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E-Autos, Wärmepumpen, Solarspeicher: Sie sollen Stromnetz stabilisieren

e-autos, wärmepumpen, solarspeicher: sie sollen stromnetz stabilisieren

Ohne Wärmepumpen und E-Autos ist die Energiewende nicht zu schaffen. Intelligenter Stromverbrauch kann dabei das Netz stützen und den Geldbeutel entlasten.

Die Klimaziele der Bundesregierung für den Wärme- und Verkehrssektor lassen sich ohne den Zubau von Wärmepumpen und mehr Elektroautos auf deutschen Straßen nicht erreichen. Auch Heimspeicher, die in Kombination mit der heimischen Solaranlage verbaut werden, werden nicht nur immer beliebter, sondern immer wichtiger. Die Anschlussleistung dieser drei Anlagentypen in Haushalten wird sich laut Schätzungen des energiewirtschaftlichen Beratungsunternehmens Neon innerhalb dieses Jahrzehnts verzehnfachten: von etwa 20 Gigawatt (GW) im Jahr 2020 auf über 200 GW im Jahr 2030.

Ein solch immenser Zubau von elektrischen Verbrauchern geht allerdings auch mit großen Herausforderungen für die Stromnetze einher: Wenn diese Anlagen nicht systemdienlich betrieben werden, sondern Elektroautos beispielsweise immer direkt dann laden, sobald sie mit dem Netz verbunden sind, also etwa nach Feierabend, kann das die Stromnetze in die Knie zwingen, warnt Neon in einer aktuellen Studie.

Wärmepumpen und E-Autos sind inhärent flexibel

Wichtig ist deshalb die Flexibilisierung dieser Lasten – was eigentlich eine gute Nachricht ist, da gerade Wärmepumpen, E-Autos und Batteriespeicher ein inhärentes (also im Innensystem wohnendes)  Flexibilitätspotenzial haben, konstatiert Neon. Solarbatterien könnten demnach dann Strom beziehen, wenn Netze und Kraftwerke freie Kapazitäten haben und dann Strom einspeisen, wenn es zur Entlastung des Stromsystems vorteilhaft ist. Gleiches gilt, unter Einschränkungen, auch für Elektrofahrzeuge, die im Schnitt nur wenige Stunden am Tag bewegt und nur wenige Stunden pro Woche aufgeladen werden. Auch Wärmepumpen haben das Potenzial, den Stromverbrauch über die Zeit zu verschieben. Die umgewandelte Wärme könnte dann in Pufferspeichern und durch die thermische Trägheit des Gebäudes selbst gespeichert werden.

Dieses System ist jedoch nicht nur netzdienlich, sondern birgt auch große Einsparpotenziale für die Endverbraucher, erklärt Lion Hirth im Gespräch mit dem Handelsblatt. Hirt ist Professor an der Berliner Hertie School und Geschäftsführer von Neon. Er pocht auf den verstärkten Einsatz flexibler Stromtarife, die die viertelstündlich schwankenden Börsenstrompreise an die Verbraucher weitergeben.

„Sobald die Kundinnen und Kunden erkennen, welche Einsparpotenziale sie ausschöpfen können, wenn sie solche Tarife nutzen, werden die entsprechenden Angebote der Stromanbieter nicht lange auf sich warten lassen“, erklärt der Experte. Laut der Neon-Studie kann etwa der systemdienliche Betrieb einer Wärmepumpe gegenüber dem normalen Betrieb die im Stromsystem verursachten Kosten um 24 Prozent senken. Das netzdienliche Laden eines Elektroautos kann die Kosten für das Stromsystem sogar um 70 Prozent im Vergleich zur gewöhnlichen Ladestrategie senken.

Dynamische Stromtarife sind keine Zukunftsmusik

Anbieter wie Enpal oder 1Komma5° betreiben schon heute Solaranlagen, Hausspeicher, Wallboxen und Wärmepumpen nach der in der Studie beschriebenen Idee: Die Anlagen richten sich nach Netzlast und Angebot, beziehen ihren Strom nach variablen, möglichst niedrigen Preisen und speisen den Strom bei Bedarf zu den aktuellen Börsenpreisen ein.

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Philipp Schröder, Mitgründer und CEO von 1Komma5°, erklärt dazu: „Damit die Energiewende funktioniert, müssen flexible Verbraucher dem Takt von Sonne und Wind folgen. Genau dann ist Strom an der Börse nicht nur am günstigsten, sondern auch besonders sauber. Wir bündeln auf unserer Heartbeat Plattform alle Systeme und können so die Energie für Elektroautos, Stromspeicher und Wärmepumpen flexibel im Schwarm steuern und diese dem wachsenden Angebot von erneuerbaren Energien folgen.“

Mit seinem Angebot löst 1Komma5° nach Schröders Ansicht gleich zwei Probleme auf einmal: „Zum einen tragen wir dazu bei, die Volatilität der Erneuerbaren abzupuffern. Denn ähnlich wie ein Überlaufschutz glätten vernetzte Speicher die Schwankungen am Strommarkt ab. Das ist entscheidend für die Energiewende, da die Volatilität durch den massiven Zubau von Solar und Windkraft und das Abschalten von Atomkraft stetig zunimmt. Zum anderen wird der Betrieb von Elektroautos und Wärmepumpen nicht teurer, sondern günstiger und sauberer. Denn immer dann, wenn besonders viel Wind und Sonne im Markt ist, wird der Strom sehr günstig, manchmal gar kostenlos und gleichzeitig auch besonders sauber.“

Experten fordern zeitvariable Netzentgelte

Bisher bieten nur einige Anbieter variable beziehungsweise dynamische Stromtarife an. Bis 2025 sind jedoch alle Stromversorger in Deutschland gesetzlich dazu verpflichtet, solche Tarife anzubieten.

Endverbraucher benötigen sogenannte Smart Meter, also intelligente, digitale Stromzähler, um das Angebot nutzen zu können – doch die werden hierzulande bislang nur selten eingesetzt. 2022 war laut Handelsblatt nur etwa ein Prozent der Haushalte mit einem Smart Meter ausgestattet – in Staaten wie Spanien, Schweden und Dänemark verfügen fast alle Gebäude bereits über solche Stromzähler. Die genannten Angebote von Enpal und 1Komma5° setzen deshalb darauf, mit eigenen Stromzählern den so genannten Messstellenbetrieb zu übernehmen.

Neon fordert in der Untersuchung zudem die Einführung zeitvariabler Netzentgelte mit drei unterschiedlichen Tarifstufen – bislang gebe es nämlich eine teils „erhebliche Diskrepanz“ zwischen Netzentgelten und zugrundeliegenden Netzkosten.

Die zügige und korrekte Ausgestaltung finanzieller Anreize für einen netzdienlichen Stromverbrauch könnte laut der Untersuchung also nicht nur unsere Stromnetze stützen, sondern auch die Stromkosten für Verbraucher mit dynamischen Stromtarifen ebenso senken wie die Kosten aller anderen Netzkunden.

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