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Ein Autohaus mit Café, Coworking und Kunstgalerie

ein autohaus mit café, coworking und kunstgalerie

Terrazzo und Terrakotta: Der chinesische Autobauer Nio setzt in seiner Flaggschiff-Filiale am Eschenheimer Turm auf dezente Töne.

Das E-Auto-Cluster an der Großen Eschenheimer Straße ist jetzt komplett. Dort, wo einmal das Haus der Frankfurter Rundschau stand und die RFR Holding später einen Komplex mit Hotel und Wohnungen setzte, das „Flare of Frankfurt“, haben sich die Ladenflächen im Erdgeschoss – es hat allerdings ein paar Jahre gedauert – nach und nach mit Na­men aus der E-Auto-Branche gefüllt.

Polestar, die Elektromarke von Volvo, die zum chinesischen Geely-Konzern ge­hört, machte den Anfang. Im vergangenen Jahr folgten Genesis, der Edelableger der koreanischen Hyundai Motor Group. Als Dritter – und mit einer Fläche von 1600 Quadratmetern mit weitem Abstand Größter in der Runde – folgt nun die chinesische E-Automarke Nio.

Die Händler in der Frankfurter Innenstadt sind froh über die Belebung an der zentralen Stelle. „Damit haben wir eine interessante Seitenstraße der Zeil“, sagt Joachim Stoll, Vizepräsident beim Handelsverband Hessen-Süd. „Das E-Cluster bereichert Frankfurt und ist ein weiterer Grund, in die Innenstadt zu kommen.“

Wie an allen seinen Standorten setzt Nio auf ein Konzept, das darauf abzielt, Treffpunkt für ein möglichst breites Pu­blikum zu sein, am liebsten natürlich Be­sucher, die Teil der Nio-Community sind. Es gibt ein Café, das für jedermann zugänglich ist, ebenso jede Menge Ar­beitsplätze und Steckdosen, an denen von unterwegs gearbeitet werden kann. Kinder dürfen in einem mit weichem Teppich ausgestatteten blauen Salon spielen und basteln. Geplant sind zudem Yogakurse, Kunstausstellungen und an­dere Events, auch Vorträge in ei­nem Saal, in dem eine Leinwand hängt. Un­ternehmen können den Raum bu­chen.

ein autohaus mit café, coworking und kunstgalerie

Chillen, konferieren, arbeiten: „Livingroom“ neben der Autoausstellung

Austausch mit dem Deutschland-Chef in der App

Eine zentrale Rolle spielt die Nio-App, über die Kunden nicht nur Punkte für den Gratiskaffee sammeln, Servicemitarbeiter bestellen und sich mit dem Deutschlandchef über ihre Kritikpunkte austauschen – etwa darüber, dass sie sich Autobatterien nicht nur zum Mieten, sondern auch zum Kaufen wünschen – was inzwischen möglich ist. Über die App erfahren Nutzer auch, wann es im Autohaus die nächsten Sport- und Bastelkurse gibt und welche Ausstellungen laufen.

Das Ambiente im Nio-Haus ist schlicht und edel – mit Terrazzoboden dort, wo mit viel Platz drumherum die Automodelle stehen, und Echtholzparkett auf den übrigen Flächen. Ein warmer Rot-Ton an der Wand sei bewusst als Reminiszenz an die Farben der Alten Brücke über den Main ausgewählt worden, sagt ein Sprecher.

Mit ihren Modellen, – einer Limousine, einem SUV und einer Mittelklasse, die an diesem Freitag das erste Mal ausgeliefert wird, – zielt die Marke auf Kunden deutscher Autohersteller, die eigentlich markentreu sind. Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung Berylls kann sich allerdings jeder Fünfte der Befragten vorstellen, zu einer chine­sischen Oberklassenmarke zu wechseln. Nio gehört danach neben Byd und Polestar zu den chinesischen Herstellern, bei denen vor allem jüngere Kunden (30 bis 39 Jahre) wenig Vorbehalte haben. Und längst sind sie nicht die einzigen. Nahezu 20 Marken aus China wollen auf den europäischen Markt.

Traditionelle Autohäuser bleiben außen vor

Das setzt nicht nur hiesige Autohersteller unter Druck, weil die Chinesen wegen der besseren Chipverfügbarkeit schneller liefern. Auch die traditionellen Autohändler müssen um ihr Ge­schäftsmodell bangen, denn bei Marken wie Nio – auch Tesla hat ein geschlossenes System – bleiben die Autohäuser ganz außen vor. Nio managt – bis auf Re­paraturen, die über einen Servicepartner abgewickelt werden – alles selbst. Neben den Nio-Häusern, von de­nen in diesem Jahr noch eines in Düsseldorf und eines in Hamburg eröffnet wird, zudem ein Standort in München, laufen Probefahrten und Verkäufe auch über mehr als zehn sogenannte Handover-Stellen in anderen Städten.

Anders macht es die E-Automarke Polestar, die sich Autohäuser als Kooperationspartner sucht. In Frankfurt ist das die Emil Frey Hessengarage, mit acht Automarken und sechs Autohäusern einer der großen Händler in der Region. Üblicherweise kauft die Hessengarage wie alle traditionellen Händler die Fahrzeuge, die sie sich ins Autohaus stellt. Der Verkäufer konfiguriert dann mit dem Kunden das Wunschauto, schraubt im Idealfall noch ein bisschen am Preis – und verdient über eine Marge zwischen An- und Verkaufspreis.

Agenturmodell Polestar

Beim sogenannten Agenturmodell wie bei Polestar tritt der Händler nur als Vermittler auf und erhält eine Provision beim Verkauf, die nach Angaben des hessischen Kfz-Verbandes jedoch unter den üblichen Margen im Autohandel liegt. Auch Volkswagen habe seinen VW ID3 mit Partner-Autohäusern nach diesem Prinzip verkauft, sagt Verbandssprecher Roland Seidl. Er verweist auf die neuen Anforderungen beim Verkauf von E-Autos. Informationen zum Lade-Management, zu Wall-Boxen – auch da­rauf müsse sich der Handel einstellen, etwa mithilfe von Schulungen, neuer EDV. Das Geschäft sei „investitions­intensiv“. Umso problematischer, wenn dann die Erträge sänken. „Autohändler brauchen eine auskömmliche Marge.“ Der Verband sei dabei, die Agenturverträge genau zu prüfen.

Seidl geht aber nicht von einem Sterben der Autohäuser aus, auch wenn er eine „Tendenz zu kleineren Einheiten“ sieht. „Ich gehe davon aus, dass der Markt mittelfristig so bleiben wird“, sagt der Sprecher angesichts der Vielfalt an Angeboten auf dem Automarkt. „Die brauchen entsprechende Repräsentanzen.“

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