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Elektromobilität: Warum erst jetzt günstige E-Autos auf den Markt kommen

SUV und Oberklasse, etwas anderes gab es bislang kaum bei E-Autos. Jetzt stellen auf einmal viele Hersteller Kleinwagen vor. Nicht nur aus freien Stücken.

Diese Woche hat Hyundai den Inster präsentiert. Mit 3,83 Metern Länge und 1,61 Metern Breite ist er ähnlich groß wie das beliebte E-Auto Dacia Spring. Kleine Autos wie sie sind in Europa nicht nur wegen des Preises begehrt. Ihre Größe ist in engen europäischen Städten auch einfach praktisch. Neu ist, dass es wie im Fall des Hyundai Inster und des Dacia Spring Elektroautos sind. Wieso eigentlich erst jetzt?

Einen genauen Preis nennt Hyundai für den Inster noch nicht. Der südkoreanische Hersteller meldet lediglich, dass es “unter 25.000 Euro” sein sollen und die Normreichweite bei rund 350 Kilometern liegen soll. Zum Vergleich: Ein Dacia Spring kostet mindestens 16.900 Euro und bietet bis zu 230 Kilometern Aktionsradius. Ein mit 4,02 Meter Länge und 1,76 Breite deutlich größerer Citroën e-C3 (326 Kilometer) startet bei 23.300 Euro. Das dürfte der Preisrahmen für den Inster sein.

Zu welchem Preis ein Elektroauto angeboten wird, bestimmen nicht nur die Herstellungskosten. Die gesetzlichen CO₂-Vorgaben haben einen hohen Einfluss. Über das Anheben oder Absenken der Preise lassen sich die Verkaufszahlen regulieren. Und die von Elektroautos müssen 2025 fast überall steigen.

Minus 15 Prozent CO₂ ab 2025

Der Grund ist, dass die EU die CO₂-Grenzwerte verschärft. Im Durchschnitt der jeweiligen Jahre 2021 bis 2024 durfte der Wert pro Auto maximal 120 Gramm pro Kilometer betragen (nach dem aktuellen Messverfahren WLTP). Das entspricht einem mittleren Kraftstoffverbrauch von etwa 5,1 Litern Superbenzin. Ein Wert, den die Autoindustrie übers Ganze nur erreicht, weil sie Elektroautos verkauft. Die werden mit null angerechnet, weil sie im Betrieb kein CO₂ ausstoßen.

Ab 2025 wird das CO₂-Limit um 15 Prozent reduziert. Weil bei Verbrennungsmotoren kaum noch Verbesserungen möglich sind, bleibt der Autoindustrie nur, mehr Elektroautos an die Frau und den Mann zu bringen.

Hersteller verzögern Neuzulassungen gezielt

“Statt kontinuierlich die CO₂-Emissionen zu senken, haben die Hersteller dies in der Vergangenheit so lange verzögert, bis verschärfte CO₂-Vorgaben erfüllt werden mussten”, sagt Jan Dornoff von der gemeinnützigen Organisation International Council on Clean Transportation (ICCT). Er geht davon aus, dass etliche Elektroautos in diesem Jahr vorgestellt und auch bestellt werden können. Die Auslieferung könnte aber in vielen Fällen gezielt ins neue Jahr verschoben werden. Das dürfte auch auf den Hyundai Inster zutreffen.

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Der Citroën e-C3 soll bis zu 326 Kilometer weit kommen.

Bisher haben vor allem Premiumhersteller viele Elektroautos abgesetzt. Bei BMW waren es im letzten Quartal des vergangenen Jahres 26 Prozent. Nur Volvo (32 Prozent) und Tesla (100 Prozent) hatten höhere Anteile. Bei Fahrzeugen, für die 50.000 Euro, 80.000 Euro oder noch mehr aufgerufen werden, machen die weiterhin hohen Batteriekosten eben einen kleineren prozentualen Anteil aus als im Bereich unter 25.000 Euro. Daher fällt der Preisaufschlag bei E-Autos im Vergleich zu gleichwertigen Verbrennern im Premiumsegment geringer aus.

BMW wird es mit der fürs nächste Jahr angekündigten Neuen Klasse vermutlich problemlos gelingen, nochmals mehr Elektroautos auf die Straße zu bringen. Die Logik des Top-down – von der Luxusklasse nach unten – hat sich bewährt: Die Anfangsinvestitionen in eine neue Technologie lassen sich zuerst bei teuren Autos durchsetzen. Später sinken die Kosten durch die Massenproduktion.

Für Konzerne mit einer preissensiblen Kundschaft ist die Situation anders. Marken wie Opel, Citroën und Peugeot aus dem Stellantis-Konzern, Renault oder Dacia, Volkswagen, Seat oder Škoda brauchen Elektroautos, die bezahlbar sind. Das Gleiche gilt für Hyundai, das den Einstiegspreis von 41.990 Euro für den Kona Elektro derzeit durch einen Dauernachlass von 7.000 Euro senkt. Darunter klafft eine riesige Lücke.

Um die CO₂-Flottengrenzwerte zu erfüllen, bietet sich also der Verkauf von margenschwachen, aber absatzstarken Kleinwagen an. Zu bieten haben die oft trotzdem einiges. Zwar dürfte das Aussehen des Hyundai Inster nicht jedem gefallen. Dafür überzeugt der Inster aber zum Beispiel durch einen einzigartig variablen Innenraum.

Nicht nur die verstellbaren Rücksitze lassen sich umlegen, sondern auch der Fahrer- und Beifahrersitz. So ergibt sich eine durchgehende Liegefläche und damit das Potenzial zum Mikro-Camper. Das haben die südkoreanischen Käuferinnen und Käufer längst erkannt. Dort wird der Inster seit 2021 mit Verbrennungsmotor als Casper angeboten. Der Inster für Europa ist jedoch nicht einfach elektrifiziert, er ist auch 23 Zentimeter länger, was mehr Platz im Inneren schafft. Außerdem gibt es optional Assistenzsysteme wie einen adaptiven Tempomat oder eine 360-Grad-Kamera sowie eine 220-Volt-Steckdose innen und außen.

Mehr als 22 Prozent Elektroautos erforderlich

“Nach unseren Schätzungen muss die Autoindustrie 2025 mehr als 22 Prozent Elektroautos verkaufen, um die reduzierten CO₂-Limits zu schaffen”, sagt der selbstständige Branchenanalyst Matthias Schmidt. Zum Vergleich: 2023 waren es 15 Prozent der Neuzulassungen.

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Der Renault R5, hier zu sehen bei der Automesse in Genf im Februar 2024, soll ab 24.990 Euro erhältlich sein.

Den Nutzen haben die Interessenten, die nicht so viel Geld ausgeben können oder wollen: Citroën wird neben dem e-C3 für 23.300 Euro eine abgespeckte Variante mit weniger Reichweite für 19.900 Euro anbieten. Renault ergänzt den R5 (ab 24.990 Euro) um den kastigen R4 und lässt den Twingo als E-Auto auferstehen. Fiat hat den Grande Panda auf der Basis des Citroën e-C3 aus dem Mutterkonzern Stellantis präsentiert. Und ebenso auf der gleichen Basis folgt der neue Jeep Renegade.

Volkswagen wird den Polo-artigen ID.2 dagegen erst 2026 zum Kauf anbieten. Einen anderslautenden Bericht hat VW umgehend dementiert.

Günstige gebrauchte E-Autos in drei Jahren

Auch bei den chinesischen Herstellern sucht man billige elektrische Kleinwagen zurzeit vergebens. Abhilfe verspricht allein BYD, wo der Seagull (3,78 Meter lang, 1,71 breit) nächstes Jahr kommen soll. Bisher hat sich die Vermutung, dass Elektroautos aus China für jeden bezahlbar wären, als Mythos herausgestellt. Die drohenden Strafzölle der EU würden das nicht verbessern.

Immerhin wird es aus der neuen Kooperation von Stellantis und dem chinesischen Unternehmen Leapmotor den Mini T03 geben. Er ist voraussichtlich ebenfalls ab Jahresende erhältlich. Und er wird in Polen gefertigt – und umgeht auf diese Weise mögliche Strafzölle.

Das Gros der Autofahrerinnen und Autofahrer in Europa wird ohnehin warten müssen. Schließlich kaufen die meisten Privatleute gebraucht. Neuwagen werden größtenteils gewerblich zugelassen. Erst, wenn die elektrischen Kleinwagen in rund drei Jahren weiterverkauft werden, sind Preise von 15.000 Euro, 10.000 Euro oder noch weniger realistisch.

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