Alfa Romeo

Tests

Alfa Romeo Junior Elettrica Veloce: 207-kW-Familienracer im Test

Wir fuhren das kleine Sport-SUV auf einer Rennstrecke

alfa romeo junior elettrica veloce: 207-kw-familienracer im test

Als Alfa Romeo den Junior Veloce ankündigte, dachten wir noch: Bald gibt es den Abarth 600e und den Lancia Ypsilon HF auch als Alfa, denn alle drei Modelle sollten einen 177-kW-Antrieb bekommen. Kurz danach mussten wir unsere Meinung revidieren, denn Alfa schaffte es, seinen Neuling auf 207 kW zu bringen. Wir haben das Auto nun auf dem Stellantis-Testgelände in Balocco (zwischen Mailand und Turin) getestet.

Der Alfa Romeo Junior basiert auf der Stellantis-Plattform eCMP, die auch den Peugeot E-208, den Opel Corsa Electric, den Opel Mokka Electric und viele andere B-Segment-Fahrzeuge von Stellantis trägt. Den Junior, der zunächst Milano heißen sollte, aber auf Drängen der italienischen Regierung umbenannt wurde, kann man bereits bestellen. Verfügbar ist aber neben einem Mildhybrid nur der altbekannte 115-kW-Antrieb. Die 207-kW-Version taucht schon in der Preisliste auf, ist aber ausweislich einer Fußnote erst ab Spätsommer bestellbar.

Schnelle Daten Alfa Romeo Junior Elettrica 280 Veloce (2024)
Antrieb Frontantrieb mit 207 kW (Permanentmagnet-Synchronmotor)
Drehmoment 345 Nm
0-100 km/h 5,9 Sek.
Batterie 54 kWh brutto, 51 kWh netto (NMC811-Chemie)
Reichweite ca. 322 km (mit Michelin-Reifen, noch nicht homologiert)
Max. Ladeleistung 100 kW (DC), Ladedauer < 30 min (10-80%)
Basispreis 48.500 Euro

Exterieur | Interieur | Antrieb | Akku |Fahreindrücke | Preise | Fazit

Exterieur

Von den Maßen her unterscheidet sich der Alfa Junior nicht allzu stark von seinen Schwestermodellen. Er ist 4,17 Meter lang und i1,51 Meter hoch (in der tiefergelegten Veloce-Version). Alfa bezeichnet das Auto als SUV, aber der Unterschied zum Hatchback ist gering, denn der Kompaktwagen VW ID.3 ist mit 1,56 Meter sogar höher.

Die Vorderansicht wirkt mit den unregelmäßig geformten Frontleuchten recht zerklüftet; das mittige Cuore Sportivo wirkt eher wie ein Dreieck, Schlange und Kreuz sind nur noch erkennbar, wenn man genau hinguckt. Dazu kommt, dass das Hartplastik, aus dem dieses Schild geformt ist, eher billig wirkt. Wertiger als bisher wirkt dafür das Marken-Logo oben auf der Haube, das nicht mehr bunt, sondern schwarzweiß daherkommt.

Das mittige Schild zeigt rechts die Schlange, deren Drachenkopf einen Menschen im Mund trägt

Seitlich fällt die rote Zierleiste am Schweller auf, die ein Kennzeichen der Veloce-Version darstellt, genauso wie das schwarze Dach. Die 20-Zöller (ebenfalls eine Veloce-Besonderheit) sind extrem luftig gebaut, was vorne die roten Bremssättel gut zur Geltung bringt. Hinten, wo die Scheiben deutlich kleiner sind, wirken die Felgen reichlich leer:

Große 20-Zöller mit wenig Gummi auf den Rädern und viel Luft zwischen den vier Speichen

Die hinteren Türgriffe werden in dem schwarzen Plastik an der C-Säule verborgen, über den hinteren Flanken ist die Hüftlinie leicht nach oben gewellt. Das abgeschnitten wirkende Heck orientiert sich an historischen Vorbildern wie der Giulia TZ von 1963.

Die “Coda tronca” (abgeschnittenes Heck) soll die Aerodynamik verbessern

Interieur

Innen ist die Verwandtschaft zu den B-Segment-Modellen von Stellantis deutlich zu erkennen. Übernommen wurden der Getriebewähler (P, N, R, D und B, Letzteres für die verstärkte Rekuperation), der Startknopf und der Wähler für die Fahrmodi, die hier Dynamic, Natural und Advanced Efficiency heißen. Das 10,25-Zoll-Instrumentendisplay lässt sich gut ablesen, der 10-Zoll-Touchscreen dagegen ist ziemlich weit unten positioniert. Vor dem Beifahrersitz und an den Türinnenseiten gibt es Alcantara-Leder, aber an vielen anderen Stellen nur ödes Hartplastik.

Die Tasten zur Bedienung der Klimaautomatik sind etwas wackelig

In Sachen Bedienung fielen uns die Tasten für die Klimabedienung auf. Lobenswert, dass es diese physischen Bedienelemente gibt, aber sie sind etwas wackelig. Außerdem sind zwei wichtige Tasten, die eigentlich in die Nähe des Touchscreens gehört hätten, an den Luftausströmern positioniert: der wichtige Home-Knopf und eine Taste für die Assistenzsysteme. Wie bei Stellantis-Fahrzeugen üblich, wird die Geschwindigkeitsbeschränkung leider nur nach Bestätigung per “OK”-Knopf am Lenkrad übernommen. Immerhin kann man beim Junior einen Signalton aktivieren, der warnt, wenn sich das Tempolimit ändert.

Wie immer erprobte ich die Ladeplanung. Nach Umstellung auf die Sprache Deutsch befahl ich der Sprachsteuerung: Navigiere nach München. Kurz musste das System rechnen, dann präsentierte es eine komplette Ladeplanung mit mehreren Stopps, wobei für jeden der Ladestand beim Erreichen der Ladesäule, die empfohlene Ladedauer und die aktuelle Belegung der Säulen angezeigt wurde.

Das System entwickelt eine komplette Ladeplanung

An der Ionity-Säule gibt’s nur 103 kW

Ungewöhnlich: Auch bei den Schnellladern von Ionity, die stets 350 kW abgeben, werden 103 kW angezeigt – vermutlich, damit kein User sich wundert, warum sein oder ihr Alfa nur mit 100 kW lädt.

Einstellungen zum Laden gibt es wenig; so habe ich im Auto keine Möglichkeit gefunden, den Minimal-Ladestand einzugeben, den man an der Säule noch haben möchte – vielleicht ist das aber in der App möglich. Eine Vorkonditionierung der Batterie hat der Junior ebenfalls nicht, sagte mir Alfa-Produktexperte Daniel Tiago Guzzafame; das habe der Junior mit seinem relativ kleinen Akku nicht nötig.

Bei den Testfahrzeugen waren die optionalen Sabelt-Integralsitze aus dem Sportpaket installiert. Diese haben eine harte Rückseite aus Plastik, die bei großen Zeitgenossen Probleme beim Einsteigen und Unterbringen der langen Beine mit sich bringen. Der 1,76 Meter langen Autor passt jedoch problemlos hinter den Fahrersitz, wenn dieser auf die gleiche Größe eingestellt ist. Auch über dem Kopf bleiben noch ein paar Zentimeter.

Die harte Rückseite der optionalen Sportsitze

Der Kofferraum bietet einen lobenswerten Einlegeboden, der sich in drei Höhen installieren lässt; damit kann man die Schwelle am Kofferraumeingang egalisieren. Das Gepäckabteil bietet 400 bis 1.265 Liter Volumen, was viel für die Klasse ist. Unter der Fronthaube überraschte mich der Alfa mit einem Plastikteil, das sich nach dem Öffnen als kleiner “Frunk” entpuppt:

Das Plastikteil unter der Fronthaube lässt sich öffnen und für das Ladekabel verwenden

Antrieb und Torsen-Sperrdifferenzial

Laut Produktexperte Guzzafame hat der 207-kW-Motor die gleiche Hardware wie der 177-kW-Motor; der Unterschied liegt in der Software. Die 30 kW mehr haben die Ingenieurinnen und Ingenieure erst in den letzten Monaten herausgeschunden. Offiziell heißt es, die 207 kW der anderen Veloce-Varianten seien das Ziel gewesen. Doch vermutlich hat auch die Leistung der Konkurrenz eine Rolle gespielt: Smart #1 und #3 sowie der Volvo EX30 haben einen 200-kW-Antrieb. Der Permanentmagnet-Synchronmotor ist laut Guzzafame wassergekühlt; zu den Besonderheiten gehört, dass er das Spitzendrehmoment von 345 Nm bis 6.000 Touren aufrechterhält.

Mit den 207 kW soll der Junior in 5,9 Sekunden auf 100 km/h spurten; die 177-kW-Version brauchte laut Preisliste vom Mai nur eine Zehntelsekunde länger. Auch das Drehmoment ist das gleiche. Um das Kurvenverhalten zu verbessern, bekam der Veloce jedoch dickere Stabilisatoren vorne und hinten, ein 25 mm niedrigeres Fahrwerk und als technische Besonderheit ein Torsen-Sperrdifferenzial vom Typ D.

Torsen-Differenziale (von Torque Sensing) “fühlen” das Drehmoment und werden meist bei Allradlern eingesetzt, um das Drehmoment auf die traktionsstärkere Achse umzuverteilen. Beim Junior wird dieses Differenzial (für Nerds: es ist der Typ D) zwischen den Vorderrädern eingebaut. Am Reduktionsgetriebe positioniert, lenkt es das Drehmoment in der Kurve auf das langsamer drehende, kurveninnere Vorderrad um, was das Handling verbessern soll.

Akku und Laden

Als Akku wird wie bei allen neuen B-Segment-SUVs von Stellantis eine Batterie mit 54 kWh brutto und 51 kWh netto eingebaut. Diese besteht aus 102 prismatischen Zellen, die allesamt in Reihe geschaltet sind (102s1p). Sie arbeiten mit NCM811-Chemie (Nickel, Mangan und Cobalt im Verhältnis 8:1:1 an der Kathode) und kommen vom Hersteller CATL, wie mir Guzzafame sagte. Sie stecken in 17 Modulen mit jeweils 6 Zellen. Diese wurden nicht in einer einheitlichen Bodenplatte angeordnet, denn CMP ist eine Multi-Antriebs-Plattform. Deshalb wurden alle Räume genutzt, insbesondere auch der unter den Rücksitzen, wo sich beim Verbrenner der Tank befindet.

Zu dem kleineren Akku mit 51 kWh brutto und 48 kWh netto, den Stellantis bei den Hatchbacks à la Opel 208 Electric verwendet, wollten mir die Ingenieure partout nichts sagen. Aber man darf wohl vermuten, dass er aus 16 Modulen à 6 Zellen besteht.

Aufgeladen wird serienmäßig mit 11 kW Wechselstrom oder 100 kW Gleichstrom (DC); mit DC soll der Ladehub von 10 auf 80 Prozent weniger als 30 min dauern. Daraus errechnet sich eine eher geringe Ladegeschwindigkeit von 51 kWh*0,7/30 min=1,2 kWh/min.

Fahreindrücke

Wir fuhren zuerst die 21 km lange “Langhe”-Strecke in Balocco, die eine Landstraße simuliert. Aber nicht gemütlich wie sonst, sondern hinter einem Pace Car her und so schnell, dass die Reifen schon arbeiten mussten und fast schon zu schnell für “normale” Autojournalisten wie mich.

Wanken konnte ich dabei kaum feststellen. Die im Testwagen verbauten Sitze bieten guten Seitenhalt; es handelte sich allerdings um die optionalen Sabelt-Integralsitze (Bestandteil des 2.500 Euro teuren Sport-Pakets).

Auf dem guten Asphalt ließ sich der Federungskomfort nicht beurteilen, aber an der Temposchwelle kurz vor dem Parkplatz knallte es dann doch ganz schön. Kurz gesagt: Der Junior ist straff gefedert. Die Traktion ist in Ordnung: Als ich im Stand Vollgas gab, quietschten die Reifen, rutschten aber nicht fühlbar durch – anders als beim neuen Mini Cooper SE, den ich allerdings auf feuchtem Asphalt fuhr.

Auf einer kurzen, langsamen Fahrt erprobte ich dann noch ein paar Sachen, für die ich auf der schnellen Runde keine Hand frei hatte, zum Beispiel die Modi: Sie haben eine spürbare Auswirkung auf das Ansprechen des Gaspedals: Im Stromsparmodus wirkt das Auto deutlich lahmer. So entschloss ich mich bald für den Dynamic-Modus. Er sorgt auch für eine direktere Lenkung – aber da bin ich auch wenig anspruchsvoll und wäre auch mit den anderen Modi zufrieden gewesen.

Das Beschleunigungsgefühl ist gut, aber es haute mich nicht vom Hocker, wie etwa beim Volvo EX40 mit dem 300-kW-Allradantrieb. Ein Kollege meinte, das liege wohl an der Auslegung, und er finde das besser so. Möglicherweise hat Alfa den Start nicht so vehement gestaltet, wie es möglich gewesen wäre.

Stolz ist man bei Alfa auf das geringe Leergewicht von 1.635 Kilo (nach EU-Norm, also mit 75 kg für die Person am Steuer): Das sei das niedrigste Gewicht der Klasse. Ob das stimmt, sehen wir im nächsten Kapitel.

Preise und Rivalen

Den Alfa Junior mit 207 kW gibt es ab 48.500 Euro. Das ist nicht gerade wenig Geld für ein 4,17 Meter langes Auto aus dem Kleinwagensegment. Zu den Konkurrenten gehören der Abarth 600e und der Lancia Ypsilon HF (also die 177-kW-Autos aus dem Konzern), für die es aber noch keine Preise gibt. Außerdem tritt der Wagen gegen den 200-kW-Versionen des Volvo EX30, des Smart #1 und des Smart #3 an. Hier eine kleine Vergleichstabelle (deutlich bessere Werte gefettet):

  Alfa Junior
280 Veloce
Volvo EX30
Single Motor
Smart #3 Pro Smart #1 Pure
Antrieb FWD 207 kW RWD 200 kW RWD 200 KW RWD 200 kW
0-100 km/h 5,9 Sek. 5,7 Sek. 5,8 Sek. 6,7 Sek.
vMax 200 km/h 180 km/h 180 km/h 180 km/h
Akku (netto) 51 kWh 49 kWh 47 kWh 47 kWh
WLTP-Reichweite ca. 322 km 324-339 km 325 km 310 km
DC-Ladegeschw. 1,2 kWh/100 km 1,3 kWh/min 1,1 kWh/min 1,1 kWh/min
Länge 4,17 m 4,23 m 4,40 m 4,27 m
Höhe 1,51 m 1,55 m 1,56 m 1,64 m
Kofferraum 400-1.265 Liter 318-1.000 Liter
(7 Liter Frunk)
370-1.160 Liter 323-986 Liter
EU-Leergewicht 1.635 kg 1.840 kg 1.780 kg 1.780 kg
Basispreis 48.500 Euro 39.790 Euro 38.490 Euro (Pro) 34.990 Euro (Pure)
mit Rabatt 35.205 Euro 31.705 Euro

Auf den ersten Blick zu sehen ist, dass der Alfa ziemlich teuer ist. Auf der Plus-Seite stehen das große Kofferraumvolumen und das niedrige Gewicht (das sich allerdings auf die nackte Version ohne das Sportpaket bezieht).

Liegt der hohe Preis daran, dass Alfa seinem Junior-Topmodell besonders viel Ausstattung angedeihen lässt? Ja, der Veloce ist gut ausgestattet, aber nicht komplett. Eine Wärmepumpe ist für diese Variante nicht mal optional verfügbar, während sie bei der 115-kW-Version serienmäßig ist. Dazu sagte mir Guzzafame, die Wärmepumpe würde bei der Basisversion rund sieben Prozent mehr Reichweite ergeben, beim Veloce aber nur zwei oder drei Prozent – deswegen hätte man drauf verzichtet. Zweites Manko: Ein Navi kostet Aufpreis. Angeboten wird es als Bestandteil des Technologiepakets, mit dem sich der ohnehin schon stattliche Preis um weitere 2.500 Euro erhöht.

Den Smart #1 gibt es mit der bis Ende August gewährten Smart-Prämie in der neuen Basisversion Pure schon ab knapp 32.000 Euro. Hier ist die Sprintzeit allerdings deutlich schlechter, der Kofferraum (trotz der extrem hohen Karosserie, die 13 cm höher aufragt als beim Junior Veloce) spürbar kleiner. Zudem fehlt der dreiphasige Bordlader, eine Sitzheizung und sogar die elektrisch einstell- und beheizbaren Außenspiegel.

Der Smart #3 ragt nicht so hoch auf wie der #1, ist dafür aber ziemlich lang. Da es ihn (noch) nicht in der günstigen Pure-Version gibt, zahlt man hier mindestens 35.000 Euro für die Version Pro. Wer einen dreiphasigen Bordlader will, braucht den Pro+ und zahlt schon etwa 40.000 Euro. Und den Volvo EX30 verleidet uns das fehlende Instrumentendisplay.

Fazit

Alles in allem ist der Alfa Junior Veloce ein gutes Auto mit gutem Handling, das sich auch deutlich von den Schwestermodellen absetzt. Allerdings zu einem mehr als stattlichen Preis.

Wenn ich eine kleine Familie hätte und ein schnelles Elektrofahrzeug wollte, würde ich mir vielleicht ein Tesla Model Y Long Range RWD kaufen, das es für ein paar hundert Euro mehr (ab 48.990 Euro) gibt. Da kriegt man für mein Gefühl deutlich mehr Auto fürs Geld, inklusive einer hohen Reichweite von 600 km, mehr Platz für Kind und Kegel sowie der gleichen Sprintzeit. Sportliche Alternativen wären der Mini Cooper SE oder der Alpine A290, die freilich nur 160 kW bieten.

Bildergalerie: Alfa Romeo Junior Veloce (2024)

alfa romeo junior elettrica veloce: 207-kw-familienracer im test alfa romeo junior elettrica veloce: 207-kw-familienracer im test alfa romeo junior elettrica veloce: 207-kw-familienracer im test alfa romeo junior elettrica veloce: 207-kw-familienracer im test alfa romeo junior elettrica veloce: 207-kw-familienracer im test alfa romeo junior elettrica veloce: 207-kw-familienracer im test alfa romeo junior elettrica veloce: 207-kw-familienracer im test

TOP STORIES

Top List in the World