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Zulieferer ZF sieht Erreichung der Klimaziele für Lastwagen in Gefahr

zulieferer zf sieht erreichung der klimaziele für lastwagen in gefahr

Ladesäule verzweifelt gesucht: Lastwagen auf einem Autobahnrastplatz in Hessen

Während die Diskussion um das Verbrennerverbot für Autos an Fahrt aufnimmt, schaut die Lastwagenbranche mit Sorgen auf die CO₂-Ziele im Transportsektor. So sieht Peter Laier, der für das Lastwagengeschäft zuständige Vorstand des Automobilzulieferers ZF, die ehrgeizigen Klimaziele der Europäischen Union gefährdet. „Wir brauchen eine konzertierte Aktion, dann ist noch viel möglich“, sagte Laier im Gespräch mit der F.A.Z. „Andernfalls werden wir automatisch in die Diskussion kommen, dass wir die Ziele verschieben müssen.“ Die Anfang 2024 endgültig verabschiedete Verordnung der Europäischen Union sieht vor, dass die Kohlendioxid-Emissionen (CO₂) von schweren Lastwagen und Reisebussen, welche die Hersteller von 2030 an verkaufen, um mindestens 45 Prozent im Vergleich zu den Werten von 2020 sinken müssen.

Klar ist für Laier, dass nicht eine einzige Antriebsart die Emissionen im Nutzfahrsektor entscheidend senken wird. „Das ist ein Unterschied zum Automobilgeschäft“, sagt Laier. „Bei Distanzen zwischen 300 und 500 Kilometer werden batterieelektrische Lastwagen sinnvoll sein, bei höheren Entfernungen sind es Techniken wie die Brennstoffzelle, der Wasserstoff-Verbrenner oder E-Fuels.“

Lastwagen sind für Spediteure Investitionsgüter

Für Laier passen die ehrgeizigen Vorgaben nicht zu den derzeitigen Rahmenbedingungen. „Ein Lastwagen ist für einen Spediteur ein Investitionsgut“, erläutert Laier. „Die Betreiber der Flotten werden die Fahrzeuge nur kaufen, wenn sie verlässlich und im Vergleich kostenneutral zu betreiben sind.“ Und nur wenn diese Aussicht besteht, würden die Hersteller ihrerseits die Fahrzeuge entwickeln und überhaupt in den Markt bringen können.

Die Voraussetzungen für einen solchen Markthochlauf sind aus Sicht des ZF-Vorstands nicht erfüllt. Vorgaben, alle 60 Kilometer an Autobahnen eine Ladestation mit einer Leistung von 3600 Kilowatt zu bauen, reichten bei Weitem nicht aus. Im Blick hat Laier da überfüllte Rastplätze, an denen Lastwagen kreuz und quer parken, die in der besten aller Elektrowelten entweder immer eine freie Ladesäule finden oder in einer Wasserstoffwirtschaft ausreichend Treibstoff in ihre Gastanks füllen können. Dies wird sich nach der Überzeugung Laiers nur ändern, wenn Politik und Wirtschaft in einer gemeinsamen Kraftanstrengung die Rahmenbedingungen ändern, um die kleine Chance zu wahren, das 45-Prozent-Ziel im Jahr 2030 doch noch zu erreichen. Nötig seien dafür auf der einen Seite ein höherer Kohlendioxidpreis, damit sich der Umstieg für die Spediteure rechnet, und Anreizsysteme, damit private Investoren in den Aufbau der Infrastruktur investieren.

Hybridantriebe als Brückentechnik zu verwenden, sei angesichts des langsamen Infrastrukturaufbaus ein „Gebot der Stunde“, sagt Laier. ZF setzt dabei auf eine Weiterentwicklung des im Jahr 2014 vorgestellten Traxon-Getriebes, das dafür um eine Elektromaschine erweitert wird. Zwei Kundenaufträge, jeweils einer aus Europa und einer aus Asien, lägen vor, der Serienanlauf soll spätestens im Jahr 2027 am Standort Friedrichshafen sowie in China erfolgen. Die Namen der Kunden will Laier nicht nennen, spricht jedoch von einem typischen Ersatzprodukt für Standardgetriebe. Einige Lastwagenhersteller wie Daimler und Scania bauen ihre Antriebe weiterhin selbst und scheiden damit als potentielle Kunden aus.

Volvo hält Einsparungen bis zu 10 Prozent für möglich

Wie viel Kraftstoff ein Lastwagen mit Hybridantrieb tatsächlich einspart, ist von dem jeweiligen Einsatzfall abhängig. Besonders hoch ist sie in Verteilerfahrzeugen, die häufig anhalten. Ein Prototyp von Volvo Trucks hatte im vergangenen Jahrzehnt gezeigt, dass auch im Fernverkehr Einsparungen von bis zu zehn Prozent möglich sind, allerdings war dieses Fahrzeug auf geringe elektrische Reichweite ausgelegt. Der im ZF-System verbaute Elektromotor soll bis zu 255 Kilowatt leisten und mit einer Batterie gekoppelt werden, die mit 120 Kilowattstunden etwas größer als der Akku in einem Luxusauto ausfällt.

Ein Markterfolg des Hybridantriebs könnte die Beschäftigungssituation bei ZF verbessern, heißt es in Unternehmenskreisen. Die elektrische Maschine und die Leistungselektronik entsprechen weitgehend den Komponenten, die ZF parallel ohnehin für batterieelektrische Lastwagen fertigt. Allerdings verfügen die Getriebe für Elektrolastwagen nur über drei Gänge, während das Hybridgetriebe mit zwölf Gängen und entsprechend vielen Bauteilen ausgestattet ist.

Die Auslastung der Fabriken will ZF parallel mit einem „Full Flex Ansatz“ verbessern, so der Vorstandsvorsitzende Holger Klein. Als Beispiel nannte er das Werk Gray Court im amerikanischen Bundesstaat South Carolina, wo bislang ausschließlich Getriebe für Personenwagen und Elektroantriebe gefertigt werden. Künftig will das Unternehmen dort auch Nutzfahrzeuggetriebe bauen und die Endmontage von Getrieben und Elektromaschinen zusammenführen.

Klein verweist zwar auf eine generelle Abschwächung des Markts für batterieelektrische Nutzfahrzeuge, investiert aber weiterhin in deren Antriebe. So soll im kommenden Jahr eine neue Generation elektrischer Achsen für mittelschwere Nutzfahrzeuge anlaufen. Da schwere Lastwagen in den Vereinigten Staaten häufig über zwei angetriebene Achsen verfügen, erhofft sich ZF dort einen zusätzlichen Markt. In Summe habe man Aufträge für elektrische Nutzfahrzeugantriebe im Wert von 5 Milliarden Euro in den Büchern, so Klein. Allerdings handelt es sich dabei nicht um feste Bestellungen, die tatsächlich entstehenden Umsätze können je nach Marktlage erheblich abweichen.

Nicht nur der Lastwagen selbst, sondern auch der Auflieger ist Gegenstand der europäischen CO₂-Gesetzgebung. Den bauen jedoch nicht die Fahrzeugherstellern, sondern spezialisierte Anbieter, denen ZF künftig eine elektrische Achse zuliefern will. Der Auflieger übernimmt also einen Teil des Antriebs und speichert während des Bremsens Energie in eine zusätzliche Batterie. Messungen von ZF sollen eine zusätzliches Kraftstoffeinsparung von bis zu 16 Prozent ergeben haben. Allerdings wird dieser Wert nicht auf die CO₂-Ziele der Lastwagenhersteller angerechnet.

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