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Wem gehört die Marke ,ID'?

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Hoffnungsträger: Ein Modell der neuen Generation des ID.3 steht zur Endabnahme im Lichttunnel im Werk von Volkswagen in Zwickau.

Die ID-Baureihe soll ein Symbol für die elektrische Zukunft von Volkswagen sein. Doch Elektroautos wie der kompakte ID.3, der Stadtgeländewagen ID.4 oder die Limousine ID.7 verkaufen sich im Moment in vielen Märkten nicht wie es sich die Strategen des Automobilhersteller erhoffen. Jetzt ist der Markenname der Baureihe, das Kürzel „ID.“, in einem kuriosen Streit zwischen Volkswagen und einem Mittelständler aus Hildesheim in den Fokus geraten. Identytec, ein familiengeführtes Unternehmen mit 25 Mitarbeitern, sieht seine Markenrechte verletzt und ist gegen den Weltkonzern aus Wolfsburg vor Gericht gezogen.

wem gehört die marke ,id'?

Selbsverständnis des Weltkonzerns: VW spricht in seiner Gläsernen Manufaktur in Dresden von „Home of ID.“

„Wir sind uns darüber bewusst, dass dies ein ungleicher Kampf ist“, heißt es vom Mittelständler. Nicht VW, sondern Identytec besitze „ältere Rechte an Marken mit dem Serienbestandteil ‚ID.‘“. In dem Fall wird nun vor dem Landgericht Hamburg gestritten.

Nach Paragraph 14 Markengesetz kann der Inhaber einer älteren Marke Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Schon bei geringfügigen Markenverletzungen legen die Gerichte häufig Streitwerte von mehr als 50.000 Euro zugrunde. Ein Justizsprecher bestätigte auf Nachfrage, dass unter dem Aktenzeichen 315 O 156/22 eine Klage von Identytec vorliegt. Ein Termin für eine mündliche Verhandlung stehe aber noch nicht fest. Dem Vernehmen nach könnte der Rechtsstreit möglicherweise im Spätsommer beginnen.

Unsicherheit bei Markenentwicklung

Es zeigt sich einmal mehr, wie schwer es für große Unternehmen sein kann, rechtssicher eine neue Marke zu entwickeln. Erst die mache aus „anonymen Produkten einen unverwechselbaren Markenartikel – und manchmal werden ein paar Buchstaben oder ein Zeichen gar zum Mythos“, heißt es vom Deutschen Patent- und Markenamt, der Zentralbehörde für gewerblichen Rechtsschutz in Deutschland. Ganze Heerscharen von Beratern und spezialisierten Juristen sind auf dem Gebiet unterwegs.

Identytec stellt eine Technik her, die Materialflüsse in Produktion und Lager optimieren soll. Seit mehr als 15 Jahren nutze man das Akronym „ID.“ in verschiedenster Form, heißt es in einem Eintrag auf der Internetseite der Hildesheimer. Von März 2013 an habe man „eine Vielzahl von Marken mit diesem Anfangsbestandteil angemeldet“, darunter ID.Connector, ID.Shelf, ID.Tag, ID.Add, ID.Weigh, ID.Laser oder ID.Track. VW sei Kunde gewesen und habe einige der Produkte selbst gekauft.

Der Konzern könne also kaum behaupten, „die Markenserie mit dem Anfangsbestandteil ,ID.‘, die unseren Firmennamen aufgreift, nicht gekannt zu haben.“ Im November 2017 habe VW eigene Marken mit dem Bestandteil „ID.“ angemeldet, schreibt der Mittelständler. Knapp zwei Jahre später habe der Wolfsburger Konzern dann gegen drei der Identytec-Marken Widerspruch beim Patent- und Markenamt eingelegt.

Gesprächsthema in Niedersachsen

Nach Angaben von Identytec brach VW im November 2020 Gespräche ab, die den Streit hätten beenden können. Seither, so scheint es, schwelt der Konflikt. In Niedersachsen, wo beide Unternehmen ihren Sitz haben, wird schon getuschelt. Manche fragen sich, ob es den Geschäftsführern von Identytec, Cerstin und Thorsten Finke, allein um eine möglichst hohe Geldzahlung geht.

Die Sache bekommt auch dadurch eine pikante Note, dass Identytec als aussichtsreiches Kleinunternehmen von der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen unterstützt wurde. Deren Beteiligungsgesellschaft NBank Capital und ein Fonds mit dem Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall sind am Unternehmen beteiligt, ebenso eine Gesellschaft der Volksbank aus Braunschweig und Wolfsburg. In gewisser Weise treffen in dem Streit also auch Landesbeteiligungen aufeinander. Niedersachsen hält 20 Prozent der Stammaktien von Volkswagen.

Identytec sieht sich durch die Bezeichnung der ID-Autos geschädigt. „Unsere Marken haben wir über die Jahre mühsame aufgebaut“, erklärt Geschäftsführerin Finke schriftlich gegenüber der F.A.Z.: „Dass unser Unternehmen und unsere ,ID.‘-Produkte nichts mit VW und deren ID.-Elektrofahrzeugen zu tun haben, ist für potentielle Kunden derzeit leider nicht hinreichend klar.“ Aus Sicht der Kläger erweist sich der von Volkswagen durch Wahl der Kennzeichnung „völlig ohne Not“ geschaffene Anschein als besonders schwierig, wonach Identytec im Grunde exklusiv mit Volkswagen verbunden sei oder es irgendwie geartete wirtschaftliche Verflechtung gebe.

Mittelbare Verwechslungsgefahr

„Für uns steht fest, dass die Situation so wie sie ist, jedenfalls nicht bleiben kann“, betont Finke. Wegen der mittelbaren Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Marken fordert Identytec von VW daher eine Unterlassung der behaupteten Markenrechtsverletzung. Der Wolfsburger Konzern will sich nicht äußern und verweist auf die laufende juristische Auseinandersetzung.

Immer wieder kommt es zu Streitigkeiten um geschützte Wortmarken. Selten aber werden sie so prominent ausgetragen wie derzeit im Duell der ungleichen Kontrahenten aus Niedersachsen. Eine Häufung von Auseinandersetzungen findet sich in den Bereichen Handel und Konsumgüter. So wurde um die Verwendung der Wortmarke „Black Friday“ für die Bewerbung von Sonderverkäufen und Rabattaktionen zwischen der damaligen Markeninhaberin und zahlreichen Händlern erbittert gestritten.

Zeitweise lagen dem Markenamt mehr als ein Dutzend Löschungsanträge vor. Am Ende setzte sich die Auffassung durch, dass die Verbraucher die beiden Wörter längst als Hinweis auf einen besonderen Verkaufstag unmittelbar vor der Adventszeit Ende November wahrnehmen.

Auch der Bonner Süßwarenhersteller Haribo musste trotz jahrzehntealter Markenanmeldung im Streit um den „Goldbären“ eine Niederlage gegen den Schweizer Konkurrenten Lindt hinnehmen. So sprach sich der Bundesgerichtshof im Jaht 2015 nicht für ein Verbot aus, weil ihm die „Zeichenähnlichkeit“ zwischen dem Wort „Goldbär“ und der Form der Lindt-Schokoladenbären nicht weit genug ging.

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