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Uber, Bolt, Free Now: Hauen und Stechen um das Taxi

uber, bolt, free now: hauen und stechen um das taxi

Wieder auf dem Vormarsch? Taxivermittler Free Now rechnet durch neue Regeln mit mehr Geschäft.

Seit Jahren steht das klassische Taxigewerbe unter Druck. Vom Einbruch der Corona-Pandemie haben sich die gelb-beigen Funktaxis nur schleppend erholt. Gleichzeitig haben neue Rivalen wie der US-Anbieter Uber mit aller Macht versucht, in Deutschland Fuß zu fassen. Jetzt kommt der Markt in Bewegung. Nachdem die Stadt Berlin etliche „Mietwagen“ mit konzessionslosen Chauffeuren von Uber, Bolt und Co. aus dem Verkehr gezogen hat, hoffen Taxifahrer auf mehr Geschäft. Das Gleiche gilt für digitale Plattformen, die deren Fahrten vermitteln. „Wir sehen erhebliches Wachstumspotential im Taximarkt“, sagt Thomas Zimmermann, Chef des Fahrtenvermittlers Free Now . „Wir haben immer gesagt, dass klassische Taxis im Wettbewerb überlegen sind, wenn faire Bedingungen für alle herrschen.“

Free Now hatte als Start-up in Hamburg unter dem Namen Mytaxi angefangen und gehört heute den Dax-Konzernen Mercedes und BMW. Nach eigenen Angaben vermittelt das Unternehmen allein in Berlin mehr als 4000 der 5000 Taxis, die in der Hauptstadt unterwegs sind. Nach dem Rückzug der Tochtergesellschaft Beat aus Südamerika konzentriert sich das Angebot auf Europa, wo Free Now in neun Ländern und mehr als 150 Städten aktiv ist.

Auch Free Now hat sich an der Vermittlung von Touren versucht, die spezielle Fahrer mit Mietwagenflotten anbieten und dabei Taxis unterbieten, hat aber angekündigt, das Geschäft beenden zu wollen. „Unser Kerngeschäft ist Taxi, und das weiten wir aus“, sagt Zimmermann. „Wir sind überzeugt, dass wir mit Abstand die höchste Verfügbarkeit und die beste Servicequalität anbieten.“

Sperrung vieler Mietwagen ohne Genehmigung

Taxiunternehmer stehen mit Uber und ähnlichen Anbietern seit Jahren auf Kriegsfuß. Sie werfen ihnen Preisdumping vor. „Das Mietwagengeschäft ist aktuell noch sehr unreguliert“, sagt Zimmermann. Dementsprechend gebe es dort „sehr aggressive und hoch defizitäre“ Rabatte für Kunden. „Darunter hat das Taxigeschäft in der Vergangenheit gelitten.“ Doch zuletzt hat beispielsweise in Berlin das zuständige Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten die Sperrung vieler Fahrer ohne Genehmigung veranlasst. Die Behörde schätzt, dass gut jeder fünfte der knapp 4500 Mietwagen in der Hauptstadt ohne Erlaubnis unterwegs ist.

Ein Durchgriff mit Folgen: Nach Angaben von Free Now lagen die Buchungen im Berliner Taxigeschäft im April 2024 um 45 Prozent über dem Vorjahresmonat. Ein bedeutender Teil davon hänge mit der sinkenden Servicequalität der Konkurrenz zusammen, ist man bei Free Now überzeugt. Beobachtet wird etwa ein Anstieg der Wartezeiten auf Uber-Wagen, der inzwischen teilweise bei sieben bis zwölf Minuten liege. Auf Taxis müssten Kunden eher drei Minuten warten. Auch von der Einführung von Festpreisen für Taxis in einigen Großstädten verspricht sich Free Now einen zusätzlichen Schub fürs Geschäft.

Ubers Retourkutsche

Der amerikanische Rivale denkt allerdings gar nicht daran, sich einfach aus dem Markt drängen zu lassen. Vergangene Woche kündigte Uber eine Retourkutsche an, die es in sich hat. Die Amerikaner öffnen ihre App für Taxiunternehmer in ganz Deutschland. Bislang hatte Uber vor allem mit Mietwagenunternehmern zusammengearbeitet. Anders als Taxibetreiber, deren Kilometerpreise von den zuständigen Behörden festgelegt werden, können diese ihre Preise frei wählen. Dafür dürfen sie nicht spontan Passagiere aufsammeln, sondern nur, wenn sie bestellt wurden. Und sie zahlen mehr Umsatzsteuer. Plattformen wie Uber oder Bolt arbeiten mit solchen Mietwagenunternehmen zusammen und agieren als Vermittler. Die Fahrer arbeiten also nicht für Uber oder Bolt, sondern sind bei dritten Transportunternehmen angestellt. Diese zahlen für das Vermitteln der Fahrten eine Provision an die Plattformen.

Welchen Widerhall der Vorstoß ins klassische Taxigewerbe haben wird, ist umstritten. Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi, erwartet keine großflächige oder systematische Zusammenarbeit der Taxiunternehmer mit Uber. Über 80 Prozent der Taxiflotte seien schon heute per App buchbar, sagt er, darunter auch eigene Angebote der Zentralen wie die App Taxi.eu. In Berlin kooperieren nach Angaben von Uber allerdings schon heute rund 20 Prozent aller Taxis mit der Vermittlungsplattform. Deutschlandweit seien es mehr als 4000 Taxifahrer – und in der Branche wird die Bewegung durchaus aufmerksam verfolgt. Auch Konkurrent Bolt vermittelt Taxis, allerdings in deutlich geringerem Umfang als Mietwagen.

Der Streit um den Mindesttarif für Mietwagen

Eingriffe der Behörden könnten die Marktbedingungen weiter ändern. So fordern die Taxibranche und auch Free Now seit Jahren einen Mindesttarif für Mietwagen, um sich gegen deren Vormarsch zu behaupten. Im Zuge der Reform des Personenbeförderungsgesetzes vor knapp drei Jahren gab die Regierung den Kommunen unter anderem die Möglichkeit, solche Untergrenzen festzulegen. Zwar macht bislang kaum eine Kommune davon Gebrauch, doch aktuell kommt in vielen Städten Bewegung in die Debatte. „Wir rechnen mit ersten Anordnungen noch in diesem Jahr“, sagt Oppermann vom Taxiverband.

Uber und Bolt wehren sich gegen diese Entwicklung und bestreiten auch die Vorwürfe, ihre Partnerunternehmen auszubeuten. Ihr Geschäftsmodell funktioniere, weil durch die flexibleren Preise eine höhere Auslastung erreicht werde. Taxiunternehmer hegen starke Zweifel an dieser Rechnung.

Für den Taxivermittler Free Now ist Expansion im Kerngeschäft auch wichtig, um den eigenen Wert zu steigern. Schon vor Jahren hatte Uber ein Übernahmeangebot für das Unternehmen gemacht. Doch auch ein späterer Vorstoß des koreanischen Taxidienstanbieters Kakao Mobility, der rund 300 Millionen Euro für Free Now geboten haben soll, verlief im Sande. Mercedes und BMW halten die Beteiligung über ein Gemeinschaftsunternehmen für Mobilitätsdienste, zu dem ursprünglich auch Share Now gehört hatte, das Carsharing-Unternehmen, in dem der Branchenpionier Car2Go aufgegangen war. Im Mai 2022 schlugen BMW und Mercedes Share Now an den Wettbewerber Stellantis los.

Hintergrund war, dass sich die Hoffnungen auf ein großes, integriertes Geschäft mit Mobilitätsdiensten nicht realisiert hatten – eine Erfahrung, die viele klassische Autokonzerne machen. Zimmermann will die Strategie der Gesellschafter nicht kommentieren, nur so viel: „Wir haben mit BMW und Mercedes zwei starke Eigentümer, deren Fokus darauf liegt, dass wir uns gut weiterentwickeln und profitabel werden.“ Nachdem Free Now über Jahre Verluste angehäuft hatte, sei die Ertragslage inzwischen besser. „Unser Ziel ist es, in der zweiten Jahreshälfte profitabel zu werden“, sagt er. „Da sieht alles danach aus, dass wir das schaffen.“

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