei der von uns ge­testeten Circuit Edition sind zudem an Vorder- und Hin­terachse die aus dem GR Yaris bekannten Torsen-Sperrdiffs verbaut. Bremsen, Räder, Fahrwerk? Eins zu eins vom Yaris, die Dämpfer­abstimmung ist an Mehrge­wicht und Radstand ange­passt. Die vielspeichigen Enkei-Felgen gehen einen halben Zoll mehr in die Brei­te. Weil? Der Corolla steht auf 235er-Michelin Pilot Sport 4, der GR Yaris trägt 225/40 R 18. Zusätzliche Verstrebun­gen im Hinterwagen sollen die Verwindungssteifigkeit optimieren.Und die Karos­serie? Die Frontschürze ist mit Wabengrill und vergit­tertem Kühleinlass-Schlund ag­gressiv gestaltet, die Luftauslässe in der Motorhaube gibt es nur bei der Circuit Edition. Die weit aus­gestellten Radhäuser zeigen sich vorn mehrfach geschlitzt und hin­ten auf die Karosserie aufgesetzt. Sie verbreitern den GR Corolla im Vergleich zum Basismodell an der Vorderachse um 20 und im hinte­ren Bereich um 30 Millimeter. Der Heckdiffusor beherbergt das wohl auffälligste Design-Detail des Toyota GR Corolla: die drei Endrohre der Abgasanlage, deren äußere Vertreter klassisch rund geformt sind, während das zentrale Element ein Oval darstellt. Gewicht? Das Dach ist aus Forged Carbon, Türen, Motorhaube und Heckklappe sind wie beim Yaris aus Aluminium. Macht zusammen 1483 Kilo. Der GR Yaris? 200 Kilo leichter. Die Konkurrenz? A 35: 1567 kg, S3: 1533 kg, M135i: 1521 kg, Golf R: 1504 kg. Keine Äpfel und Birnen also. Steigen wir ein.toyota corolla: gr circuit edition im test

Optisch, technisch null Unterschiede zum GR Yaris: der Dreizylinder-Turbo mit 1,6 Litern Hubraum.

Bild: Ronald Sassen / AUTO BILDEhrlich: Das letzte Mal, dass ich in einem Corolla gesessen bin, ist schon locker zehn Jahre her. Lo­gisch, gab ja auch nix Sportliches bis dato von dem Modell. Auf je­den Fall ist das Cockpit gelungen, nicht zu modern und digital wie manche deutsche Fabrikate, die Sitzposition einen Tick zu hoch, Seitenhalt ist gut, der Schalthebel liegt in Griffweite, der zentrale Mo­nitor in der Mitte ist übersichtlich. Hinter dem Lenkrad ein digitales Display, das mit mittigem rundem Drehzahlmesser und Balken konfigurierbar ist. iMT-Zwi­schengasautomatik und ESP-Ein­stellung links neben dem Lenkrad, hinter dem Schalthebel die Allrad- Verstellung und darüber der Kipp­schalter für die Fahrprogramme Eco, Normal, Sport und Custom (individuell: Lenkrad, Gaspedal).

Überzeugende Performance

Ab auf die Piste. Fenster runter, Ohren auf, innen leiser als außen, das war im GR Yaris noch anders­rum. Herrlich, wie die drei Fanfa­ren am Heck musizieren. Der Drei­zylinder vorn klingt eher mau, dessen Sound wird über die Laut­sprecher künstlich sportisiert. Fährt wie? Was der GR Corolla auf der Straße abzieht, ist schon gro­ßes Kino. Subjektiv auf einem Le­vel mit dem Golf R. Der Viertürer saugt sich entschlossen in Kurven hinein, wedelt ihnen unverblümt um den Scheitel, ehe er sich mit seinen gesperrten Achsen ent­schlossen wieder auf die Gerade zerrt. Der längere Radstand und die breiteren Michelin-Sohlen ver­schieben den Grenzbereich deut­lich weiter nach oben als im GR Yaris. Nur beim Motor ist das Grin­sen nicht ganz so breit. Der drückt zwar ordentlich, doch da gehen die Zweiliter-Turbos von AMG, BMW und VW deutlich besser. Klar, Hubraum ist durch nichts zu ersetzen als durch mehr Hubraum. Autobahn ist deutlich entspannter als im kleinen Yaris, nur sind hier die 230 km/h Topspeed wirklich ein Witz. Antrieb und Chassis lassen locker 250 und mehr zu, schade. Verbrauch? Nicht die Welt. Zehn Liter im Schnitt, sie­beneinhalb bei sorgsamer Sohle. Was will man mehr?Ab auf das DEKRA-Testoval zur Längsdynamik. Im Startblock per Handbremse vorspannen, Vollgas und ohne Hemmung die Kupplung fliegen lassen. Mit leichtem Schlupf über alle viere zerrt der Corolla zünftig die Drehzahlen entlang und jodelt ganz munter auf die Sechstausender zu. Ganz oben, wenn er sich in seine Dreh­zahlreserve streckt, merkt man dem Turbo an, dass er ganz schön kämpfen muss.Dennoch: Wenn alles passt und man das präzise geführte Sechsganggetriebe ent­schlossen und per Flatshift durch­rupft, presst man den schwereren Corolla genauso in 5,0 auf 100 wie den GR Yaris. Auch die 18,7 Sekun­den auf 200 können sich sehen las­sen, die Konkurrenten sind bis auf den Golf R alle langsamer. Verzö­gerung? Rein theoretisch, mit den Pellen und den geschlitzten Schei­ben, sollte passen. Na ja, das Heck bleibt im Gegensatz zu den Yaris- Bremsungen deutlich stabiler, doch generell ist das Bremsen nicht seine Stärke. 34,1 Meter aus 100, da stehen ein paar Konkur­renten mit schlechteren Reifen ein bisschen eher. Das ABS ist fein ab­gestimmt, doch der Pedaldruck wird von Bremsung zu Bremsung weicher. Wir reden hier von einem leichten Kompakten, nicht von einem 2,3-Tonner à la Audi RS 7. Aus Tempo 200 wird das Pedal dann schon sehr lang und zwingt die Anlage in die Knie. Das sollte bei den paar schnellen Runden aufdem Sachsenring aber keine große Rolle spielen.toyota corolla: gr circuit edition im test

Der Corolla fetzt auf zwei Rädern ins Omega, die direkte Konkurrenz ist aber schneller.

Bild: Ronald Sassen / AUTO BILD

Viel Grip und ordentlicher Fahrspaß

Rabiat, scheinbar endlos und vollkommen unbeeindruckt vom Streckenlayout fetzt der Corolla durch die Kurven, als sei er schon öfter hier gewesen. Das Fahrwerk passt nahezu perfekt. Die Vorder­achse giert der Linie wie besessen hinterher, beißt, klammert und zerrt, während das Heck hauch­sanft über Lastwechsel mithebelt, ohne jemals wegzurutschen. Die schnellen Ecken gehen allesamt voll, und über all dem Gebolze wacht eine gute Rückmeldung. Je härter man die Curbs überfliegt, desto besser. Stabilität und Agilität sind in spielerischem Einklang. Die vorhin noch getadelte Bremse spricht anfangs fast schon zu ag­gressiv an, wird erst mit steigender Temperatur etwas softer. Die Rei­fen kleben dafür schon zum ersten Scheitel. Und ja: Sie kleben wirk­lich. Die 235er-Michelin Pilot Sport 4 fühlen sich an wie Semislicks, rein über den Gummi verliert der Corolla hier keine Zehntel.Das klingt alles nach sauschnell und jeder Menge Spaß. Na ja, an der einen oder anderen Ecke schmun­zelt man schon, aber schnell ist das leider nicht, zumindest auf der Uhr. Der Abstand zum GR Yaris ist in den ersten drei Sektoren im Hundertstelbereich. Erst am Ende der Runde, wenn es schnell wird und man Power braucht, holt sich der Corolla den entscheidenden Vorsprung. Doch die Konkurrenz ist weit entfernt. Lediglich A 35, S3 und M135i fahren in etwa auf dem Niveau, nicht so spaßig wie der Japaner, aber ähnliche Rundenzei­ten. Doch ganz ehrlich, mit so viel optischem Krawall und mit dem Renn- und Rallye-Background hät­te mehr Performance herauskom­men müssen.Gewicht und Allrad passen, aber der Dreizylinder ist für einen Kompakten zu schwach, 350 bis 380 PS hätten dem Corolla gut gestanden. Und ob die ebenfalls in Japan und den USA erhältliche Morizo-Edition (kürzeres Getriebe, 50 Kilo leichter, 400 Nm) näher in Richtung Golf R und Civic Type R fährt, wir glauben es nicht. Auf den Punkt: Den Hype um den GR Yaris würde der Corolla in Deutschland nicht erreichen. Ist also vielleicht ganz gut so, dass der GR Corolla nur außerhalb Europas gegen die Konkurrenz antreten muss. Wo im Übrigen Golf R und Civic ebenfalls 45.000 Dollar kosten.

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