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Montag Special: Tesla Semi-Hype – schon wieder vorbei?

montag special: tesla semi-hype – schon wieder vorbei?

Die Vorstellung der Serien-Version des Tesla Semi am 1. Dezember warf eine Menge Fragen auf. Hat Elon Musk nicht die ganze Wahrheit erzählt?

Tesla Semi-Hype – schon vorbei?

Am Freitag berichteten wir von der Vorstellung des Tesla Semi im „Serientrimm“. Bereits einige Tage vorher hatte Elon Musk auf twitter (wo sonst?) kolportiert, dass ein vollbeladenes Semi-Gespann mit einer Batterieladung 800 Kilometer weit gekommen sei. Die Erläuterungen und Details folgten am 1. Dezember zum „Semi Delivery Day“. Das sollte eigentlich die Kritiker zum Verstummen bringen. Weit gefehlt. Der Event warf mehr Fragen als Antworten auf.

Duplizität der Ereignisse

Wie schon bei der Einführung der Elektrolimousinen wiederholten sich die selben Argumente. Musk würde nicht alle Informationen teilen – was diesmal tatsächlich stimmte. Das Portal Jalopnik.com titelte gar: „Wir wissen immer noch nichts über den Tesla Semi.“  Und damit haben die Kritiker tatsächlich recht, denn zwei ganz entscheidende Parameter und Informationen blieb Musk dem Publikum schuldig. Zum einen sagte er nichts zur Zuladung des Testgespanns und zum anderen war bis heute nicht herauszukriegen, was denn ein Tesla Semi aktuell kostet.

TCO und Kosten

Das wäre jedoch in der Tat von großer Bedeutung. Denn, wenngleich der Lastzug 800 Kilometer mit einem recht eindrucksvollen Gesamtgewicht weit kam, ist das kaum relevant, so lange man nicht weiß, wieviel Ladung er tatsächlich transportierte. Und ein TCO ohne Anschaffungskosten ist Glaskugellesen.

Vor gut einem Jahr lehnte sich „Adam Something“ auf Youtube weit aus dem Fenster und erklärte den Tesla Semi vor allem wegen der zu erwartenden Zuladung „zum Mißerfolg“. Seine Berechnung klingt nachvollziehbar, ist aber, um es klar auszudrücken, vollkommener Blödsinn. Something (was für ein Name) argumentiert, dass 1 kg fossiler Kraftstoff durch 20 kg Batterie ersetzt werden könne. Mit anderen Worten: die 874 kg Kraftstoff (das sind nach seiner Berechnung 1.135 Liter Kraftstoff) in einem herkömmlichen Diesel-Lkw müssten somit durch eine 17 Tonnen-Batterie ersetzt werden. Hinzu käme noch das Gewicht der Zugmaschine an sich. Seine Rechnung beschliesst er mit dem Ergebnis, dass der Semi gerade mal eine Ladung von lächerlichen 3 Tonnen transportieren könnte, um die versprochenen 800 Kilometer weit zu kommen.

montag special: tesla semi-hype – schon wieder vorbei?

17 Tonnen für eine Batterie mit 1 MWh-Kapazität? Die Berechnung ist komplett falsch.

Seltsame Mathematik

Die Mathematik dahinter hört sich auf den ersten Blick plausibel an, ist aber tatsächlich der verschattete Blick eines Tesla- und Elektromobilitäts-Hassers. Gehen wir doch seine Berechnungen mal anders durch: die Semi-Batterie dürfte eine Kapazität von etwa 1 MWh haben. Der Batterie-Pack des kürzlich vorgestellen Hummer EV hat eine Kapazität 246,8 kWh, die Batterie wiegt so viel wie ein BMW i3 – also etwa 1.400 kg. Nun extrapolieren wir Kapazität und Gewicht auf 1 MWh und kommen auf etwa 6 Tonnen Gewicht für den gesamten Batterie-Pack. Alles unter der Annahme, dass die Energiedichte des Hummers etwa der des Semi entspricht. Vieles spricht allerdings dafür, dass Tesla hier bereits weiter ist. Sei’s drum. Berechnen wir auf dieser Basis das Gewicht der Zugmaschine neu, kommen wir auf 22 Tonnen Gewicht, was deutlich WENIGER wäre als die 33 Tonnen von Somethings Berechnungen.

Wir nehmen aber tatsächlich an, dass das Gewicht des der elektrischen Zugmaschine niedriger sein könnte. Immerhin wiegt beispielsweise jeder der drei Elektromotoren, die im Semi verbaut sind so wenig, dass er von einem kräftigen Menschen ohne Probleme transportiert werden könnte. Zudem liegt „Something“ auch beim Gesamtgewicht der Elektro-Gespanne falsch, denn das liegt in den USA höher als bei einem normalen Gespann – 80.000 Pfund vs 82.000 Pfund also 36,3 vs 37,2 metrische Tonnen. Mit anderen Worten, die Ladekapazität eines Semi könnte bei 15,2 metrischen Tonnen liegen, das sind knapp 4 Tonnen weniger als bei einem Dieseltruck.

montag special: tesla semi-hype – schon wieder vorbei?

Der Rechenfehler zieht sich wie ein roter Faden durch die Zahlenjongliererei des Youtubers …

Stromkosten vs Dieselkosten

Der zweite große ungeklärte Block sind die Stromkosten. Deutsche Kritiker wenden ein, dass die Testfahrt 124 kWh pro 100 Kilometer verbraucht hat. Das wären nach deutschen Stromkosten, womöglich an einer Schnelllade-Säule an der Autobahn nachgeladen, immerhin 74,4 Euro, vorausgesetzt, die kWh kostet 0,60 ct. Für 74,4 Euro könnte man bei den derzeitigen, gerade wieder gesunkenen Dieselpreisen (1,80 Euro/Liter), 41 Liter tanken. Das ist ziemlich genau der (Spitzen-)Verbrauch eines herkömmlichen Lkw. Mit anderen Worten, über den Kraftstoff liesse sich, zumindest hierzulande, auf den ersten Blick kaum etwas einsparen.

👉 TESLA SEMI FUEL ECONOMICS 👈

Diesel-trucks gets 6.5 miles per gallon. Diesel is about $5 per gallon. That's $0.77 cents per mile

Tesla Semi uses 1.7kWh per mile. Average cost of electricity is $0.166 per kWh. That's $0.28 per mile.

👉 Savings $0.49 per mile

Next.. pic.twitter.com/N1lMN3jYi7

— Ezer (@EzerRatchaga) December 3, 2022

Deutsche Strompreise

Das ist richtig. Andererseits ist Deutschland dafür bekannt, die teuersten Energiepreise weltweit aufzurufen – eine Tatsache, die letztlich dazu führt, dass eine Öko-Transformation des Verkehrs hierzulande vermutlich langsamer vonstatten gehen wird, als anderswo. Zum Beispiel in den USA. Dort kostet die Kilowattstunde derzeit 0,166 US-cent. Der Semi kostet dort also rund 33 ct pro Meile (Verbrauch 2 kWh/Meile). Demgegenüber stehen 6,5 Meilen pro Gallone für einen Diesel-Truck, was zu doppelten Meilen-Kosten führt, nämlich 77 US-cents. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass sich hier (wie auch bei uns) eine Nutzung von Industriestrom anbieten würde, der dort sogar noch erheblich günstiger ist.

Norwegen

In Norwegen hingegen würde der Semi weit mehr Sinn ergeben, als bei uns. Dort kostet laut Daten von „Ezer“ einem Twitter-User die Gallone Diesel umgerechnet 8 US-Dollar, der Strom aber nur 0,145 US-Dollar pro kWh. Die Einsparung würden sich in 15 Jahren zu rund 660.000 US-Dollar summieren. Nimmt man nun noch die niedrigeren Unterhaltskosten eines Elektrofahrzeugs als Grundlage, die auch für einen Lkw gelten könnten, ergibt sein ein satter Kostenvorteil über diesen Zeitraum.

Was kostet der Semi?

Bei Vorstellung des Semi 2017 versprach Musk, dass der rund 180.000 US-Dollar kosten würde. Ein Preis, der unter heutigen Gesichtspunkten kaum haltbar ist. Allein die Batteriekosten für 1 MWh-Kapazität würden sich (Daten von Cleanerwatt zugrundegelegt) auf 135.000 US-Dollar summieren. Kaum vorstellbar, dass der Rest des Semi mit nur 45.000 US-Dollar bezahlt wäre. Was aber im Hinblick auf die obigen Zahlen kaum ins Gewicht fallen würde. Selbst wenn der Semi inzwischen 250.000 US-Dollar kosten würde, wäre sein TCO über 15 Jahre um 400.000 – 500.000 US-Dollar günstiger als ein vergleichbarer Diesel-Truck.

e-engine meint: wir haben uns hier auf das Gebiet des berühmten Glaskugellesens gewagt. Die Annahmen klingen zwar plausiblel, könnten aber genauso gut ziemlich falsch und fehlerhaft interpretiert sein. Nach wir vor wundern wir uns (mit Jalopnik und anderen Kritikern) darüber, warum Musk die Parameter und Zahlen nicht am 1. Dezember präsentierte. Zudem zweifeln einige Brancheninsider daran, dass es sich bei den vorgestellten Semis für Pepsi und andere Unternehmen tatsächlich um echte Serienfahrzeuge handele. 2023 wird also, was das betrifft, weiter spannend bleiben.

Fotos: Adam Something (Youtube Stills), Tesla, istock

Der Tesla Semi ist eine Ingenieurs-Fehlleistung

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