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Gebrauchtteilreparatur: Kundenzustimmung und Teileverfügbarkeit steigen deutlich

21.10.2024 06:31 Uhr | Lesezeit: 9 min gebrauchtteilreparatur: kundenzustimmung und teileverfügbarkeit steigen deutlich

Der 12. Allianz Autotag stand unter dem Motto “Big versus Small”, forderte mehr Sicherheit für ungeschützte Verkehrsteilnehmer, befasste sich aber auch mit weiteren wichtigen Branchenthemen wie z.B. der Gebrauchtteil-Reparatur. Als Referenten und Diskussionsteilnehmer traten auf (v.l.): Allianz SE Vorstand Klaus-Peter Röhler, Stefan Pfeiffer, Leiter Verkehrspolizeidirektion Feucht und Leiter Verkehrssicherheitskommission der Deutschen Polizeigewerkschaft,  Vorstandschef Frank Sommerfeld und Schadenvorständin Lucie Bakker (beide Allianz Versicherungs-AG), AZT-Geschäftsführer Christian Sahr, Allianz-Vorstand Ulrich Stephan, Markus Armbrust, Senior Technik-Experte Aktive Sicherheit bei Stellantis/Opel, Matthew Avery, Direktor strategisches Management Euro NCAP, Kathrin Hegger, Prokuristin bei Leopold Michel GmbH, Fahr- und Sicherheitstrainer Stephan Landgraf mit Moderatorin Claudia Bechstein. © Foto: Walter K. Pfauntsch

Frank Sommerfeld, Vorstandschef der Allianz-Versicherungs-AG, sieht die von ihm in Deutschland angestoßene Gebrauchtteil-Reparatur auf weiterhin gutem Weg: In nur einem halben Jahr sei die Teileverfügbarkeit um 40 Prozent angestiegen und auch bei der Zustimmung für eine Instandsetzung mit gebrauchten Teilen habe eine Umfrage den Top-Kundenwert von 89 Prozent ausgewiesen. Jetzt brauche es “klare gesetzliche Rahmenbedingungen”.

von Walter K. Pfauntsch

In Deutschland gibt es aktuell noch keinen breiten Markt für gebrauchte Ersatzteile von jüngeren Fahrzeugen zwischen drei und acht Jahren. Die Allianz hat sich deshalb im April dieses Jahres entschlossen, geeignete Fahrzeugteile dem deutschen Reparaturmarkt zur Verfügung zu stellen (wir berichteten mehrfach).

“Auch ökologisch sinnvoll”

“Wir wollen den Gebrauchtteilemarkt in Deutschland stärken, denn die Verwendung von gebrauchten Ersatzteilen ist nicht nur aus Kostengesichtspunkten, sondern vor allem auch aus Nachhaltigkeitsgründen sinnvoll”, sagte Frank Sommerfeld, Vorstandsvorsitzender der Allianz Versicherungs-AG, aktuell auch auf dem 12. Allianz Autotag vergangene Woche in Ismaning. Bei der Verwendung einer gebrauchten Fahrertür eines VW ID.3 spare man beispielsweise 78,4 Prozent oder 64,9 kg CO2. Hochgerechnet auf alle Reparaturen könnten bei entsprechender Verfügbarkeit 420.000 Tonnen CO2 im Jahr in Deutschland eingespart werden.

Gebrauchtteilemarkt in Deutschland wächst

Mit Start der Initiative der Allianz im April 2024 hat sich der Markt für Gebrauchtteile jüngerer Fahrzeuge in Deutschland positiv verändert. Das Gebrauchtteileangebot bei ClaimParts hat sich insgesamt, auch durch den Anschluss weiterer Lieferanten, um 40 Prozent von 3,2 auf 4,5 Mio. Teile erhöht. Diese Zahlen vermeldete vor kurzem bereits Dominik Hertel, Leiter Nachhaltigkeit bei der Allianz, im Rahmen der von der Restwertbörse net.casion und der GT-Börse ClaimParts in Frankfurt am Main gestarteten “Initiative Zukunft & Vernunft” (siehe AUTOHAUS Schadenmanager vom 14.10.2024).

“Entwicklung sehr positiv”

Auf der Seite der Gebrauchtteilegewinnung konnte die in den “Grünen Kreislauf” von net.casion und ClaimParts mit eingebundene Restwertbörse green.casion die “Anzahl der angeschlossenen zertifizierten Recycler von 8 auf 20 erhöhen”, so Sommerfeld. Zudem prüfen einige Kfz-Versicherer die alternative Vermarktung von Totalschäden mit Verwerternachweis ebenfalls.

In Frankfurt äußerten sich beispielsweise Michael Messmann und Anja Pleus von der LVM Versicherung in Münster auf der Basis erster Kundenumfragen und Erfahrungen sehr positiv zur Reparatur mit gebrauchten Fahrzeugteilen. “Die Entwicklung stimmt mich sehr zuversichtlich”, sagte letzte Woche denn auch Frank Sommerfeld in Ismaning und gab zusätzlich seiner Hoffnung darüber Ausdruck, “dass noch viele Versicherer unserem Beispiel folgen werden”.

Gesellschaftliche Akzeptanz hoch

Neben dem energieintensiveren stofflichen Recycling bei der Fahrzeugproduktion gewinne die Wiederverwendung gebrauchter Ersatzteile im Sinne eines Second Life immer mehr an gesellschaftlicher Akzeptanz. Wenn ein gebrauchtes Ersatzteil zur Verfügung steht, können die Fahrzeughalter frei entscheiden, ob sie mit dem Einbau eines gebrauchten Teils einverstanden sind oder nicht.

89 Prozent der Verbraucher würden laut einer Allianz Umfrage eine Reparatur ihres Fahrzeugs mit gebrauchten, aber vollständig intakten und zertifizierten Ersatz- anstelle von Neuteilen akzeptieren. Diese hohe Zustimmung in der Umfrage habe sich auch in der Praxis bestätigt: “Jeder zweite von uns angesprochene Kunde, bei dem eine Reparatur des Fahrzeugs mit gebrauchten Ersatzteilen möglich war, hat sich tatsächlich für eine nachhaltige Reparatur entschieden”, sagte Sommerfeld auf dem Autotag.

“In vielen Ländern funktioniert der Gebrauchtteilemarkt”

Wie vor einem halben Jahr, so erinnerte der Allianz Vorstandschef jetzt erneut daran, dass “einige Länder  bereits Maßnahmen ergriffen haben, um den Markt für gebrauchte Ersatzteile zu fördern”. So verwendeten die USA und Schweden schon seit über 25 Jahren Gebrauchtteile für die Unfallreparatur. England, die Niederlande und Frankreich seien diesem Beispiel in den letzten Jahren gefolgt und haben den Handel und die Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen, auch mittels Einführung gesetzlicher Vorgaben, gefördert. Dort gebe es auch entsprechende Werkstatterfahrungen bei der Reparatur, Gebrauchtteileportale und Logistiklösungen, die sich in der Praxis bewährt haben.

Eigener Kfz-Tarif für GT-Verwendung geplant

“In Deutschland brauchen wir ebenfalls gesetzliche Rahmenbedingungen, um diese Entwicklung schneller voranzutreiben. Nur gemeinsam können wir es schaffen, unbeschädigte Teile einem sinnvollen neuen Verwendungszweck zuzuführen”, so Sommerfeld. Sobald es in Deutschland eine ausreichende Verfügbarkeit von gebrauchten Ersatzteilen auch für jüngere Modellreihen gibt, plant die Allianz einen entsprechenden Kfz-Tarif, der die Verwendung von verfügbaren gebrauchten Teilen beinhaltet.

“10% aller Totalschäden für Gebrauchtteilemarkt geeignet”

Die Allianz bietet aktuell mit über 1.400 Partnerwerkstätten eine Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen an. Verwendung finden rund 25 Außenteile wie Türen sowie Front- und Heckklappen, aber auch Spiegel, Scheinwerfer oder Rückleuchten. Sicherheitsrelevante Teile wie Lenkungen, Achsteile oder Räder werden nicht verwendet.

“Für den GreenPart-Prozess eignen sich derzeit rund zehn Prozent der echten Totalschäden besonders gut”, befindet Frank Sommerfeld. Da die Fahrzeuge unbeschädigte Ersatzteile liefern müssen, würden “die meisten rundum beschädigten Fahrzeuge als Spender wegfallen”. Es gehe aber auch anders: So wurden bespielsweise Anfang Juni 2024 durch das Unwetter “Radha” viele Fahrzeuge durch Hochwasser zum Totalschaden, ohne dabei äußerlich beschädigt zu sein. Insgesamt konnte die Allianz dadurch 62 Kundenfahrzeuge mit rund 1.200 Teilen als Ersatzteilspender einsteuern und so eine CO2-Einsparung von mehr als 35 Tonnen erzielen.

Gleiche Garantie wie beim Neuteil

Der Recycler als Lieferant prüfe die Funktion des Gebrauchtteils und nehme es, wie beim Neuteil, im Falle einer berechtigten Reklamation auch zurück. Die Reparaturen erfolgen fachgerecht in den Allianz Partnerwerkstätten. “Unsere Kundinnen und Kunden erhalten ein Jahr Garantie auf das gebrauchte Ersatzteil – die gleiche Garantie wie bei einer Reparatur mit Neuteilen”, sichert der Allianz-Manager zu.

Starker GT-Markt als Kostendämpfer

Last but not least verwies Sommerfeld auf die massiven Preissteigerungen bei Ersatzteilen der Fahrzeughersteller, die deutlich oberhalb der Erhöhung des Verbraucherpreisindexes durch die Inflation liegen und wie dies seit Jahren auch vom Gesamtverband der Deutschen Versicherer kritisiert wird. “Ein starker Markt für gebrauchte Ersatzteile in Deutschland würde diesem Trend entgegenwirken.”

Teilweise seien die Erhöhungen allerdings auch dadurch bedingt, dass es sich “um Technologie-Weiterentwicklungen handelt, die eine Preiserhöhung durchaus rechtfertigen können”. Beispielsweise sei ein Scheinwerfer von heute nicht vergleichbar mit einem Modell von 2014, sondern erheblich leistungsfähiger. “Wenn es sich um technische Weiterentwicklungen handelt, sind Preisanstiege bei den Ersatzteilen durchaus gerechtfertigt. Das ist aber nicht bei jedem Ersatzteil der Fall. So sehen wir bei reinen Blechteilen, z. B. bei einer Tür oder einem Kotflügel, ebenfalls Preiserhöhungen, die in der Größenordnung nicht begründbar sind und die wir im Sinne des Verbrauchers und als Kfz-Versicherer kritisch sehen“, so Sommerfeld abschließend.

gebrauchtteilreparatur: kundenzustimmung und teileverfügbarkeit steigen deutlich

Frank Sommerfeld, Vorstandsvorsitzender der Allianz Versicherungs-AG (r.), startete vor einem halben Jahr mit ClaimParts bei den K&L-Werkstätten der Innovation Group die Unfallreparatur mit gebrauchten Fahrzeugteilen in Deutschland. Die bisherige Entwicklung bezeichnet er als “sehr positiv”, wirbt aber gleichzeitig weiterhin aktiv für eine Teilnahme auch anderer Autoversicherer am sogenannten “Grünen Kreislauf”. © Foto: Walter K. Pfauntsch

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