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Keine Kunst mit Autos, bitte! Über eine Ausstellung, die schon wieder Ärger macht

keine kunst mit autos, bitte! über eine ausstellung, die schon wieder ärger macht

Ein gefluteter BMW in der Chemnitzer Innenstadt.

Ist das Kunst oder kann das wegfahren? Zwei Frauen schlendern die Chemnitzer Brückenstraße entlang, vertieft in ein Mittagspausengespräch, als eine unvermittelt stehenbleibt, mit dem Zeigefinger auf einen am Straßenrand geparktes Auto deutet und fragt: „Hast du das auch gesehen?“ – „Was?“ – „Da laufen die Scheibenwischer!“ – „Ach, das ist Kunst.“ – „Wo?“ – „Guck rein.“

Die Sonne scheint, der Verkehr stockt, die Frauen treten näher. Es ist ein silberblauer BMW 320i, Baujahr 1990, Chemnitzer Kennzeichen. Beide schauen durch leicht beschlagene Seitenscheiben in den Innenraum, wo lediglich die Kopfstützen und der obere Teil des Lenkrads aus dem Wasser ragen. „Und was soll das sein?“ – „Kunst.“ – „Mir fehlt da ein Quietscheentchen.“ – „Haha, ja, dann würden sich die Leute vielleicht weniger aufregen.“

Der abgedichtete, mit 1600 Litern Wasser gefüllte und in Intervallen die Frontscheibe wischende BMW ist eine Installation des Künstlerinnenduos Haubitz + ­Zoche, Teil der Ausstellung „New ­Ecologies. Gegenwarten II“. Noch bis Ende September ist die Chemnitzer Innenstadt ein Freilichtmuseum und Debattenraum zugleich. Sichtbar gemacht und besprochen werden die Folgen des Klimawandels. Die lokalen, bereits existierenden, die sich nicht mehr leugnen lassen.

Klimafolglich muss man sich diesen arglos parkenden BMW als schwimmendes Objekt vorstellen. Nachdem vielleicht Starkregen einen träge fließenden Bach in einen reißenden Strom verwandelt hat. Man kennt diese Bilder aus dem Fernsehen. Bilder, die immer öfter auch in Deutschland entstehen. Ein Quietscheentchen im Innenraum sieht man dabei nicht.

Es hätte die Aufregung ohnehin nicht verhindert. Nicht in Chemnitz, in dieser autoselbstgerechten Stadt, wo das Recht des PS-Stärkeren gilt. Wo das Fahrradfahren einem täglichen Überlebenstraining gleicht. Wo der Sicherheitsabstand nur ein Vorschlag ist, den Autofahrer hupend und fluchend ablehnen. Und die Aufregung hat eine Vorgeschichte.

Vor vier Jahren bei den ersten „Gegenwarten“ im öffentlichen Raum versenkte die Chemnitzer Feuerwehr einen Skoda im Schlossteich, die Idee kam von Roman Signer. Der Schweizer Aktionskünstler und Bildhauer hatte eine Skulptur gewordene Unfallszene geschaffen. Er wollte aber auf die sintflutartigen Regenfälle der letzten Jahre aufmerksam machen. So oder so leuchteten nachts die Scheinwerfer unter Wasser. Den Autofreunden gefiel das nicht.

keine kunst mit autos, bitte! über eine ausstellung, die schon wieder ärger macht

Originalgroßer Walkadaver in einer Chemnitzer Tiefgarage.

Noch vor der Eröffnung muss jemand ins Wasser gestiegen sein. Die Scheiben wurden eingeschlafen, das Dach ausgebeult. Im Chemnitzer Stadtrat beschwerte sich die AfD über die Verschwendung von Steuergeldern. Der vom Bund der Steuerzahler Sachsen vergebene Negativpreis „Schleudersachse“ ging nach einer Onlinebefragung an „Versinken – ein Autowrack im Schlossteich“, auf Platz zwei kam „Der Darm – Innereien von Karl Marx“.

Mit Autos macht man keine Scherze in Chemnitz, auch keine Kunst. Und am besten sollte gleich darauf verzichtet werden, Kunst zu machen, die Autofahrern noch mehr als nur Steuergelder rauben. Wie dieser 14 Meter lange und damit originalgroße Abguss eines Walkadavers, der seit ein paar Tagen in einer Tiefgarage liegt, so wie er an der Küste Südafrikas angespült worden war. Noch so eine Folge des Klimawandels.

Nun ist Südafrika ziemlich weit weg von Chemnitz. Eine sächsische Tiefgarage ist kein natürlicher Lebensraum für Wale, vor allem nicht für tote. Groß war jedenfalls die Aufregung, weil der Kadaver gleich mehrere Parkplätze blockierte.

In der Kolumne „Ostbesuch“ berichtet Paul Linke alle zwei Wochen aus seinem Zwischenleben in Chemnitz und Umgebung. Sachsen sucks? Von wegen!

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Von B nach C, Ostbesuch, 263 Kilometer

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