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Was wäre, wenn alle davon wüssten?

Als Privatperson haben Sie selbstverständlich die Freiheit, locker 20.000 Euro für ein neues Auto auszugeben. Als Angestellter dürfen Sie nicht einmal einen Bürostuhl bestellen. Muss das so sein?

was wäre, wenn alle davon wüssten?

Was wäre, wenn alle davon wüssten?

Liebe Leserin, lieber Leser,

Richtlinien für Büromaterial, Reisekosten, Team-Events: Je größer die Organisation ist, desto mehr Regeln gibt es. Kein Wunder, Bürokratie ist nach wie vor das Betriebssystem fast jeder Organisation. Muss das so sein? Und müssen wir als Führungskräfte wirklich für alles einen Prozess oder eine Regel festlegen? Wenn ich Belege über 6,54 Euro freizeichne, frage ich mich manchmal schon, wie sinnvoll das ist.

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“Das Problem ist nicht der eine oder andere Kontrollfreak im Haus, sondern die hierarchische Struktur, die Beschäftigte systematisch entmachtet”, schrieb Managementguru Gary Hamel schon vor Jahren. “Als Privatperson haben Sie ganz selbstverständlich die Freiheit, 20.000 Dollar für ein neues Auto auszugeben. Als einfacher Angestellter dürfen Sie jedoch nicht einmal einen Bürostuhl für 500 Dollar bestellen.”

Vor ein paar Monaten hatte ich die Gelegenheit, den Rebellen und Professor beim Global Drucker Forum zu erleben. (Er spricht so feurig wie er schreibt.) Er teilte dort eine Anekdote aus seiner wissenschaftlichen Arbeit: Ein Unternehmen, das er beobachtete, schaffte alle Richtlinien für Reisen ab. Jeder Mitarbeitende konnte die Klasse für die Bahnfahrt oder den Flug frei buchen und das Hotel nach Gutdünken aussuchen. Kostenbeschränkungen gab es nicht. Parallel dazu gab das Unternehmen eine neue Regel bekannt. Sie lautete: “Wir stellen alle Buchungen online, jeder kann diese Informationen einsehen.”

Sie ahnen vielleicht, was passierte. Die Reisekosten sanken – und zwar deutlich. Transparenz wirkte stärker als jede Regel auf Papier. Es ist auch kein Zufall, dass in Dänemark der Gender Pay Gap schrumpft, seit Betriebe geschlechtsspezifische Gehaltsstrukturen offenlegen und begründen müssen. Topmanagerinnen und -manager verdienen dort übrigens auch nicht so exorbitant viel mehr als ihre C-Level-Kollegen in den USA oder Deutschland.

Transparenz wirkt besser als jede Regel

Jetzt wollen Sie vielleicht schon eine Mail an mich schreiben: “Aber der Datenschutz!” Mir ist schon klar, dass weder Sie noch ich die Reisekosten unserer Teammitglieder einfach ins Intranet stellen dürfen. Aber wir können und sollten uns fragen: Wo haben wir Möglichkeiten, Transparenz ins Team zu tragen und Eigenverantwortung zu stärken?

  • Wir können offen kommunizieren und erklären, wie wir Ressourcen verteilen und Gratifikationen vergeben. Viele Anreizsysteme, die ich kenne, funktionieren nur, weil sie intransparent sind.

  • Wir können offen darüber sprechen, wie wir selbst Entscheidungen treffen, große und kleine. Für meine nächste Reise im Nachtzug würde ich zum Beispiel ein Einzel- oder Zweierabteil buchen, um ausreichend Schlaf zu finden.

  • Wir sollten unsere Entscheidungen anhand einer Frage überprüfen: Wie würde ich entscheiden, wenn jeder und jede davon wüsste?

Ich empfehle Ihnen zum Thema unbedingt den Text “Schafft die Manager ab” von Gary Hamel. Ein Klassiker, für den besondere viele Kolleginnen und Kollegen aus meinem Team stimmten, als wir nach den besten Texten der vergangenen Jahrzehnte suchten. Seine Kernthese: Keine Funktion im Unternehmen ist ineffizienter als das Management.

Wenn Sie tiefer ins Thema Anreizsysteme einsteigen wollen, lesen Sie den neuen Text von Harvard-Fellow Heidi K. Gardner. Sie zeigt, wie Performance-Bewertungen Mitarbeiter zu Egoismus und Streit verführen. Und sie erklärt im Detail, welche Elemente Ihrer Scorecard Sie verändern sollten (mit Vorlagen zum Download).

Was meinen Sie: Wirkt Transparenz besser als jede Regel? Vielleicht setzen Sie diese Idee sogar schon um und haben einen Tipp.

Schreiben Sie mir hier an mein persönliches Postfach. Ich freue mich über jede Rückmeldung.

Herzliche Grüße

Antonia Götsch

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