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Ein Oldtimerfan hilft den Kleingärtnern

Der Rothenburger Andreas Pallesche ist jetzt für die Sparten in Görlitz, Niesky und Umland zuständig. Aktuell stehen 6,5 Prozent leer. Das will er ändern.

ein oldtimerfan hilft den kleingärtnern

Und plötzlich war es wieder Winter: Schatzmeisterin Julia Hartmann, Buchhalterin Isabell Seidel und Geschäftsstellenleiter Andreas Pallesche (v.l.) vom Niederschlesischen Kleingärtnerverband stehen in der Kleingartensparte „Zur Sonnenblume“ in Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Mit Kleingärten hatte Andreas Pallesche bisher nichts am Hut. „Ich habe nie in meinem Leben einen Kleingarten gehabt“, sagt der 60-Jährige. Stattdessen sind Oldtimer sein Hobby: In seinem Wohnort Rothenburg organisiert er regelmäßig und mit großer Begeisterung das Blaulicht- und Sirenentreffen, auf dem alle Fahrzeuge mindestens 30 Jahre alt sein müssen. „Zudem habe ich bis 2002 den Spielmannszug Rothenburg geleitet“, berichtet er.

    Trotz alledem ist er seit Kurzem Geschäftsstellenleiter beim Niederschlesischen Kleingärtnerverband (NKV), der aus 107 Kleingartenvereinen mit 5.240 Gärten auf einer Gesamtfläche von 188,3 Hektar zwischen Rothenburg und Schönau-Berzdorf besteht. Den Großteil darin macht die Stadt Görlitz mit allein 87 Vereinen aus.

    Also ist Nicht-Gärtner Pallesche jetzt der oberste Kleingärtner von Görlitz? Nicht ganz. Bisher hatte der NKV mit Frank Reimann einen Geschäftsführer, der gleichzeitig Vorsitzender war. Reimann hat zum Jahresende 2022 beides von sich aus abgegeben – und seit 2023 gibt es getrennte Posten. Neuer ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender ist Sven Umlauft. Und neuer hauptamtlicher Geschäftsstellenleiter eben Andreas Pallesche. „Die Stelle war ausgeschrieben“, sagt Pallesche, der zuvor bei einem Unternehmen bundesweit im Außendienst unterwegs war und pro Woche 2.000 Kilometer Auto gefahren ist. „Ich habe schwere Arthrose, da ging das nicht mehr“, sagt er. Also bewarb er sich auf die 30-Stunden-Stelle – und wurde genommen.

    Geschäftsstellenleiter ist unparteiisch

    Dass er selbst kein Kleingärtner ist, sei sogar von Vorteil: „Dadurch bin ich unparteiisch und bevorzuge keinen Verein.“ Mit dem Bundeskleingartengesetz hatte er nie zu tun, aber Frank Reimann habe ihn gut eingearbeitet: „Wir haben uns von Mai bis Dezember überlappt.“ Und letztlich habe er durch seine bisherigen Ehrenämter viel Erfahrung mit Vereinsarbeit, die ihm bei den Kleingärtnern auch zugutekommt.

    In der NKV-Geschäftsstelle am Görlitzer Klosterplatz sind drei Menschen beschäftigt – neben Pallesche Buchhalterin Isabell Seidel und Sachbearbeiter Andreas Jurk. Die insgesamt elf Vorstandsmitglieder hingegen arbeiten ehrenamtlich. Sie wurden im September neu gewählt. „Es gab einen echten Generationswechsel“, berichtet Pallesche: „Acht von elf Vorständen sind neu.“ Das seien alles Kleingärtner – und viele von ihnen seien zwischen 35 und 40 Jahre alt. „Vorher lag der Durchschnitt um die 60 Jahre“, sagt Pallesche. Auch drei Frauen arbeiten im neuen Vorstand mit.

    Vorstände zwischen 32 und 74 Jahre alt

    Vorstandsvorsitzender Sven Umlauft ist mit seinen 32 Jahren der Jüngste im Elfer-Team, sein Stellvertreter Walter Tschirner mit 74 Jahren der Älteste. Ähnlich sehe es in den 5.240 Gärten aus. Umlauft sagt, es gebe viele 85-Jährige, die noch fit an der Schubkarre sind. Auf der anderen Seite habe gerade Corona für einen Zulauf an jungen Familien gesorgt, die im Lockdown nicht zuhause sitzen, sondern einen Kleingarten bewirtschaften wollten. Diesen bundesweiten Trend habe es auch in Görlitz gegeben, sagt der Geschäftsstellenleiter.

    Die meisten „Neuen“ haben Gefallen an ihren Gärten gefunden – und sind auch nach Corona geblieben. Gibt es da nicht auch Generationenkonflikte? „Natürlich gibt es Ältere, die ihre Ruhe haben wollen“, sagt Pallesche: „Aber im Großen und Ganzen gibt es wenig Probleme.“ Jüngere nutzen den Garten oft als Familie – und da stehe die Erholung im Fokus – gern auch mit Swimmingpool und Spielgeräten.

    Schon mit Anfang 20 angefangen

    Auch Umlauft bestätigt hier und da Generationenkonflikte: „Unsere Hauptaufgaben als Vorstand sind Ärger, Probleme – und die Weiterbildung der Vereinsvorsitzenden.“ Er selbst ist seit 2012 Kleingärtner, hat also schon mit Anfang 20 angefangen. Seit 2020 ist er Vorsitzender der Sparte „Zur Sonnenblume“ in der Görlitzer Südstadt. In den Vorständen erlebe er die Unterschiede der Generationen: „Viele Ältere machen alles noch händisch und nutzen keinen Computer.“ Oft gebe es keine Verträge, vieles wurde lange geduldet. „Da gibt es Reibereien“, sagt Umlauft. Er setzt auf Verträge: „Ich will Rechtssicherheit reinbekommen – im Sinne der Vereine.“

    Ein wichtiges Ziel aller ist es, den Leerstand zu verringern. Künftig sollen freie Gärten verstärkt im Internet angeboten werden. Aktuell stehen 338 von 5.240 Gärten leer – rund 6,5 Prozent. Die Zahl pendele immer mal ein bisschen, habe sich aber in den vergangenen Jahren nicht gravierend verändert, erklärt Pallesche. Der Leerstand verteile sich ganz unterschiedlich auf die Sparten. Einige, darunter „Sternwarte IV“, „Energie“, „Glück Auf“, „Frischer Wind“ und „Frohsinn“ kennen überhaupt keinen Leerstand, teilweise gibt es sogar Wartelisten. In vielen anderen Sparten stehen immer mal ein bis zwei Gärten leer, füllen sich aber wieder. „Den mit 40 Gärten größten Leerstand haben wir bei den Pomologen“, sagt Pallesche. Allerdings sei das mit 246 Gärten auch die größte Sparte.

    In Niesky, Rothenburg und den Dörfern rundherum ist der Leerstand gering, sagt Pallesche: „Zum Teil gibt es einzelne leere Gärten, aber die füllen sich zumeist schnell wieder.“ Problemsparten gibt es nicht. Was ihn aber ärgert: Während die Stadt Görlitz ihre Sparten finanziell unterstützt, tun das die Eigentümer in Niesky, Rothenburg und Umgebung nicht: „Die bekommen von uns die Pacht, aber es kommt nichts zurück. Mit zehn Prozent der Pacht als Refinanzierung wäre schon geholfen“, sagt er.

      Um die Menschen in den Vereinen zu halten, wird bei den Regeln manchmal ein Auge zugedrückt. Das Nadelgehölz-Verbot etwa wird oft nicht streng durchgedrückt. Erst bei der Abgabe eines Gartens müssen alle Koniferen beseitigt werden. Die Regel aus dem Bundeskleingartengesetz, wonach 30 Prozent der Fläche für den Anbau von Obst und Gemüse verwendet werden müssen, hat aber auch in Görlitz und Umgebung Bestand. „Wenn einem ein Abweichen erlaubt wird, wollen es andere auch“, sagt Pallesche. Aber andererseits habe ohnehin ein Umdenken eingesetzt: „Seit Obst und Gemüse teurer geworden sind, halten sich viele Kleingärtner freiwillig an die Regel und bauen wieder mehr an.“

      Ein anderes Thema, mit dem sich auch die Kleingärtner herumplagen mussten, ist mittlerweile abgehakt: Die Abgabe der Zuarbeiten zur Grundsteuer. „85 Prozent der Vereine haben ihre Daten gemeldet“, sagt Pallesche. Der NKV hat die Daten an die Eigentümer weitergeleitet – fristgerecht bis Ende Januar. Bei den Vereinen, die keine Zuarbeit geleistet haben, werde das Finanzamt die Gartenlauben schätzen.

      www.kleingaertner-goerlitz.de

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