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Kommentar zu den Forderungen der GDL: Langsam reicht es

Die Gewerkschaft der Lokführer streikt mal wieder. Das ist ihr gutes Recht, doch die aufgestellten Forderungen sind überzogen, kommentiert Martin Franz.​

kommentar zu den forderungen der gdl: langsam reicht es

Lokführer haben einen verantwortungsvollen und mitunter psyisch schweren Job, der gut bezahlt sein sollte. Das von der GDL geforderte Plus scheint aber überzogen.

(Bild: Deutsche Bahn AG / Sebastian Berger)

Soll eine Verkehrswende tatsächlich mehr als eine vage Ankündigung werden, braucht es ein wachsendes Angebot auf der Schiene. Ohne das wird das nichts werden, auch wenn eine lautstarke Minderheit der Meinung ist, den Verkehrsträger Auto mit einem Plädoyer fürs Laufen oder Radfahren ersetzen zu können. Als Gesellschaft muss uns eine leistungsfähige Bahn einen gewissen Betrag wert sein. Das weiß auch die Gewerkschaft der Lokführer und stellt selbstbewusste Forderungen. Doch sie überspannt den Bogen, was der Verkehrswende nachhaltig schadet.

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Streik als Mittel besser nicht antasten

Gewerkschaften haben mit Ablauf der Friedenspflicht ein Streikrecht. Bei aller Wut, die manch ein Arbeitskampf mit sich bringt, sollten wir das auch besser nicht antasten. Streiks mögen außerordentlich lästig sein, doch sie sind eines der wenigen Mittel von Arbeitnehmern, sich zu wehren. Andernfalls wären sie im Prinzip darauf angewiesen, dass Arbeitgeber Forderungen freiwillig erfüllen. In der Geschichte dieses Landes gab es einige erbitterte Arbeitskämpfe, die vielen Menschen erst klargemacht haben, wie wichtig für das Gemeinwohl mitunter auch eine kleine Gruppe von Arbeitnehmern sein kann.

Es ist nicht die Aufgabe von Gewerkschaften, im Sinne eines wirtschaftlich leicht verdaulichen Tarifabschlusses zu argumentieren. Sie sitzen auf der anderen Seite und kämpfen für möglichst hohe Lohnabschlüsse. Wie das Unternehmen das in seiner Kalkulation unterbringt, ist Sache der Geschäftsleitung. Das alles wissen Sie natürlich, doch mich beschleicht hin und wieder in der Debatte das Gefühl, dass diese Grundlagen bei einigen, die das medial einordnen, etwas verschüttet sind.

Bewegung gefordert

In der Vergangenheit haben die Partner mal früher, mal später mit einem Kompromiss zueinander gefunden. Stets war klar, dass beide sich bewegen müssen, die vorab eingebrachten Maximalforderungen sind dementsprechend forsch formuliert. Auch wenn es niemand der Beteiligten so ausspricht, haben zumindest verantwortungsbewusste Verhandler immer auch darauf geachtet, nicht zu übertreiben. Damit sind letztlich alle ganz gut gefahren.

Was sich bei der Gewerkschaft der Lokführer allerdings zum wiederholten Male abzeichnet, ist eine vorgetragene Kompromisslosigkeit extremer Forderungen, die nicht nur die Verhandlung massiv erschwert, sondern in der Folge auch das gesellschaftliche Miteinander. Ginge die Bahn darauf komplett ein, würde sich manch einer, der Verständnis für die Vorstellungen der GDL hat, über die Auswirkungen die Augen reiben. Setzt die Bahn das eins zu eins um, muss sie einerseits kräftig die Preise erhöhen und andererseits das Angebot einschränken. Beides trifft nicht nur Reisende, sondern den Verkehrsträger Schiene an sich und würde eine Verkehrswende noch schwieriger machen.

Angebot der Bahn: Mehr als nur Almosen

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Dabei hat die Bahn ein Angebot vorgelegt, von dem viele Arbeitnehmer in anderen Branchen nicht einmal träumen können. Allein das angebotene Paket aus einer Einmalzahlung von 2850 Euro und elf Prozent mehr Lohn ist schließlich mehr als nur eine kleine Aufmerksamkeit. Darauf aufbauend hätte die GDL mit etwas Fingerspitzengefühl und leichtem Druck für ihre Mitglieder ein stolzes Lohnplus formen können. Denn es liegt in der Natur solcher Verhandlungen, dass die Bahn ihrerseits in einem ersten Schritt nicht an ihre Schmerzgrenze gegangen ist.

Nun gehört Getöse zu einem solchen Arbeitskampf gewissermaßen zum guten Ton. Immer werden erste Angebote als “vollkommen überzogen” und “indiskutabel niedrig” bewertet. Man lotet schlicht Grenzen aus. Die GDL allerdings überspannt den Bogen an gleich mehreren Stellen im aktuellen Arbeitskampf gewaltig. Finanziell liegt man nicht so weit auseinander, als dass eine Einigung unvorstellbar wäre. 11 Prozent auf der einen Seite, mindestens 555 Euro pauschal auf der anderen – da findet sich ziemlich sicher ein Kompromiss. 2850 oder 3000 Euro Einmalzahlung: 150 Euro Differenz sind in der Summe für alle Arbeitnehmer für die Bahn durchaus ein stattliches Sümmchen, aber keines, was einen knallharten Arbeitskampf rechtfertigen würde.

Mehr Geld für weniger Leistung

Der Schlüssel liegt in zwei weiteren Forderungen der GDL. Zum einen will sie nicht nur deutlich mehr Gehalt für ihre Mitglieder herausschlagen, sondern gleichzeitig auch noch weniger Arbeitszeit. Statt 38 soll die Wochenarbeitszeit bei 35 Stunden liegen. Das würde einen real nochmals kräftig steigenden Stundenlohn bedeuten. Gleichzeitig müsste die Bahn auf einem leergefegten Arbeitsmarkt zusätzliche Lokführer suchen. GDL-Chef Claus Weselsky spricht ungeniert in Mikrophone, dass die Bahn den Beruf eben attraktiver machen müsse. Auf Seiten der Bahn heißt es dazu, man müsse in diesem Fall rund 10 Prozent mehr Personal einstellen. Das mag eine bewusst überzeichnete Dramatisierung sein, doch die Bahn hat kaum eine Chance, in der aktuellen Situation auf die Schnelle Personal in entsprechender Größenordnung zu akquirieren. Das dürfte auch Weselsky bewusst sein. Dennoch gibt er sich in dieser Frage unnachgiebig: “Wenn die eine Seite ablehnt, über die Arbeitszeitabsenkung zu reden, wird sichtbar, dass man auf dem Verhandlungsweg nicht zusammenkommt.” Ein kräftiges Lohnplus mit weniger Arbeitszeit verbinden zu wollen, ist eine Frechheit und mehr, als man mit etwas Weitblick als “unverhandelbar” in eine solche Auseinandersetzung hineinwerfen sollte.

Damit ist der Katalog noch nicht einmal vollständig, und die auf den ersten Blick vielleicht nebensächlich erscheinenden Forderungen haben es finanziell in sich. Auszubildende sollen mindestens 324 Euro im Monat mehr bekommen. Gefordert wird weiterhin eine Erhöhung des Arbeitgeberanteils der betrieblichen Altersvorsorge auf fünf Prozent für alle, die nicht unter den Zusatzversorgungstarifvertrag fallen. Alle Zulagen sollen allgemein um 25 Prozent steigen. Unterschätzt wird in der Debatte eine scheinbare Nebenforderung, die die GDL ebenfalls unbedingt durchsetzen will. Die Dauer des Tarifvertrags soll nur 12 Monate betragen. Übersetzt heißt das: Die Gewerkschaft möchte den nächsten Arbeitskampf unter Umständen schon Ende des nächsten Jahres neu entfachen. Die Bahn will sich für 32 Monate Ruhe verschaffen. Kommen sich hier beide Seiten um jeweils 12 Monate entgegen, wäre wenigstens für etwas mehr als anderthalb Jahre Frieden. Auch hier gibt sich die GDL erstaunlich hartnäckig.

Vorgetragene Kompromisslosigkeit

Es ist auch in diesem Arbeitskampf nicht zu erwarten, dass eine Seite alle Forderungen durchsetzen kann. Vor allem aber die vorgetragene Kompromisslosigkeit der GDL bei Lohn und Arbeitszeit erscheint unverschämt überzogen. Würde die Bahn das umsetzen, hätte es für den Verkehrsträger Schiene schwerwiegende Folgen. Dabei kämpft der schon heute mit einem Sanierungsstau und im Nahverkehr mit den Folgen des 49-Euro-Tickets. Denn wenn Geld aus dem System genommen wird, muss gespart werden. Keiner kann erwarten, dass die Lokführer und Zugbegleiter mit Lohnverzicht den Verkehrsträger Schiene allein sanieren. Aber mit einem realen Lohnplus von 12 bis 13 Prozent, was die GDL vermutlich ohne viel Getrommel durchsetzen könnte, hätte wohl niemand von Almosen gesprochen. So aber bleibt der Eindruck zurück, die Gewerkschaft hätte jegliches Augenmaß für die Gesamtsituation verloren. Als Interessenverband kann ihr das egal sein, schließlich geht es für die GDL nicht um gesellschaftliche Anerkennung oder gar Sympathie. Das Anliegen, den Verkehrsträger Schiene nachhaltig zu stärken und dazu seinen Teil beizutragen, sollte allerdings auch für die GDL selbstverständlich sein.

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(mfz)

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