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Test Mini JCW Countryman (2024): Leipziger Allerlei

Der neue Mini JCW Countryman (2024) auf einen Blick

  • Bisher größtes Mini-Modell
  • Technisch verwandt mit dem BMW X1
  • 2,0-Liter-Turbo, 300 PS, 400 Nm
  • 0-100 km/h in 5,4 s, Vmax 250 km/h
  • Verspielte Optik und Bedienung
  • Grundpreis (Deutschland) ab 56.500 Euro

test mini jcw countryman (2024): leipziger allerlei

Wenn Marketing auf Realität trifft

Das ist jetzt ein bisschen schwierig zu erklären, vor allem für die BMW-Tochter. Wie kann ein 4,44 Meter langes SUV, das noch dazu knapp 1,7 Tonnen auf die Waage bringt, noch Mini heißen? Die Presseabteilung versucht es so zusammenzufassen: „Das neue Crossover-Modell strahlt mit frischem, minimalistischen Design seine kraftvolle Vielseitigkeit auch abseits befestigter Straßen aus. Gleichzeitig bietet der bisher größte MINI markentypisches Gokart-Feeling mit noch mehr Platz, Komfort und Sicherheit.“

Was zunächst klingt wie ein einziger Widerspruch, ergibt auch nach ein paar Minuten Bedenkzeit wenig Sinn. Großes Auto und Gokart-Feeling? Sorry, aber das passt halt nicht zusammen. Die Ingenieure bei Mini haben es dennoch versucht und insbesondere aus dem 300 PS (Testverbrauch ca. 9,5 l/100 km) starken John Cooper Works (JCW) Countryman eine automobile Wundertüte gemacht. Während der neue BMW X1 zwar die technische Basis stellt und sich beide Modelle im Leipziger BMW-Werk sogar die Fertigungsbänder teilen, spürt man vom sachlichen, gar nüchternen Auftritt des X-Modells im Mini wenig.

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Hartes Fahrwerk, beliebige Lenkung

Es scheint, dass der “Tiguanige”-Grundcharakter, den wir beim X1 einst bemängelt hatten, die Verantwortlichen bei Mini nicht zufriedengestellt hat. Daher wurde der JCW Countryman zu dem, was er heute ist: einem ziemlich unruhigen Auto. Es fängt damit an, dass das adaptive Fahrwerk, ganz gleich in welchem Fahrmodus, viel zu straff federt. Die Spreizung zwischen Komfort und Sport ist so gering, dass man sich die variablen Dämpfer auch hätte sparen können.

Zum Unbehagen trägt allerdings auch das Lenkverhalten bei. Es mag sein, dass ich nicht zur Gänze die Philosophie eines Minis verstehe – aber das tut der Countryman ja auch nicht. Für ein solches SUV stellenweise zu nervös, über alle Fahrmodi hinweg aber bedeutend zu rückmeldungslos, will der JCW über das Volant eine Leichtigkeit vermitteln, die das Fahrzeugkonzept am Ende nicht liefern kann.

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Geradeaus ist der JCW Countryman wahrlich schnell – und unruhig

Aber ohne all diese Maßnahmen, wäre es kaum möglich gewesen, die Wuseligkeit (sprich das Gokart-Feeling) eines alten Minis im Ansatz zu imitieren. Die Frage stellt sich nur: Warum? Denn außerordentlich sportlich wird der JCW Countryman dadurch weiterhin nicht. Zwar sprintet der 300 PS und 400 Nm starke 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo beherzt voran (0-100 km/h in 5,4 s), wenn sich das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe endlich für eine passende Fahrstufe entschieden hat; Kurven sind aber nicht gerade das bevorzugte Terrain dieses Hochbeiners.

Das hohe Leergewicht und der hohe Aufbau führen zu einer gewissen Ungelenkigkeit, die wir so im Hause BMW und und vor allem bei Mini selten erlebt haben. Doch auch der Geradeauslauf des JCW ist nicht perfekt. Das wird besonders bei höherem Tempo auf der Autobahn spürbar. Freilich gehen 250 km/h mit diesem Power-Countryman. Aber wollen tut man das halt nicht. Genauso wenig wie den nervtötenden „Mini-Sound“. Ein sehr kunstvoll angemixter Auspuffklang in erhöhter Lautstärke, der sich glücklicherweise deaktivieren lässt.

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Das Design scheint auf den zweiten Blick gelungen

Können Außendesign und Innenraum den eher mäßigen Fahreindruck ausgleichen? Das kommt darauf an, ob man für diese Art des Fahrzeugbaus empfänglich ist. Nach längerer Betrachtung findet das Auge jedoch immer mehr Punkte am Mini JCW Countryman, die ihm gefallen. Gerade in der Zweiton-Lackierung des Testwagens mit rot abgesetztem Dach macht das SUV einiges her – die vierflutige Abgasanlage erzeugt einen runden Abschluss.

Der Innenraum ist dann vor allem: Cool. Das dick geschäumte Sportlenkrad mit dem lässigen Band, das eine dritte Speiche imitieren soll. Der hinterleuchtete Recycling-Stoff des Armaturenbretts, der runde Infotainment-Bildschirm sowie die einstellbaren Lichtsignaturen für die Außenbeleuchtung: Richtig cool. Uncool ist dagegen die Tatsache, dass die vorderen Passagiere für mindestens 56.500 Euro unterhalb der riesigen Frontscheibe immerzu auf krudes Hartplastik blicken. Zudem wirkt es im Jahr 2024 irgendwie befremdlich, in einem Neuwagen ein Head-up-Display mit einer Projektionsscheibe vorzufinden.

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Viel Platz… für Verbesserungen

Das haptische Erlebnis (vor allem der letzten verbliebenen Kippschalter und der Lüftungsdüsen) bleibt ebenfalls hinter den Erwartungen zurück, genauso wie die Bedienqualität, die sich in ihrer Verspieltheit verliert. Es scheint, BMW hat in Richtung Mini etwas zu sehr an der Sparschraube gedreht. Eingaben im Infotainment-System werden oft nur sehr verzögert umgesetzt und, untypisch für BMW, hat auch die Sprachsteuerung wiederholt Verständigungsprobleme.

Auftrumpfen kann der Mini Countryman am Ende vor allem durch sein Raumangebot. Vorne wie hinten finden Erwachsene stets angenehm viel Platz (Ladevolumen: 505 – 1.530 Liter), die Übersichtlichkeit nach vorne ist gut, nach hinten und zu den Seiten hilft ein 360-Grad-Kamerasystem. Die Sportsitze sind per se bequem, allerdings hätten wir uns noch eine verstellbare Kopfstütze und ausziehbare Beinauflagen gewünscht.

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Fazit

Eine Sache kann man dem neuen Mini JCW Countryman nicht absprechen: Sowohl innen als auch außen sieht er ziemlich cool und eigenständig aus. Noch schöner wäre es jedoch, wenn er sich – insbesondere angesichts eines Testwagenpreises von über 66.000 Euro – ebenso cool und eigenständig fahren lassen würde. Stattdessen versucht dieses SUV etwas zu sein, was es nicht sein kann: ein kleines, wendiges Auto. Wer im Alltag mehr Ausgewogenheit sucht, greift besser zum Original, dem BMW X1. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)

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