Finanzen

Tesla

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

Autoindustrie: Tesla schafft den Blinkerhebel ab

Autohersteller versuchen, jeden Cent zu sparen – auch wenn es auf Kosten der Sicherheit geht. Den Blinker bedient man bei Tesla künftig mit Knöpfen.

autoindustrie: tesla schafft den blinkerhebel ab

Bei Tesla geht fast alles über den Touchscreen. Sicherheitsexperten sind nicht begeistert.

Der Griff zum Blinkerhebel ist für Autofahrer und -fahrerinnen so selbstverständlich, dass sie gar nicht darüber nachdenken müssen. Doch wer in einem neuen Tesla Model 3 unterwegs ist, greift ins Leere. Mit der Überarbeitung unter dem Namen Highland hat Tesla den Hebel abgeschafft. Der Blinker wird nun über zwei Tasten links im Lenkrad aktiviert, die durch einen Grat getrennt sind und so theoretisch blind betätigt werden können. Das klappt – bis man aus einem Kreisel ausfahren muss. Dann geht der Blick selbst nach Hunderten Kilometern im Model 3 suchend aufs Lenkrad, wenn man sich eigentlich auf den Verkehr konzentrieren sollte.

Das steht für einen Trend, der über Tesla und Blinkerhebel hinausgeht. Autohersteller sparen bei Bedienelementen – teils auf Kosten der Sicherheit.

Teslas Bedienkonzept ist schon immer speziell. Es kommt fast ohne physische Elemente aus. Die erste Baureihe der Oberklasse-Limousine Model S hatte außer des Blinkerhebels links am Lenkrad und jenem rechts für die Fahrstufenwahl und den Autopiloten lediglich einen aus der damaligen Perspektive überdimensionalen Touchscreen in der Mittelkonsole. Hier konnte alles von der Innentemperatur bis zur Musik eingestellt werden. Es waren nur zwei physische Druckschalter vorhanden – einer für die Warnblinkanlage und einen zum Öffnen des Handschuhfachs.

Hebel in Griffweite des Lenkrads gab es zunächst noch im Model S. Sie wurden jedoch schon 2022 abgeschafft. Wegen der geringen Stückzahlen hat die Öffentlichkeit das nur kaum bemerkt. Überlagert wurde dieser Aspekt durch die Diskussion über das Lenkrad selbst, das auf Wunsch wie in der TV-Serie Knight Rider ohne durchgehenden Kranz geliefert und von Tesla Yoke (Englisch für Joch) genannt wird.

Mit Ausnahme des Yoke-Lenkrads wurde das minimalistische Bedienkonzept jetzt aus dem Model S auf das beliebte Model 3 übertragen. Auch das SUV Model Y, zuletzt das meistverkaufte Auto der Welt, wird 2025 umgerüstet.

Von Drehreglern zur Gestensteuerung

Das Thema ist jedoch größer als die Blinkerbedienung. “Bring back buttons” – bringt die Knöpfe zurück! –, fordert Matthew Avery bei LinkedIn. Avery leitet die Strategieentwicklung bei EuroNCAP. Das ist der Verein, der bis zu fünf Sterne für die Sicherheit von Autos vergibt.

Was Avery meint: Physische Bedienelemente wie Tasten, Druckschalter oder eben Blinkerhebel verschwinden Stück für Stück aus neuen Autos, da immer mehr Funktionen per Touchscreen gesteuert werden. Nicht nur EuroNCAP warnt, dass das Fahrerinnen und Fahrer ablenke und so die Unfallgefahr erhöhe. Ab 2026 werde dieser Aspekt in der Bewertung stärker berücksichtigt, kündigte Avery an.

Fast alle neuen Autos haben einen Touchscreen. Dazu kommt bei einigen Marken ein physischer Drehregler für die Lautstärke, bei anderen nicht. In vielen BMWs kann die Lautstärke optional mit Gesten gesteuert werden. Bei Volkswagen gibt es Mulden – sogenannte Slider – über die die Innentemperatur geregelt wird. Alles ist möglich, nichts der Regelfall.

Oldtimerfans verweisen gern auf den Citroën CX, bei dem der Blinker über einen Wippschalter aktiviert wurde, der sich nach der Rückdrehung des Lenkrads nicht von selbst abgeschaltet hat. Das wirft die Frage auf: Gewöhnen sich Menschen nicht an jedes Design?

Es sei völlig okay, wenn es nicht für alle Funktionen einheitliche Bedienstrukturen gebe, sagt Florian Hördegen, Leiter Fahrzeugtechnik am ADAC-Technikzentrum. Aber Untersuchungen zeigten, dass die Touchbedienung im Schnitt zwei Sekunden länger dauere als die mit Tasten. “Wir wünschen uns, dass für sicherheitsrelevante Kernfunktionen wie den Scheibenwischer oder die Belüftung ein Direktzugriff vorhanden ist”, sagt Hördegen.

Eine Ursache für den Trend zu Touchscreens sieht der ADAC-Experte im Geld: “Kosten und Design stehen bei der Entwicklung zu oft im Vordergrund. Am Ende geht das zulasten der Sicherheit.” Er verweist auf den enormen Kostendruck in der Autoindustrie. Auch wenn statt eines Blinkerhebels zwei Tasten im Lenkrad integriert sind, sei das günstiger – jeder Cent zählt.

Allerdings sollte nicht unterschätzt werden, wie anpassungsfähig Menschen sind. Bis zum Erscheinen des Apple iPhones im Jahr 2007 waren berührungsempfindliche Bildschirme nicht üblich. Inzwischen versuchen Kleinkinder, auf den Papierseiten eines Buchs zu wischen. Es kann also eine Generationenfrage sein, wie ein Auto gesteuert wird. Wer es klassisch mag, dürfte sich weiterhin in einem Toyota RAV4 wohlfühlen. Hier existiert die Welt der Schalter und Drucktaster noch.

Klar ist jedoch: Wenn ständig neue Funktionen wie Park- und Spurhalteassistenten oder die Lenkradheizung und für jede ein physisches Steuerelement hinzukommen, ist das Armaturenbrett überfrachtet.

Die Antriebsart spielt keine Rolle

Ob E-Auto oder nicht, spielt bei all diesen Überlegungen keine Rolle. Zwar hat Tesla – quasi das Synonym für Elektroautos – den Touchscreen initiiert. Das hat zu der irrigen Annahme geführt, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mit einer eher analogen Bedienung verknüpft wären. Dass das nicht so ist, zeigen unter anderem die aktuellen BMWs, bei denen es im Cockpit keine Unterschiede zwischen Versionen mit Elektro- und denen mit Verbrennungsmotor gibt.

Tesla jedenfalls wird das Fünfsterneranking bei EuroNCAP nicht wegen der Abschaffung des Blinkerhebels verlieren. Das Bewertungsschema ab 2026 vergibt je 100 Punkte in vier Kategorien. Bei der Fahrsicherheit entfallen nur fünf von 100 Punkten auf die driving controls. Selbst wenn hier EuroNCAP alle Wertungspunkte streicht – was unwahrscheinlich ist –, hätte das auf das Gesamtergebnis keinen nennenswerten Einfluss.

TOP STORIES

Top List in the World