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Telo statt Tesla: Die nette Alternative zum Cybertruck

Kompakt, freundlich und ungeheuer smart – so will der vollelektrische Telo Truck der Entwicklung des Pick-up eine neue Richtung geben.

„Size matters“: Auf die Größe kommt es an. Doch während die meisten Amerikaner daraus die die Formel „The Bigger the Better“ ableiten und dem Gigantismus huldigen, denkt Jason Marks in die Gegenrichtung: Er will seinen Landleuten erklären, dass kleiner feiner ist. Und das ausgerechnet beim Pick-Up-Truck, dem Erbe des Planwagens, mit dem Nordamerika einst besiedelt wurde. Der Pick-up ist zugleich Inbegriff des Macho-Mobils, weil er im Laufe seiner Entwicklung immer größer geworden ist und selbst in USA kaum mehr in die Parkhäuser passt. Dass Tesla die Fahrzeuggattung jetzt mit einem Cybertruck im Endzeit-Design auch noch mit jeder Menge Aggressionspotenzial auflädt, macht die Sache nicht besser.

telo statt tesla: die nette alternative zum cybertruck

Garagenfirma Nur fünf Blocks von jenem Schuppen in der Bing Street entfernt, in dem Martin Eberhard und Marc Tarpenning einst die ersten Lotus Elise zum Tesla Roadster umgebaut haben, werkelt das Telo-Team am Prototypen des Elektro-Pickup.

Der CEO von Telo Trucks schlägt deshalb nun eine Alternative vor. Nein, er will den Amerikanern ihr liebstes Auto nicht nehmen. Aber er will es neu erfinden und es ohne Kompromisse zurechtstutzen auf ein Maß, das mit den Verkehrsverhältnissen in Megacities wie Los Angeles oder New York kompatibel ist. In Wyoming, Texas oder Colorado könnten Cowboys oder Farmer ja ruhig weiter einen Ford F-150 Lightning fahren oder seinetwegen auch den Cybertruck. Doch für die Handwerker in Manhattan, die Surfer in San Diego oder die Camper in Washington gibt es künftig etwas clevereres, umwelt- und sozialverträglicheres, sagt Marks.

Pick-up von der Länge eines Mini Cooper

Der junge Ingenieur, der seine Karriere beim Landmaschinenhersteller John Deere begann, lenkt dabei den Blick auf den ersten Prototypen des vollelektrischen Telo Trucks. Er zückt dabei stolz das Maßband und kommt auf 152 Inch oder 3,86 Meter Länge. Damit ist der Telo so lang wie ein dreitüriger Mini Cooper, hat aber die gleichen „Capabilities“ wie ein ausgewachsener Truck vom Schlage jenes Toyota Tacoma, mit dem Marks aktuell noch unterwegs ist .

„Capabilities“ klingt irgendwie kernig und zupackend und damit viel besser als Eigenschaften oder Fähigkeiten. Aber genau darum geht es: Wie jeder Pick-Up mit Doppelkabine bietet auch der Telo fünf Sitzplätze. Und die Pritsche ist groß und vor allem lang genug für Surfboards oder für jene Spanplatten, aus denen die Amerikaner gerne ihre Häuser bauen. Oder für Bikes oder Heuballen.

telo statt tesla: die nette alternative zum cybertruck

Es geht auch anders Forrest North, Jason Marks und der Schweizer Designer Yves Behar (v.l.) haben sich zusammengetan, um mit dem smarten Telo Truck ein sozialverträgliches Gegenstück zum martialischen Cybertruck von Tesla auf die Räder zu stellen.

Möglich wird das, weil Marks sich nicht ans alte Schema hält. Denn wo kein Motor, da brauche es auch keine Haube, sagt der Querdenker. So rückte die Kabine des Telo Truck ganz nach vorne und spart schon mal den ersten Meter. Den zweiten Meter gewann das Entwicklerteam mit einer variablen Rückbank. Die lässt sich mit samt der hinteren Wand der Kabine so umklappen, dass sie zum Teil der Ladefläche wird.

Elektrischer Allradantrieb mit 368 kW

Obendrauf gibt es noch ein paar clevere Ideen mit Aha-Effekt: Zum Ausgleich für den fehlenden Frunk spart, haben die Entwickler immerhin einen Gear-Tunnel wie bei Rivian eingebaut, in dem Ausrüstungsgegenstände wie Ski oder Angeln quer zur Fahrtrichtung unter der Rückbank verschwinden, weil da ja jetzt kein Kardantunnel mehr durchführt. Und wer lieber mehr Leute mitnimmt als Ladung, der kann aus der Pritsche eine dritte Bank ausklappen und drüber ein Dachmodul installieren. Der kleine Truck wird so zum Siebensitzer.

telo statt tesla: die nette alternative zum cybertruck

Small is beautiful Mit seinen kurzen Abmessungen dürfte der Telo keine Probleme haben, in der Stadt einen Parkplatz zu finden. Fotos: Telo

Während Marks bei den Abmessungen knausert, wird beim Antrieb geklotzt: Es gibt zwei Elektromotoren mit zusammen 368 kW oder 500 PS Leistung. Damit gewinnt der Kleinlaster die Sprinterqualitäten eines Sportwagens: „Von 0 auf 100 schaffen wir in weniger als vier Sekunden“.

106 kWh-Akku für 560 Kilometer Reichweite

Und weil 300 Meilen so etwas sind wie der Komfortfaktor im Ringen gegen die Reichweitenangst, schraubt Telo einen 106 kWh großen Akku in den Wagenboden, der in 20 Minuten von 0 auf 80 Prozent geladen werden kann. Umgerechnet soll der Truck mit einer Akkuladung 560 Kilometer schaffen, stellt Marks in Aussicht..

Die Idee für den Truck ist mittlerweile sechs Jahre alt und nimmt so langsam konkrete Formen an. Marks hat sich mit Forrest North zusammengetan, der ein Urgestein der elektrischen Revolution ist, Tesla noch als Werkstattprojekt kennt und die Lade-App Plug-Share programmiert hat. Gemeinsam haben sie eine Garage in San Carlos im Silicon Valley gemietet, nur fünf Blocks von jenem Schuppen in der Bing Street entfernt, in dem Martin Eberhard und Marc Tarpenning die ersten Lotus Elise zum Tesla Roadster umgebaut haben.

telo statt tesla: die nette alternative zum cybertruck

Mini-Pickup Mit 52 Inch oder 3,86 Metern Länge ist der Telo Truck fast auf den Zentimeter so groß wie ein vollelektrischer Mini Cooper.

Sie haben eine Handvoll Mitarbeiter eingestellt und ein Heer von Beratern und Geldgebern um sich geschart, haben Tonnen von Daten durch den Simulator gejagt, sich mit dem Schweizer Industriedesigner Yves Behar zusammengetan und die kuschelige Form des Abenteuer-Trucks für die Stadt entwickelt, die irgendwie an den seligen VW Pritschen-Bulli erinnert und trotzdem so gar nichts von Retro hat.

Mit dem Rolling Chassis durch San Carlos

Und in diesem Herbst ist die Idee buchstäblich ins Rollen gekommen. Denn seit ein paar Wochen kreuzen sie mit einem Rolling Chassis durch San Carlos, mit dem sie die Batterie und die Motoren testen und ihre revolutionäre Raumaufteilung. Zwar fehlt noch die Karosserie und es gibt so recht auch noch kein Cockpit. Doch bekommt man auf dem luftigen Bock bereits ein Gefühl dafür, wie ungewöhnlich und trotzdem angenehm die Sitzposition so weit vorne zwischen den Rädern ist und wie groß und erwachsen sich der Telo sich plötzlich anfühlt, wenn man mal drin sitzt statt nur daneben zu stehen.

telo statt tesla: die nette alternative zum cybertruck

Luftige Angelegenheit Mit einem Rolling Chassis testen die Entwickler von Telo Truck in San Carlos die Batterie und die Motoren sowie die revolutionäre Raumaufteilung des kompakten Pick-up. Unser Autor hatte schon viel Spaß bei der Probefahrt.

Zwar haben sie Crash & Co schon simuliert und die Komponenten für den Telo-Truck gibt es mittlerweile fast bei jedem Zulieferer aus dem Standard-Regal. Aber das Schwierigste steht dem Start-Up noch bevor. Statt eines einzelnen Autos muss es eine ganz Flotte von Fahrzeugen bauen, einen Vertrieb dafür organisieren sowie ein Servicenetz. Das sind die Hürden, an denen schon viele Newcomer wie etwa Sono Motors in Deutschland gescheitert sind. Auch bei Canoo, dem vom ehemaligen BMW-Vorstand Stefan Krause gegründete Start-Up aus Arkansas, das ein ähnliches Fahrzeugkonzept verfolgt, sind sie noch längst nicht über den Berg.

Das alles weiß auch Marks. Aber zumindest haben sie auf den Rat ihrer Partner und Paten aus der Automobilindustrie hin alles so konservativ geplant, dass das Unternehmen schon bei einem Verkauf von 5.000 Fahrzeugen im Jahr auf ihre Kosten käme. Und sie überstürzen nichts: Erst Ende 2025 sollen die ersten Autos ausgeliefert werden.

Die Chancen auf einen Erfolg stehen derzeit gar nicht schlecht. Allein in den ersten drei Tagen nach der Weltpremiere des Telo Truck haben 1.000 Interessenten ihre Anzahlung auf den avisierten Kaufpreis von 49.999 Dollar geleistet. Die Anzahlung beträgt übrigens 152 Dollar. „Einen Dollar für jedes Inch der Fahrzeuglänge“, erklärt Marks. Womit wir wieder am Anfang wären, bei „Size matters“.

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