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BMW iX5 Hydrogen auf der Suche nach Wasserstoff

Mit dem iX5 Hydrogen hat BMW ein Brennstoffzellen-Auto mit hohem Reifegrad gebaut. Die Freude am Fahren wird allerdings stark eingeschränkt.

Bis zu 504 Kilometer weit soll die Norm-Reichweite des Elektroautos von BMW betragen, laut Reichweitenanzeige beim Start wären 431 Kilometer realistisch. Aber schon nach gut 200 Kilometern mit Tempo 140 über die Autobahn kommt so etwas wie Reichweitenangst auf. Warum? Plötzlich lässt uns die App wissen, dass die Tankstelle, auf die wir gerade zusteuern, vorübergehend außer Betrieb ist. Grund für den Ausfall: Leerer Wasserstofftank. Und nun? Bis zur nächsten Wasserstoff-Tankstelle sind es noch über 95 Kilometer, zurück zum Ausgangspunkt inzwischen über 100. Und im Tank ist nur noch „Sprit“ für etwas mehr als 180 Kilometer – da will der weitere Streckenverlauf genau überlegt sein.

Sie merken schon: Unser Elektroauto führt seine Antriebsenergie diesmal nicht in einer Hochvolt-Batterie mit sich, sondern produziert den Fahrstrom unterwegs selbst. Mithilfe einer Brennstoffzelle, in der Wasserstoff und Sauerstoff miteinander reagieren. BMW hat dazu im Boden unseres Testobjekts – einem Exemplar des Prototypen iX5 Hydrogen – zwei Tanks aus kohlefaserverstärktem Kunststoff montiert und vor der Anlieferung freundlicherweise mit sechs Kilogramm Wasserstoff in gasförmigem Zustand befüllt. So mussten wir uns in den ersten Tages noch nicht mit der Frage herumschlagen, wo und in welchem Mengen wir Nachschub bekommen.

bmw ix5 hydrogen auf der suche nach wasserstoff

Der Zeit voraus Der BMW iX5 Hydrogen vor der avantgardistischen Wohnhausarchitektur des Sluishuis im Amsterdamer Vorort Ilburg.

Und so können wir uns auch erst einmal ganz entspannt mit dem Fahrzeug vertraut machen, der vor unserem Büro von einem Transporter rollte – die Fahrt von München ins Rheinland auf eigener Achse mochten die Bayern ihrem in Kleinserie produzierten Fahrzeug nicht zumuten. Ein X5 ist auf deutschen Straßen zwar eine gewohnte Erscheinung. Es gibt ihn (immer noch) mit Dieselmotoren, in verschiedenen Ausführungen als Benziner und – teilelektrisch fahrend – auch als Plug-in Hybrid.

Fahren erst nach Einweisung

Bei unserem weiß lackierten Wagen machen hübsche blaue Beklebungen auf der Motorhaube und an den Seiten allen Verkehrsteilnehmern deutlich: Hier kommt etwas ganz Besonderes – ein Auto, das mit Hydrogen, also Wasserstoff, komplett emissionsfrei fährt. Das will erklärt sein. Und so trifft kurz nach dem Fahrzeug auch noch ein Experte ein, der uns eine halbstündige Einweisung in die Technik gibt.

Er weist uns darauf hin, dass die Füllstandsanzeige im Kombiinstrument den Inhalt der Wasserstoff-Tanks in Prozent angibt. Und was zu tun ist, wenn gewisse Symbole der Anzeige plötzlich rot leuchten, weil Wasserstoff austritt. Dann, so mahnt er, heiße es anhalten und schleunigst das Fahrzeug verlassen. Da kann einem schon ein wenig bang werden. Und er erklärt uns, dass wir uns nicht sorgen müssen, wenn es beim Parken des Fahrzeugs gelegentlich zische – da werde dann nur Wasserdampf abgelassen. Okay, das kennen wir schon. Beim Toyota Mirai – der einige Komponenten mit dem iX5 des Kooperationspartners BMW gemein hat – gibt es dafür eine spezielle „Pippi“-Taste. Die haben die Bayern allerdings eingespart.

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Die Uhr läuft Handgestoppte 6:30 Minuten vergehen an der Tankstelle in Duisburg, bis die sechs Kilogramm fassenden Tanks des BMW iX5 Hydrogen bis oben hin mit gasförmigem Wasserstoff befüllt sind. Den Gang ins Kassenhäuschen kann man sich da sparen.

Ansonsten gibt der iX5 Hydrogen keine Rätsel auf, ist er mit seinen konventionell angetriebenen Schwestermodellen weitgehend identisch. Heißt: Für die Insassen gibt es jede Menge Platz und alle Annehmlichkeiten, die ein Oberklasse-SUV ausmachen. Dazu einen absolut lautlosen und hochkomfortablen Lauf, wie wir nach der Verabschiedung des Instruktors auf der ersten Testrunde schnell merken. Der 295 kW oder 401 PS starke Antrieb mit einem maximalen Drehmoment von 710 Newtonmetern macht sich über den Popometer deutlich bemerkbar, nicht aber über die Ohren. Das lässt man sich gerne gefallen. Ebenso wie die Überlassung einer Tankkarte von H2Mobility – nur mit der, meinte der Instruktor, komme man problemlos durchs Land. Na ja, zumindest theoretisch.

Mangelware Wasserstoff

Praktisch sah das dann allerdings ganz anders aus. Geplant war zunächst eine Tour ins Saarland – der schönen Landschaft und der guten Küche wegen. Aber der Plan zerschlug sich schnell: Die einzige Wasserstoff-Tankstelle dort, betrieben von Total Energies in Saarbrücken, hatte sich vorsorglich abgemeldet wegen „Ebbe“: „Auf Grund eines Unfalls an der Wasserstoffabfüllung in Leuna“, heiß es dazu in der H2-Mobility-App, „ist es uns derzeit nicht möglich, Wasserstoff kontinuierlich und verlässlich an der Tankstelle bereit zu stellen. Ersatzlieferungen sind wegen der entstandenen Mengenverknappung im Markt und der großen Entfernungen zu anderen Quellen nur bedingt bis nicht möglich.“ Prost Mahlzeit. Ein Bekannter in der Region bestätigte uns die Misere. Seinen Toyota Mirai hatte der wegen der Versorgungsnöte mit einer Restreichweite von 43 Kilometern bereits vor Tagen stilllegen müssen – die nächste Tankstelle bei Mannheim sei bereits außer Reichweite.

Verbrauch von 1,4 Kilogramm bei Tempo 100

Wir entschieden uns daraufhin für eine Tour mit dem BMW gen Norden. Grobe Richtung Münster/Osnabrück. Dort kann es im Herbst auch ganz schön sein. Doch es kam anders – unser Ausflug führte uns schließlich in die Niederlande und nach Amsterdam. Weil dort alle Signale auf Grün standen, die App also keine Versorgungsprobleme erkannte. Und wir nach dem ersten (erfolgreichen) Tankstopp in Duisburg wieder etwas Mut gefasst hatten. In uns selbst und die Reichweite des BMW bei moderaten Fahrgeschwindigkeiten: Im Nachbarland, daran sei hier erinnert, sind tagsüber auf der Autobahn nicht mehr als 100 km/h erlaubt.

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Weiß und Blau Die Bayern trauen sich was: 2028 will BMW auf Basis der sogenannten Neuen Klasse ein Serienfahrzeug mit Brennstoffzelle anbieten. Das Fahrzeug soll eine um 20 Prozent größere Reichweite haben und muss deutlich günstiger sein als der Prototyp.

Und so schafften wir es denn tatsächlich mit dem BMW iX5 Hydrogen, 425 Kilometer in einem Stück zurückzulegen – von Duisburg nach Amsterdam und wieder zurück. Mehr wäre bei einem Durchschnittsverbrauch von 1,4 Kilogramm Wasserstoff auf 100 Kilometer wohl nur auf der Landstraße möglich gewesen. Oder mit einem weiteren sechsminütigen Tankstopp in den Niederlanden. Davon nahmen wir nach einem Blick auf die Wasserstoff-Preise dort aber Abstand: Für das Kilogramm des flüchtigen Gases werden im Nachbarland derzeit Preise zwischen 19,25 und 19,95 Euro aufgerufen. Dagegen sind die Preise in Deutschland fast schon human: An den meisten Stationen werden 16,75 Euro pro Kilogramm fällig, bei manchen Betreibern aber auch Kilopreise von 13,85 oder 17,75 Euro.

Fast 152 Euro für zwei Tankvorgänge

So zahlten wir denn in Duisburg für zwei Tankvorgänge (auf dem Hin- und auf dem Rückweg) bei einer Abnahmemenge von 9,05 Kilogramm einen Gesamtbetrag von 151,59 Euro. Für eine Gesamtfahrstrecke von 615 Kilometern war das ein mehr als stolzer Preis, der jedem Besitzer eines Brennstoffzellenautos Wochenendausflüge gründlich vermiesen dürfte. Und im Alltagsverkehr sähe es nicht besser aus: Bei Spritkosten von 23,45 Euro pro 100 Kilometer könnte man sich auch einen PS-starken Achtzylinder gönnen. Und gegen ein Batterieauto hätte der BMW iX5 Hydrogen schon gar keine Chance: Bei einem Durchschnittsverbrauch von 20 kWh/100 km hätte die Tour mit einem Stromer keine 100 Euro gekostet. Selbst wenn unterwegs nur Ladestationen wie Hochpreis-Anbieter wie Ionity oder Aral Pulse (0,79 €/kWh) angesteuert worden wären.

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Flotter Feger Der 295 kW starke BMW iX5 Hydrogen kann durchaus dynamisch bewegt werden. Tempo 100 ist nach sechs Sekunden erreicht und die Höchstgeschwindigkeit beträgt 180 km/h. Da gibt es wirklich keinen Grund zum Meckern.

Insofern fällt unser Fazit nach der einwöchigen Er-fahrung mit dem BMW iX5 Hydrogen mehr als zwiespältig aus: Das Fahrzeug an sich ist, was Fahrkomfort, Verarbeitung und Sicherheitsausstattung anbetrifft, beinahe ein Traumwagen. Und die Antriebstechnik ist faszinierend wie vielversprechend. Sie funktionierte reibungslos und hat sicherlich noch manche Optimierungsmöglichkeiten, um den Systempreis wie den Wasserstoff-Verbrauch weiter zu drücken. Und die kurzen Tankpausen (von handgestoppt 6:30 Minuten) sind ein starker Pluspunkt, den der Brennstoffzellen-Stromer für sich verbuchen kann. Bei einem Batterieauto gleicher Größe und ähnlicher Reichweite wäre die Pause wenigstens 30 Minuten länger ausgefallen.

2065 Brennstoffzellenautos in ganz Deutschland

Aber bei den aktuellen Wasserstoffpreisen und dem aktuellen Stand der Tankstelleninfrastruktur in Deutschland und auch jenseits der Grenze macht die Anschaffung eines Elektroautos mit Brennstoffzellenantrieb überhaupt keinen Sinn. Zumal, wie Gespräche mit dem Netzbetreiber H2Mobility ergaben, in absehbarer Zeit weder zu erwarten ist, dass die Wasserstoffpreise sinken, noch die Zahl der Zapfsäulen deutlich steigt, an denen Wasserstoff mit 700 bar getankt werden kann.

Im Gegenteil: Das 2015 unter anderem auf Betreiben von Daimler und Linde gegründete H2Mobility-Konsortium bereitet gerade die Stilllegung weiterer Wasserstoff-Tankstellen vor – nur noch 88 sind es derzeit in Deutschland. Weil viele davon technisch in die Jahre gekommen sind und mit Tages-Tankkapazitäten zwischen 100 und 200 Kilogramm nicht einmal halbwegs wirtschaftlich zu betreiben sind. Vor allem nicht mit einem Bestand von 2065 Brennstoffzellenautos, die nach den Erhebungen des Kraftfahrtbundesamtes derzeit in Deutschland zugelassen sind.

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Blick unter die Haube Der Brennstoffzellenantrieb füllt den Motorraum des BMW X5 komplett aus. Wo sonst ein Benziner oder Dieselmotor werkelt, sitzt nun der Brennstoffzellen-Stack samt Konverter und Steuereinheit. Teile davon steuerte Toyota bei.

Und es dürften in nächster Zeit eher weniger als mehr werden: Bei Toyota in Köln stockt nicht nur der Verkauf des Brennstoffzellen-Autos Mirai. Es kommen inzwischen auch vermehrt Fahrzeuge des Typs zurück, deren Leasingverträge von entnervten Besitzern vorzeitig beendet wurden. Wegen der schlechten Versorgungslage in den zurückliegenden Wochen, aber auch den deutlich gestiegenen Wasserstoffpreisen: Vor zwei Jahren noch war das Kilogramm an den meisten Tankstellen noch für unter zehn Euro zu haben.

H2 Mobility setzt auf Nutzfahrzeuge

Bei H2Mobility setzt man nun den Fokus und seine ganze Hoffnung auf Nutzfahrzeuge, gewerblich genutzte Lieferwagen mit Brennstoffzellenantrieb von Renault und Stellantis, die wie die Pkw mit 700 bar betankt werden. Und auf die neuen schweren Lastzüge mit Brennstoffzellen-Antrieb, die Mercedes-Benz, Hyundai und Volvo Trucks gerade auf den Markt bringen. Bei denen reicht schon eine Betankung mit 350 bar, was die Kosten eines Tankvorgangs deutlich senkt. Und die Tanks der Langstrecken-Trucks nehmen bis zu 80 Kilogramm Wasserstoff auf – da klingelt schon eher die Kasse des Tankstellenbetreibers. Vor allem an den neuen großen Tankstellen – wie etwa in Mannheim, Frankenthal, Düsseldorf und Heidelberg -, die täglich bis zu zwei Tonnen Wasserstoff zur Verfügung stellen können. Sechs bis sieben neue Tankstellen der Größenordnung sollen im kommenden Jahr in Betrieb gehen

BMW hat kürzlich angekündigt, 2028 auf Basis der „Neuen Klasse“ das erste Serienmodell mit Brennstoffzellenantrieb auf den Markt zu bringen, in Kooperation mit Toyota, zu geringen Preisen und mit 20 Prozent mehr Reichweite als heute der Prototyp des iX5 bietet. Bleibt zu hoffen, dass bis dahin nicht nur grüner Wasserstoff in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht – und die Infrastruktur deutlich gewachsen ist. Zur Erinnerung: Bei der Gründung von H2Mobility vor bald zehn Jahren war von 400 Tankstellen allein in Deutschland die Rede. Davon können Fahrer von Brennstoffzellenautos heute nur träumen.

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