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Wann ein gebrauchter Verbrenner gegenüber dem E-Auto Vorteile hat

Ein neuer Verbrenner kommt für Sie nicht mehr infrage. Aber ein E-Auto ist Ihnen noch zu teuer. Kann ein gebrauchter Benziner die Lösung sein?

wann ein gebrauchter verbrenner gegenüber dem e-auto vorteile hat

Was ist besser für die Umwelt: éin neues Elektro-Auto oder ein gebrauchter Verbrenner? © Julian Stratenschulte/dpa

Hoher Preis, sinkende staatliche Prämien, lange Lieferzeiten. Das sind drei Gründe, um sich beim Autokauf gegen Elektromobilität zu entscheiden. Nachhaltigkeit, Klimaschutz und das nahende Verbrenner-Aus hingegen sprechen gegen den Kauf eines neuen Benziners oder Diesels.

Eine Alternative kann ein gebrauchter Verbrenner sein: Er ist nicht nur günstiger in der Anschaffung, sondern ist auch nachhaltig, weil er nicht neu gebaut werden muss. So die Theorie.

Die Praxis ist nicht ganz so einfach. Zwar ist der Anschaffungspreis, je nach Alter und Größe des Fahrzeugs, tatsächlich deutlich günstiger und der Wertverlust gleichzeitig wesentlich geringer als bei einem Neuwagen. Für ein neues E-Auto der Golf-Klasse müssen Käufer nach Angabe des Autoclubs ADAC derzeit noch mehr als 40.000 Euro hinlegen.

    Hingegen ist ein fünf Jahre alter VW Golf mit fünf Litern Durchschnittsverbrauch und 60.000 gefahrenen Kilometern in gutem Zustand für um die 15.000 Euro zu haben. Die laufenden Kosten für Sprit, Wartung und Reparaturen können allerdings mit zunehmendem Alter des Autos zur teils unkalkulierbaren Belastung werden.

    Komplizierter wird es bei der Nachhaltigkeit. Alle Neuwagen starten mit einem klimaschädlichen Rucksack, der durch die Produktion entsteht. Für nahezu jedes verbaute Teil und jeden Herstellungsschritt lässt sich eine CO₂-Bilanz erstellen.

    Positive Klimabilanz bei E-Autos erst bei rund 100.000 Kilometern

    „Bei der Herstellung eines durchschnittlichen Verbrenners fallen sechs bis sieben Tonnen CO₂ an“, erläutert Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). Bei einem neuen E-Auto ist der Rucksack fast doppelt so schwer, elf bis zwölf Tonnen CO₂. Einer der Hauptverursacher in diesem Fall ist der Akku, der im Herstellungsprozess aufwendig und mitunter umweltschädlich ist.

    Seinen Startvorteil büßt der Verbrenner jedoch in der Nutzungsphase ein. Bei einer Lebensdauer von 15 Jahren oder einer Gesamtfahrleistung von 200.000 Kilometern produziere der Durchschnittsverbrenner rund 37 Tonnen CO₂, sagt Wietschel, der beim Fraunhofer ISI das Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme leitet.

    Ein vergleichbares E-Auto erzeuge in seinem Lebenszyklus nach der Herstellung rund elf Tonnen CO₂. Heißt: „Wer sich heute einen Mittelklasse-Pkw mit Elektroantrieb anschafft, muss etwa 45.000 Kilometer fahren, damit er gegenüber einem vergleichbaren neuen Verbrenner-Pkw eine positive Treibhausgasbilanz hat.“

    wann ein gebrauchter verbrenner gegenüber dem e-auto vorteile hat

    Wer nur wenig fährt, für den kann ein sparsamer gebrauchter Benziner aus Umwelt- und Kostensicht eine Alternative zum neuen E-Auto sein. © dpa/Carsten Rehde (Symbolfoto)

    Wer sich einen gebrauchten Verbrenner zulegt, hat aus Sicht der Nachhaltigkeitsrechner einen entscheidenden Vorteil: Das Auto ist ohnehin schon in der Welt – der CO₂-Rucksack durch die Herstellung fällt weg.

    Damit überholt das neue E-Auto den gebrauchten Verbrenner nach den Zahlen von ISI-Forscher Wietschel bei der CO₂-Bilanz deutlich später. „Mit einem neuen Elektro-Pkw muss man dann rund 100.000 Kilometer fahren, um eine positive Klimabilanz zu erreichen.“

    Technische Entwicklung von E-Autos schreitet schnell voran

    Klare Sache, also: Nur wer sein Auto viel und regelmäßig fährt, tut mit einem E-Auto mehr für die Umwelt? In der ökologischen Gesamtbilanz über den Lebenszyklus schneide das E-Auto immer besser ab als ein vergleichbarer Verbrenner, sagt Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD).

    „Wer aber nur wenig fährt, für den kann ein sparsamer gebrauchter Benziner aus Umwelt- und Kostensicht eine Alternative sein“, bestätigt er. Auch vom Autoclub ADAC heißt es, grundsätzlich sei es sinnvoll, ein existierendes Fahrzeug möglichst lange zu nutzen.

    Beide Lobbyverbände weisen jedoch gleichzeitig darauf hin, dass sich eine pauschale Aussage – gebrauchter Verbrenner unter Umständen besser als neues E-Auto – nicht treffen lasse. Es gebe zu viele Faktoren, die im Einzelfall eine Entscheidung in die eine oder die andere Richtung beeinflussen könnten.

    Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, sieht das ähnlich. Für ihn einer der Parameter: die Größe des Autos. „Liegt der Verbrauch beim Benziner eher bei fünf oder bei zehn Litern? Ist das E-Auto klein oder ein SUV mit einer riesigen Batterie? Das beeinflusst ja die Größe des Rucksacks bei der Produktion entscheidend.“

    Auch der Treibstoff kann finanziell und ökologisch den Unterschied machen. Wird das E-Auto aus Wind- oder aus Atomenergie gespeist, lädt der Besitzer es mit dem Solarstrom vom eigenen Dach? Läuft der Verbrenner mit Benzin oder Diesel?

    In einem Punkt sind sich alle Experten einig: Die Frage nach gebrauchtem Verbrenner oder neuem E-Auto werde sich schon in wenigen Jahren nicht mehr stellen.

    „Die technische Entwicklung bei E-Autos – vor allem bei den Akkus – sowie die Dekarbonisierung des Stromsystems schreitet sehr schnell voran“, sagt ISI-Forscher Wietzel. 2020 habe die Kilometerleistung, ab der ein durchschnittliches E-Auto einen vergleichbaren Verbrenner in puncto Nachhaltigkeit überholt, bei 52.000 Kilometern gelegen – aktuell bereits bei den oben genannten 45.000.

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