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Gebraucht-Tipp Toyota Auris: Langweiler oder Perfektions-Gebrauchter?

Eine Maxime des Gebrauchtwagenkaufs ist, dass ein braver Toyota zum Robustesten gehört, was vier Räder besitzt. Hier kann man blind zugreifen. Oder? Keine Sorge, ganz entkräften können wir dieses Credo nicht, aber der Blick auf den zweiten Toyota Auris zeigt, dass auch hier nur mit Wasser gekocht wird. Zehn Details zum Corolla-Nachfolger und Vorgänger.

gebraucht-tipp toyota auris: langweiler oder perfektions-gebrauchter?

© Toyota
So bieder sieht er doch gar nicht aus, der Auris. Als Faceliftmodell mit “Freestyle”-Beplankung macht er tatsächlich was her. Doch Eitelkeiten gehören ohnehin nicht zum Naturell des in England gebauten Japaners.

gebraucht-tipp toyota auris: langweiler oder perfektions-gebrauchter?

© Dino Eisele
Fahrerisch wie auch in sämtlichen Bedienkräften ist der Auris narrensicher abgestimmt. Er ist extrem leicht zu fahren, wenn auch in allen Belangen etwas taub.

gebraucht-tipp toyota auris: langweiler oder perfektions-gebrauchter?

© Toyota
Das Cockpit besteht zum größten Teil aus eher simplen Materialien, die allerdings sehr solide verarbeitet sind. Die Ergonomie ist okay, die Bedienfreundlichkeit sehr hoch. Nur das hier gezeigte Touch-Navi erfordert häufig mehrmaliges Tippen.

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© Dino Eisele
Der Längenzuwachs des “Touring Sports”-genannten Kombi findet sich allein im hinteren Überhang wieder. Einen verlängerten Radstand, wie bei vielen Konkurrenten üblich, gab es beim Auris nicht.

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© Hans-Dieter Seufert
Das Heck des Fünftürers ist nicht nur im direkten Vergleich deutlich knapper geschnitten. Mit 360 Liter Kofferraumvolumen gehört er eher zu den kleineren im Umfeld.

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© Hans-Dieter Seufert
Immerhin: Auch im Gepäckabteil wirkt alles solide gemacht. Auch der hier gezeigte doppelte Kofferraumboden ist von schwerer Qualität. Im Kombi lassen sich außerdem die Rücksitzlehnen bequem per Fernentriegelung vom Kofferraum aus umlegen.

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So bieder sieht er doch gar nicht aus, der Auris. Als Faceliftmodell mit “Freestyle”-Beplankung macht er tatsächlich was her. Doch Eitelkeiten gehören ohnehin nicht zum Naturell des in England gebauten Japaners.

Es sollte mal eine Statistik geben, die die Produktionszahl eines Automodells mit der Anzahl der dazugehörigen Fanclubs vergleicht. Als letztplatzierter Eintrag könnte hier beispielsweise die Shelby Cobra auftreten. Es dürfte mehr Fans als gebaute Autos geben. Und der Spitzenreiter? Das wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit der Toyota Corolla, seines Zeichens das meistverkaufte Auto der Welt. Mehr als 50 Millionen gebaute Exemplare, nach denen sich bis dato kaum jemand umdrehte.

Andererseits gehört die Baureihe, die hierzulande über zwei Generationen zwischen 2006 und 2018 unter dem Namen Auris firmierte, ihrem Ruf nach zu den vermutlich meist empfohlenen Gebrauchtwagen. Dahinter steckt nicht etwa ein emotionales Motorenportfolio oder ein ergreifendes Fahrverhalten, sondern eine weltbekannte, unbedingte Zuverlässigkeit. Wir blicken diesmal auf die zweite Generation des Auris (auf dem Weltmarkt der 11. Corolla) und erläutern zehn Details zum Gebrauchtkauf.

1. Das mit der Zuverlässigkeit

Toyotas Ruf kommt nicht von ungefähr und beschert dem Corolla, mit über 50 Millionen Stück das meistverkaufte Auto der Welt zu sein. “Der Welt” ist hier doppelt wichtig. Denn neben der schieren Masse gebauter Fahrzeuge zählt hier, dass fast alle Versionen für den Weltmarkt entwickelt wurden. So müssen sie unter den unterschiedlichsten Gegebenheiten funktionieren. Die seit Jahren bewährten Vierzylinder-Benziner mit ausreichend stabil dimensionierter Steuerkette sind extrem haltbar, in allen Ecken der Welt zu reparieren, laufen selbst mit marginaler Wartung zuverlässig und produzieren mangels Turbolader oder Direkteinspritzung zudem relativ saubere Abgase. Potenziell problematische Partikelfilter werden nicht benötigt.

Dass das hierzulande verbreitete Downsizing, wie es sich in europäischen Kompakten mit vergleichbarer Leistung findet, gewisse technische Nachteile bietet, zeigt Toyota mit dem ab 2015 gebauten 1.2 Turbo selbst. Mit Direkteinspritzung und Turbo neigt der Motor im häufigen Kurzstreckenbetrieb, wie viele seiner Artgenossen, zu Verkokungen. Fairerweise muss erwähnt werden, dass selbst dies den Auris nicht aufhält. Etwas Langstreckenbetrieb, eventuell ein reinigendes Additiv, und die Rückstände dürften beseitigt sein.

2. Das mit der Langeweile

Der feurigste Auris besitzt einen 1,6er-Saugmotor mit 132 PS – immerhin markentypisch, mit verstellbarer Einlassnockenwelle. Derart motorisiert, beschleunigt er in zehn Sekunden von 0 auf 100 km/h. Schneller geht’s mit dem Auris nicht. Während fast alle Hersteller von Kompaktwagen ihre Sportmodelle ins GTI-Fitnessstudio schicken, ist der exklusivste Auris das Hybridmodell mit nöligem Stufenlosgetriebe. Bei den Dieseln handelt es sich um lang übersetzte Drehmoment-Kaltblüter. Emotionale Ausbrüche sind beim Fahren also weitgehend auszuschließen. Es darf jedoch die Frage aufkommen, ob emotionale Ausbrüche beim täglichen Weg zur Arbeit, dem Rückwärtsausparken oder dem Warten vor der Parkhausschranke überhaupt gewünscht sind. Diese Art der Treuherzigkeit eines derart seriösen Japaners birgt nämlich eine gewisse Heimeligkeit. Da wird die Toyota-typische Cockpit-Digitaluhr mit Radioweckerziffern zum spirituellen Kaminfeuer.

3. Die Qualität

Der gute Ruf beruht freilich nicht allein auf krisenfesten Antrieben, sondern ebenfalls auf sehr haltbaren Karosserien. In der Tat finden sich selbst an übel vernachlässigten Exemplaren kaum strukturelle Korrosionsspuren. Wer allerdings bis Dato eher mit deutschen Autos zu tun hatte und sich dem Auris als Toyota-Neuling nähert, mag durchaus feststellen, dass Türen und Klappen zwar sauber ins Schloss fallen, sich aber oft recht dünn anfühlen. Der Lackauftrag lässt die Tiefe und Perfektion vermissen, die anderswo üblich ist. Genugtuung dürfte beim Gebrauchtkäufer also eher nach einigen Jahren aufkommen, wenn Fahrer anderer Fabrikate sich mit Motorproblemen ärgern.

4. Die Nutzbarkeit

Der Weltauto-Hintergrund des Auris kommt mit einer narrensicheren Nutzbarkeit einher. Lenkung, Pedalerie, Getriebe: alles ist mit maximaler Leichtigkeit zu bedienen. Menschen, für die das Autofahren eine Herausforderung darstellt, sollten es hiermit besonders einfach haben. Leider wird auf diese Weise jedoch das meiste Feedback herausgefiltert. Wer den Auris gänzlich als Apparat zur Fortbewegung betrachtet, darf gern das “Multidrive S”-Getriebe wählen. Das stufenlose Automatikgetriebe funktioniert wirtschaftlich und extrem zuverlässig. Im Cockpit dürften sich für niemanden ab dem Vorschulalter echte Hürden in der Bedienbarkeit finden. Das bedeutet jedoch nicht, dass alles perfekt ist. Die Bedienung des großen, bis 2017 verbauten Infotainment-Systems ist zwar logisch, mangels physischer Tasten jedoch enorm fitzelig. Danach wurde nachgebessert.

5. Das Preisniveau

Frühe Auris der zweiten Generation finden sich schon ab 7.500 Euro, junge Exemplare mit guter Ausstattung um die 10.000 Euro. Die europäischen Mitstreiter aus der Golfklasse liegen häufig weit darüber und bergen das Risiko, verbrauchte Flottenautos zu sein, bei denen bereits erste Probleme aufkeimen. Vom Auris gibt es im Netz nur rund 600 Stück. Klar: Der Toyota ist hierzulande weniger verbreitet als die Konkurrenz. Das bedeutet jedoch ebenso, dass Leasingfirmen, Außendienstler, Fahrdienste und weitere kilometerintensive Nutzungsgebiete nur selten auf einen Toyota zurückgriffen. Überdurchschnittlich hoch ist also die Quote an privaten Vorbesitzern, die mit dem ohnehin robusten Auris obendrein noch pfleglich umgegangen sind. Kosteneffizienz ist also eine enorme Stärke des Auris.

Nun kann argumentiert werden, dass 308, Focus, Mégane und Co. oftmals mehr Ausstattung bieten als der mitunter etwas karg ausstaffierte Auris. Dafür gibt’s unter den Auris-Suchergebnissen jedoch bereits eine Menge Hybridmodelle, die im Alltagsbetrieb einen echten Sparvorteil bringen (dazu später mehr), sowie einen kaum spürbaren Kombi-Aufpreis.

6. Die Wartung

Noch so ein Kostenvorteil besteht im Ausbleiben heftiger Reparaturkosten. Das Wechseln günstiger Ölsorten beherrscht jede Hinterhofwerkstatt und auch sonst birgt ein Service keine teuren Posten. Ansonsten gilt: Was nicht dran ist, geht nicht kaputt. Zugegeben: Kaum ein Kompaktwagen sprengt hier das Kostenkapitel. Und auch ein Wermutstropfen ist dabei: Ist doch mal ein Ersatzteil nötig, kann es in einzelnen Fällen etwas teurer werden, als zum Beispiel bei deutschen Herstellern. Längere Lieferzeiten sind mitunter einzukalkulieren – und das, obwohl der Auris in England gebaut wurde.

7. Das Hybridmodell

Wie fast alles am Auris, muss auch die Toyota-typische Hybridversion relativ betrachtet werden. Ja, auf der Autobahn ist ein sparsamer Diesel viel wirtschaftlicher als der serielle Hybrid, der mit kleinem Akku kaum zur konstanten Fahrt beitragen kann. Im reinen Stadtverkehr ist jeder Plug-In-Hybride oder Vollelektrische sinnvoller, dessen E-Motor ausreichend Kraft spendet. Wer jedoch immer nur im gemischten Kleinstadtbetrieb unterwegs ist, bekommt mit ihm einen höchst sparsamen Benziner, der sich leise und unauffällig bewegen lässt. Die Kombination aus steckerlosem Hybridantrieb und optionalem Kombiheck (Touring Sports) dürfte relativ einzigartig sein. Wer sich auf lange Sicht um die Haltbarkeit der Akkuzellen sorgt, darf aufatmen. Seit Langem verwendet Toyota für seine Hybridmodelle (inklusive Prius und so weiter) eine Art Standardzelle in unterschiedlichen Kombinationen. Sie können als Einzelpakete demontiert und bei zahlreichen freien Betrieben für kleines Geld überholt oder ersetzt werden.

8. Das BMW-Herz

Ihnen ist der Prius noch immer zu langweilig? Dann zunächst vielen Dank, dass Sie bis Punkt acht gekommen sind. Zur Belohnung gibt’s eine Überraschung. Den Prius gibt es nämlich mit BMW-Motor.

Nein, Toyota hat keinen Reihensechszylinder in der Auris gepresst. Es handelt sich “nur” um den 1,6er-Diesel ab 2015. Allerdings gehört das Aggregat zur “guten” Generation der BMW-Diesel, die nicht mehr mit Steuerkettenproblemen zu kämpfen hatte. Lebendige Drehfreudigkeit, kräftiger Schub und ein äußerst geringer Verbrauch sind mitgekaufte Nebeneffekte. Wer’s drauf anlegt, schafft es mit etwas Mühe sogar auf eine Drei vor dem Komma im Verbrauchszähler, wenn auch nicht dauerhaft. Dafür erfüllt das Aggregat die Euro-6-Abgasnorm und macht den Auris umweltzonentauglich.

Und warum das Ganze? Wie eingangs erwähnt, entwickelt Toyota vordergründig Antriebe, die sich auf der ganzen Welt verkaufen lassen. Ein verhältnismäßig kleiner Turbodiesel mit viel Leistung und geringem Verbrauch ist allein in Westeuropa ein echtes Thema. Kommt dann die strenge Abgasnorm hinzu, ist es wirtschaftlicher, einen zugekauften Motor zu verwenden.

9. Die Rückrufe

Vielleicht ist Ihnen beim Lesen unseres Sermons zur Zuverlässigkeit des Auris der Einwand “Was ist mit den ganzen Rückrufen?” durch den Kopf gegangen. Richtig: Wie manch anderer Toyota, musste der Auris über die letzten zwei bis drei Jahre mehrfach zurück in die Werkstatt. Mal war es die Steuerung des Hybridsystems, mal die Entlüftungsanlage des Benzintanks, mal die weitreichende Problematik mit den verbauten Takata-Airbags. Gerade letzteres ist sicherheitsrelevant und darf keinesfalls ausgelassen werden. Lassen Sie sich beim Gebrauchtkauf also Belege über die Durchführung aller Rückrufaktionen zeigen. Sollten diese fehlen, können die Daten beim freundlichen Toyotahändler abgefragt werden.

10. Der sinnvollste Kauf

Nun, da wir bei den Kauftipps angelangt sind: Welcher Auris ist der Sinnvollste? Und für wen überhaupt? Im Konkurrenzvergleich mit den Kompakten der vorigen Generation ist der Auris eher auf der knapperen Seite, was Außen- und Innenmaße angeht. Dem Kombi bescherte Toyota keinen eigens verlängerten Radstand, sodass die Langbeinigen am besten vorn sitzen. Mit immerhin 530 bis 1.658 Liter Ladevolumen bietet der Kombi-Kofferraum dennoch reichlich Raum, selbst wenn andere mehr Gepäck unterbringen. Angesichts des mit 360 bis 1.200 Litern nicht allzu üppig bemessenen Laderaum des normalen Fünftürers, stellt der Kombi einen echten Vorteil dar.

Es soll also ein Kombi sein. Die Ausstattung ist zweitrangig – besonders luxuriös geht es ohnehin nicht zu. Konzentrieren wir uns also auf den Motor. Bewegen Sie sich öfter als drei-viermal im Jahr aus Ihrem lokalen Supermarktradius hinaus? Dann nehmen Sie den 1.6er-Benziner mit Schaltgetriebe. Er fährt ausreichend motiviert und dürfte letztlich der solideste unter den problemlosen sein. Fahren Sie weniger? Dann greifen Sie zum Hybrid! Fahren Sie viel Autobahn? Wählen Sie den 1.6er-Diesel mit Euro 6. Ihn gibt es erst seit 2015. In allen anderen Fällen ist das Baujahr zweitrangig.

Ein kleiner Tipp mit großer Wirkung: Suchen Sie ein Exemplar mit Drehknopf-Navi. Die sind viel treffsicherer bedienbar als die reinen Touchgeräte.

Und was ist schlecht?

Keine Medaille ohne Kehrseite! Auch ein gutes Auto hat Schwächen. Über zehn Punkte hinweg haben wir die wenig emotionale Grundhaltung des Auris mit seiner hohen Zuverlässigkeit relativiert. Klar, es gibt einen Reiz im Heimelig-Zuverlässig-Vertrauten, doch wer begeisterter Autofahrer ist, läuft Risiko, sich im gebrauchten Auris schlichtweg zu langweilen. Das muss man wissen.

Technisch lässt er nur Kleinigkeiten anbrennen. Nervig sind die immer wieder versagenden Luftmassenmesser der Benzinmotoren. Sie quittieren alle paar Jahre den Dienst, kosten aber immerhin nur zweistellig und lassen sich mit geringem Aufwand selbst tauschen. Oftmals sind die Bremsen der Hinterachse durch betuliches Fahren unterfordert. Sie neigen zum Festgammeln. Das gilt gleichermaßen für Betriebs- und Feststellbremse. Etwas Schmierung von letzterer und wiederholt beherzte Nutzung ersterer schafft meist Abhilfe. Zuletzt kommt es in seltenen Fällen zum Erleuchten der Motorkontrollleuchte, weil ein Ventil der Tankentlüftung streikt. Auch hier hilft manchmal die simple Wiederherstellung der Gangbarkeit von Hand. Das Teil ist jedoch ohne Hebebühne nur schwer zu erreichen. Generell neigen Schrauben und Fahrwerksteile zum Flugrostbefall. Das ist technisch unbedenklich, stört allerdings mitunter bei Reparaturarbeiten.

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