Finanzen

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

Verbrenner haben eine Zukunft

verbrenner haben eine zukunft

Von 2035 an sollten in der EU eigentlich keine Verbrenner mehr neu zugelassen werden.

Verbrenner haben eine Zukunft

Auch nach 2035 können Neuwagen mit Verbrennungsmotor zugelassen werden, wenn sie klimaneutralen Kraftstoff, sogenannte E-Fuels, nutzen. Darauf haben sich EU und Bundesregierung verständigt. Finanzminister Lindner will nun auch die Kfz-Steuer reformieren.

Nach wochenlangem Ringen um die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotor hat sich die Bundesregierung mit der EU-Kommission auf einen Kompromiss verständigt. Danach können auch nach 2035 Neuwagen mit einem solchen Antrieb in der EU zugelassen werden, wenn sie mit klimaneutralem Kraftstoff betankt werden.

Das teilten Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und EU-Kommissionsvize Frans Timmermans am Samstag mit. Laut Wissing wurden konkrete Verfahrensschritte und ein konkreter Zeitplan verbindlich fixiert. „Wir wollen, dass der Prozess bis Herbst 2024 abgeschlossen ist.“ Timmermans schrieb auf Twitter: „Wir haben mit Deutschland eine Einigung über die künftige Verwendung von E-Fuels in Autos erzielt.“ Man werde jetzt daran arbeiten, dass die Verordnung über CO2-Standards für Autos so schnell wie möglich verabschiedet werde.

EU-Parlament und EU-Staaten hatten sich bereits im Oktober darauf geeinigt, dass in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Wissing pochte aber darauf, dass auch danach noch Neuwagen mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden können, die E-Fuels tanken – also klimaneutrale künstliche Kraftstoffe, die mit Ökostrom erzeugt werden. Eine für Anfang März vorgesehene Bestätigung der Einigung durch die EU-Staaten wurde daher von Deutschland zunächst verhindert. Seitdem verhandelten Bundesverkehrsministerium und EU-Kommission über einen Kompromiss.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) äußerte sich am Samstag zur Einigung mit der EU-Kommission über die Neuregelung der CO2-Flottengrenzwerte und den künftigen Einsatz von E-Fuels: „Es ist gut, dass diese Hängepartie ein Ende hat. Alles andere hätte sowohl das Vertrauen in die europäischen Verfahren wie auch in die europapolitische Verlässlichkeit Deutschlands schwer beschädigt. Ich möchte mich ausdrücklich bei den europäischen Partnern und bei der EU-Kommission für ihr besonnenes Verhalten bedanken“, sagte Lemke.

Die jetzt gefundene Lösung trage den Bedenken der FDP Rechnung, ohne den im Trilogverfahren gefundenen Kompromiss zu gefährden, so die Umweltministerin. Die Automobilindustrie habe nun Klarheit für die Umstellung auf Elektromobilität. „E-Fuels werden – das haben wir immer gesagt – eine wichtige Rolle spielen. Insbesondere für die Bereiche, die nicht ohne Weiteres auf effiziente Elektromotoren umstellen können.“

Der klimapolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Michael Bloss, äußerte sich zurückhaltend: „Inhaltlich werden wir sehr genau prüfen, was die Kommission auf den Tisch legt. Das Parlament wird nichts akzeptieren, das gegen das Gesetz verstößt“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Die Automobilindustrie setzt voll auf Elektroautos, das war eine absurde Debatte, die Deutschland viel Glaubwürdigkeit gekostet hat. Das gilt es nun wieder gutzumachen“, fügte er hinzu. Grundsätzlich sei es aber gut, dass der Konflikt nun gelöst scheint, denn das EU-Klimapaket dürfe nicht länger blockiert werden. „Das Gesetz muss am Dienstag schnell beschlossen werden, damit die EU wieder arbeitsfähig wird“, betonte er mit Blick auf die Sitzung des Energieministerrates, an dem auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) teilnimmt.

Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller, sieht in der Einigung zwischen Bundesregierung und EU-Kommission im Verbrennerstreit ein positives Signal für den Klimaschutz. „Wir brauchen alle klimafreundlichen Technologien, um die EU-Klimaziele zu erreichen“, sagte sie am Samstag. Es sei daher im Sinne des Klimas, dass Berlin und Brüssel nun offensichtlich eine Einigung – mit entsprechendem Zeitplan – gefunden hätten.

E-Mobilität bleibe die zentrale Technologie, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Sogenannte E-Fuels – darunter versteht man künstlich hergestellte, klimaneutrale Kraftstoffe – seien jedoch eine wichtige Erweiterung. Müller betonte aber auch: „Die finalen Details der Einigung sind noch zu bewerten.“

EU-Abgeordnete der Grünen wollen den Kompromiss genau unter die Lupe nehmen. „Wir werden den Vorschlag rechtlich und politisch sehr genau prüfen“, kündigte der Sprecher der deutschen Grünen im Parlament, Rasmus Andresen, an. Er betonte aber auch, es sei gut, dass die Hängepartie nun beendet sei. Zudem sagte er mit Blick auf den Bundesverkehrsminister: „Wissing hat die Bundesregierung blamiert. Es ist unfassbar, dass Kanzler Scholz dieses Chaos über Wochen gedeckt hat.“

Auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm kritisierte die Einigung. „Das könnte es der Politik sehr schwer machen, konsequente Klimapolitik zu betreiben“, sagte sie dem „Handelsblatt“. Zudem habe die FDP mit ihrem Widerstand gegen das Aus für Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035 in der EU Vertrauen in Deutschland verspielt. Grimm äußerte die Befürchtung, Hersteller sowie Verbraucher:innen könnten nun doch länger an Autos mit Verbrennungsmotoren festhalten, „in der Hoffnung auf günstige E-Fuels“. Es seien jedoch „Szenarien, in denen E-Fuels eine günstige Alternative für die Mobilität darstellen“, bis 2035 selbst bei optimistischen Annahmen „kaum vorstellbar“. Zwar werde es einen Hochlauf für klimafreundlichen Wasserstoff geben müssen, dieser werde aber dann „in großen Mengen“ in der Industrie, in der Schwermobilität, dem Schiffsverkehr und im Stromsektor benötigt.

Viele EU-Partner hatten irritiert auf das deutsche Verhalten in dem Streit reagiert. Am Donnerstag sprach der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins am Rande des EU-Gipfels von einem „sehr, sehr schwierigen Zeichen für die Zukunft“. Es sei verwunderlich, dass eine Regierung sich plötzlich anders entscheide, nachdem eine Vereinbarung bereits getroffen worden sei. Karins warnte: „Die gesamte Architektur der Entscheidungsfindung würde auseinanderfallen, wenn wir das alle tun würden.“

Bundesfinanzminister Christian Linder kündigte nach der Einigung mit der EU-Kommission eine Reform der Kfz-Steuer an. Die Nutzung von E-Fuels soll geringer besteuert werden als die von Benzin oder Diesel. „Wenn der Kraftstoff klimafreundlich ist, dann muss die Besteuerung von der Kraftfahrzeugsteuer bis zur Energiesteuer angepasst werden“, sagte der FDP-Vorsitzende. Das Finanzministerium werde dazu ein Konzept vorlegen. mit dpa/afp

TOP STORIES

Top List in the World